COACHING-ZONE
Sie sind eine Tatsache: Phantomschmerzen, nachdem
das Schlimmste längst überstanden ist. Doch die
Wirklichkeit ist oft besser als gefühlt.
Es ist vorbei.
50 NEW BUSINESS | JUNI 2017
Foto: Beigestellt • Illustration: Claudia Molitoris
N eulich besucht mich eine Klientin, die ich
schon lange kenne. Dieses Mal kommt sie
nicht ganz freiwillig. Es handelt sich um
ein sogenanntes „verordnetes Coaching“:
Ihr Chef hat sie geschickt. Ein bei Coaches sehr unbeliebtes
Szenario, weil doch die Freiwilligkeit sehr viel
mehr Gesprächsbereitschaft und Mitarbeit freisetzt.
Nun denn, die Dame ist trotzdem gekommen und
schmollt. Mehr als ein Jahr lang
war sie von ihrem verehrten Chef
an eine andere Führungskraft
„verliehen“ worden und wurde
von dieser sehr schlecht behandelt
(Selbstwahrnehmung der
Klientin). Nach heftiger Gegenwehr
gelingt es ihr, zu „ihrem“
Chef zurückkehren zu dürfen.
Und alles könnte wieder gut sein,
wenn sie es bloß schaffen könnte,
das Trauma der überwundenen
Vergangenheit loszuwerden
und in der Gegenwart anzukommen.
Nach einiger Zeit des Klagens
unterbreche ich sie und sage:
„Aber es ist doch alles vorbei –
Sie könnten doch jetzt wieder
mit Freude für Ihren früheren
und neuen Chef arbeiten!“ Nützt alles nichts. Schließlich
inszeniere ich ein Drama. Ich spiele eine Person namens
„Es ist vorbei“. Ich verlasse mein Büro, schließe die Tür
von außen und stehe im eiskalten Korridor. Läute (bei
meiner eigenen Bürotür!) an und bitte um Einlass. Und
die Klientin lässt mich nicht rein. Ich winsle, dass ich
mir da draußen noch einen Schnupfen holen werde und
ehe um Einlass. Ich verspreche, wie schön die Zeit mit
mir – dem „Es ist vorbei“ – werden wird und wie entspannt
die Arbeit und die Freizeit mit mir werden würde.
Ich öte, dass wir’s doch mal auf Probe versuchen
könnten.
Große Skepsis hinter der Tür.
„Ja, ja“, sagt sie, „das sagen alle und dann halten sie
nicht Wort. Auch Du wirst mich wieder verlassen.“
Schließlich öffnet sich (meine)
Tür einen Spalt und ich werde
gefragt: „Bleibst Du denn auch
bei mir und sagst Du mir jeden
Tag Deinen Namen – Es ist vorbei?“
Ich leiste alle Eide, hüstle
dramatisch, um die anziehende
Erkältung zu symbolisieren
und schließlich darf ich wieder
in mein (!) Büro. Dort besprechen
wir, was auf der Grundlage
dieser (neuen) Erkenntnis
nun möglich würde. Und eine
Aussicht stellt sich für die
Klientin als besonders verlockend
heraus: Sie würde nun
die Abende mit ihrem Partner
wieder entspannter verbringen
können, ohne stundenlang den
Phantomschmerz der vergangenen
Leiden zuhause abarbeiten zu müssen. Zu guter
Letzt schenke ich ihr eine kleine Jade gur, die sie auf
ihren PC stellen wird. Als Symbol für „Es ist vorbei“.
Übrigens: Auch der Schnupfen, den mir meine selbstlose
Intervention eingebracht hat, ist inzwischen Gott
sei Dank wieder vorbei.
www.drsonnberger.com
DR. HANNES SONNBERGER, DR. SONNBERGER BUSINESS COACHING
Hannes Sonnberger war viele Jahre in führenden Positionen in Werbeagenturen tätig. Seit 2005 arbeitet er als
zertifi zierter Business-Coach mit den Schwerpunkten Führung, Konfl iktmanagement, Burnout-Prophylaxe und
Teamarbeit. Aktuell erschienen: sein neues Sachbuch „Tool Box“.