INNOVATIVE INDUSTRIE • KUNSTSTOFF & VERPACKUNG
06 NEW BUSINESS • INNOVATIONS | JUNI 2017
Fotos: Bellhäuser/INM GmbH, Gabi Klein/INM GmbH
dünner als ein menschliches Haar sind. Diese können sich
als unstrukturiertes, weitmaschiges Netz auf Glas und auch
auf Folie niederschlagen. Das Verspinnen von leitfähigen
Materialien würde transparente, exible, leitfähige Elektroden
ermöglichen, deren Streuverlust unter zwei Prozent
liege, wie die Forscher versprechen.
HAUCHDÜNNE FASERN SPINNEN
Das Prinzip des Elektrospinnens beruht auf der Elektrohydrodynamik
von Polymertropfen in starken elektromagnetischen
Feldern. Die Tropfen gehen im elektrischen Feld in
einen Kegel über. Aus diesem schießt ein Strahl des üssigen
Polymers heraus, um so die elektrischen Ladungen zu
verringern. An der Luft bilden sich aus dem Polymerstrahl
wegen seiner Biegestabilität Fasern mit einer Dicke von
weniger als 500 Nanometern. Sie scheiden sich auf Substraten
wie Glas oder Folie als unstrukturiertes, weitmaschiges
Netz ab. „Das Neuartige an unserem Ansatz liegt in
den Ausgangsmaterialien, die wir verwenden. Wir verarbeiten
Polymere, Komposite, aber auch Solen, die anschließend
kalziniert werden. Je nach Ausgangsmaterial ist es möglich,
sowohl intrinsisch leitfähige Fasern herzustellen, als auch
solche, die in einem weiteren Schritt über Photochemische
Metallisierung elektrisch leitfähig werden“, so de Oliveira.
Im Gegensatz zu Strukturierungsverfahren über Stempel
oder Druckverfahren ermögliche das Elektrospinnen unstrukturierte
leitfähige Vliese, deren Dichte hoch genug sei,
um die elektrische Leitfähigkeit auf dem Substrat ächendeckend
zu ermöglichen. Gleichzeitig sei die Anzahl an
Faserkreuzungspunkten so gering, dass die Lichtstreuung
auf unter zwei Prozent reduziert werde. Bei einer Faserdicke
unter einem halben Mikrometer sei das Vlies für das menschliche
Auge nicht zu erkennen und erscheine transparent.
Durch den netzartigen, unsymmetrischen Charakter der
Fasern elen auch typische Beugungsphänomene weg, wie
zum Beispiel störende Regenbogeneffekte. TM
www.leibniz-inm.de
www.fcio.at
INFO-BOX
Abkehr vom Erdöl – Die Kunststoffe der Zukunft
Ein Elektroauto mit Kunststoffteilen aus Tomatenschalen fährt
mit Reifen aus Löwenzahn. Was eigentlich wie Zukunftsmusik
klingt, ist dank moderner chemischer Verfahren heute bereits
möglich. Autoreifen aus Kautschuk, Textilfasern oder Papier aus
Holz sind Produkte aus Biomasse, die bereits seit langer Zeit im
industriellen Maßstab gefertigt werden. Heute verfolgt die
biobasierte Industrie andere Ziele – weg vom Erdöl als Rohstoff.
So sollen fossile Ressourcen geschont, Umweltbelastungen reduziert
und die regionale Wertschöpfung erhöht werden, wie
sich Branchenvertreter einig zeigen.
Wie weitreichend alternative Ressourcen bereits einsetzbar
sind, zeigt etwa das Beispiel des Autos der Zukunft. So könnten
Schaumstoffe für Autositze künftig aus Soja gemacht werden,
Autoteppiche aus Verbundwerkstoffen auf Kokosnussbasis,
die Fasern der Tomatenhaut könnten als Grundsubstanz
eines biobasierten Kunststoffs für das Innenleben des Wagens
verwendet werden. Selbst die Reifen könnten aus heimischen
Rohstoffen – in Form von Löwenzahnkautschuk – produziert
werden. Produktentwicklungen aus Biomasse sind heute kaum
Grenzen gesetzt.
„Die stoffl iche Nutzung von Biomasse darf nicht als Konkurrent
zur energetischen Nutzung gesehen werden“, betonte
Sylvia Hofi nger, Geschäftsführerin des Fachverbandes der Chemischen
Industrie Österreichs und Mitveranstalterin der „Stakeholderdialog
Biobased Industry“-Konferenz bereits im
Herbst 2016. „Wenn ich zum Beispiel Textilfasern aus Holz herstelle,
macht es durchaus Sinn, wenn ich die Stoffreste, die bei
der Produktion von Kleidung anfallen, nochmals für die Fasergewinnung
verwende. Sind die Produkte irgendwann nicht
mehr recycelbar, so kann man sie zur Energiegewinnung nutzen.“
Auf diese Art und Weise könnten vorhandene Ressourcen
bestmöglich eingesetzt werden.
Dabei spielt die Digitalisierung als zentraler Produktivitätshebel
in der biobasierten Prozessindustrie eine wichtige Rolle, wie
Christoph Herwig vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik
und Prozessanalyse der Technischen Universität Wien
erklärt. „Die Generierung und Bereitstellung von Wissen ermöglicht
eine effi ziente Nutzung der neuen Möglichkeiten der
Digitalisierung. Dies führt zu neuen Geschäftsfeldern in der
intelligenten Herstellung von Bioprodukten entlang der Wertschöpfungskette
und des Lebenszyklusses.“
Bei der Photochemischen Metallisierung werden Kunststofffolien
mit einer photoaktiven Schicht aus Metalloxid-Nanopartikeln überzogen.