STEIERMARK
Eine Forschergruppe aus Graz überträgt das Verhalten junger
Bienen erfolgreich auf Roboter. Die Brutpfl ege-Strategien der
Bienen erweisen sich dabei als verblüffend effi zient.
Robotik gerät ins Schwärmen.
36 NEW BUSINESS • STEIERMARK | OKTOBER 2017
Fotos: Pixabay
D ass Bienen in hochorganisierten
Verbänden leben, ist
vertrautes Wissen. Ein bisher
wenig bekannter Teil
dieses Systems ist jedoch das Verhalten
sehr junger Bienen am Tag nach dem
Schlüpfen. Eine Gruppe um den Zoologen
Thomas Schmickl von der Karl-
Franzens-Universität Graz hat sich dieses
Verhalten genauer angesehen und
entdeckt, dass es komplexer ist als angenommen.
In einem vom Wissenschaftsfonds
FWF nanzierten Projekt
erstellte das Forscherteam ein Verhaltensmodell
der jungen Bienen und übertrug
dieses auf Roboter, wo sich die
Strategie der Bienen als unerwartet effektiv
erwies.
„Frisch geschlüpfte Babybienen tun einen
Tag lang nichts Besonderes. Sie putzen
die Zellen, aus denen sie geschlüpft
sind, damit die Königin dann neue Eier
hineinlegen kann“, erklärt Thomas
Schmickl. „Das Verhalten dieser Babybienen
hat man früher nicht ernst genommen,
aber es hat sich gezeigt, dass
es essenziell für das Aufrechterhalten
des Systems der Honigbienen ist, das es
ihnen erlaubt zu überwintern.“ Die Temperatur
im Stock hat dabei zentrale Bedeutung:
Eine Bienenlarve ist das am
schnellsten heranwachsende Lebewesen
der Welt. Innerhalb von fünf Tagen vertausendfacht
sie ihre Körpermasse. „Kein
Lebewesen auf der Welt wächst so
schnell, relativ zur Ausgangsgröße. Das
ist nur möglich, weil die Bienen das Brutnest
auf 35 bis 37 Grad aufheizen und
der Stoffwechsel auf Hochtouren läuft“,
berichtet Schmickl. In welche Zellen die
neuen Eier gelegt werden, hängt von
deren Temperatur ab. Höhere Temperatur
bedeutet bessere Nutzung der vorhandenen
Wärme.
„Die Babybienen sorgen dafür, dass
dieses Brutnest kompakt ist und die
erzeugte Wärme auch gut ausgenutzt
wird. Welche der Zellen der Bienennachwuchs
putzt, ist entscheidend, um
das Nest am Leben zu erhalten“, sagt
Schmickl. Die frisch geschlüpften Bienen
putzen bevorzugt dort, wo die Temperatur
höher ist. „Wir haben die Situation
in einem Laborversuch nachgebaut und
Bienen in einem Feld mit unterschiedlichen
Temperaturen laufen lassen. Dabei
haben wir festgestellt, dass die jungen
Bienen keineswegs einem einfachen
Programm folgen, sondern ein relativ
kompliziertes Verhalten zeigen. Wir
konnten grob vier verschiedene Verhaltenstypen
identi zieren: Die Ziel-Finder,
die direkt zur wärmsten Stelle gehen,
die Random Walker, die einfach kreuz
und quer gehen und sich überhaupt nicht
um die Temperatur kümmern, die Wall-
Follower, die am Rand des Brutnestes
entlanggehen, und diejenigen, die gar
nichts tun.“
Schwarmintelligenz in Perfektion
Schmickl und sein Team beobachteten,
dass die Bienen in Summe intelligentes
Verhalten zeigen, ohne dass die einzelne
Biene über die Gesamtsituation Bescheid
wissen müsste. Sie nden verlässlich
die wärmste Stelle und ignorieren
kleinere warme Bereiche. „Die Bienen
berücksichtigen also die gesamte Umwelt,
doch das passiert nicht im Hirn
der einzelnen Biene. Einzelne Bienen
müssen nicht überall gewesen sein. Der