„Man muss die Kolleginnen und Kollegen
ermutigen, selbstorganisiert zu sein und ihr
Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.
Privat tun sie das ja auch.“
Gertrud Hierzer, Vice President HR,
T-Systems Alpine
Foto: RNF
2021 BILDUNG & KARRIERE-GUIDE 31
WAS ICH DA HERAUSLESE, IST, DASS SIE
SICH FREUEN IN DER HR DES KONZERNS AUS
DEM VOLLEN SCHÖPFEN ZU KÖNNEN.
Absolut. Die Deutsche Telekom ist HR-mäßig
wirklich sensationell. Da wurde sehr viel bereits
vorgedacht. Ich muss eigentlich nur noch die
Dinge vom Baum pflücken. Es gibt zum Beispiel
eine App für neue Mitarbeitende, mit der
sie sich schon vorher über alles informieren
können. Es gibt Interviews mit der Geschäftsführung,
unsere Qualitätsansprüche, unsere
Werte, unser Mindset. Bevor jemand zu uns
kommt, ist er neugierig und hat auch Zeit dafür.
Wenn er einmal da ist, ist der Drops gelutscht,
und er ist sofort im Tagesgeschäft drin. Dieses
Tool gibt es, wir müssen nur noch in den Content
investieren. Damit sind wir in Europa ein
bisschen Vorreiter. In den USA ist es schon gang
und gäbe, seine neuen Mitarbeitenden so abzuholen.
Wir werden das im Herbst bei uns launchen.
Auch diese schon erwähnten Datenbanken
mit dem Know-how, die wie Netflix aufgebaut
sind. Wenn Sie ein Training zu Data-Analytics
machen, bekommen Sie am nächsten Tag
weitere passende Vorschläge.
GEHT DAS DANN IN RICHTUNG SELF-
SERVICE-WEITERBILDUNG?
Ich kann dieses große Wissensangebot als Führungskraft
nicht mehr selbst überblicken. Der
Mitarbeiter muss selbst wissen, in welche Richtung
er oder sie sich entwickeln will und was er
oder sie sich zutraut. Als Führungskraft – und
das dreht sich gerade – kann man nur noch den
Rahmen und die Plattform dafür bereitstellen.
Man muss die Kolleginnen und Kollegen ermutigen,
selbstorganisiert zu sein und ihr Schicksal
in die eigenen Hände zu nehmen. Privat tun sie
das ja auch. Auch da ist es wieder so, dass wenn
man den Einzelnen fragt, ob er alles vorgekaut
haben will, wird er es lieber selbst entscheiden
wollen. Diese Selbstbestimmung muss man bei
manchen wieder zum Leben erwecken.
AUCH DA GEHT ES ALSO WIEDER DARUM,
DEN SCHLEIER VOR DEN AUGEN ZU LÜFTEN,
DAMIT DIE LEUTE SICH SELBST UND WO SIE
STEHEN WAHRNEHMEN?
Genau. Dafür muss man aber auch seine Ängste
loswerden. Denn es ist eine Reise. Wenn man
etwas neu lernt, ist man am Anfang erst einmal
wieder der komplett Unwissende außerhalb der
eigenen Komfortzone. Aber es schafft Selbstvertrauen,
wenn man auf das zurückschauen kann,
was man lernenderweise dann doch gestemmt
bekommen hat. Das haben die Jungen echt
drauf. Ich weiß nicht, was die Schulen da richtig
gemacht haben.
VIELLEICHT WAREN SIE SO SCHLECHT,
DASS SIE SICH ALLES SELBST BEIBRINGEN
MUSSTEN, WAS WICHTIG WAR.
(lacht) Vielleicht ist es das. Vielleicht müssen
auch die Führungskräfte so schlecht werden.
(lacht) Es ist wirklich krass. 20-Jährige gehen
auf Sabbaticals, und der häufigste Kündigungsgrund
ist, dass es nicht spannend genug war
und sie nicht genug lernen konnten. Dann
fügen sie ein Studium an und gehen ins Ausland.
Sie bringen diesen Lernhunger mit.
WÜRDEN SIE DAS GENERELL VON DIESER
GENERATION SAGEN?
Die meisten. Fragen Sie mal die, die gerade
Matura gemacht haben. Die wollen alle die