KUNSTSTOFF & VERPACKUNG • INNOVATIVE INDUSTRIE
Um in gebogenen Touch-
Geräten volle Funktionalität
zu gewährleisten, bedarf es
einer gebogenen Elektronik.
JUNI 2017 | INNOVATIONS • NEW BUSINESS 05
Handys und Smartphones sind den Tragegewohnheiten
ihrer Nutzer noch nicht angepasst.
Das wird jedem klar, der versucht, sich mit
dem Handy in der Hosentasche hinzusetzen.
Die Displays der Geräte sind heute üblicherweise starr und
geben den anatomischen Formen ihrer Träger somit nicht
nach. Damit wiederum Tippen und Wischen auf gebogenen
Smartphones funktioniert, müssen auch die Touchscreens
sowie die verbauten elektrischen Schaltkreise biegsam sein.
Das INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien, ein internationales
Zentrum für Materialforschung, hat nun ein
Verfahren entwickelt, welches ebensolche Schaltkreise auf
biegsamen Folien als auch auf dehnbarem Silikon ermöglichen
soll. Das „Photochemische Metallisierung“ benannte
Verfahren präsentierten die Entwickler nun auf der Hannover
Messe 2017.
Für die verschiedenen Funktionen eines Touchscreens sind
die Ober ächen mit mikroskopisch kleinen, unsichtbaren
Leiterbahnen versehen. In den Rändern der Geräte laufen
diese mikroskopischen Bahnen zu größeren Leiterbahnen
zusammen. Bislang mussten diese unterschiedlichen Leiterbahnen
in aufwendigen Prozessen in mehreren Schritten
hergestellt werden. Durch die Photochemische Metallisierung
gelinge dies nun in einem Schritt auf biegsamem Material,
wie die Forscher betonen. Das Verfahren sei schnell, exibel,
größenvariabel, kostengünstig und zudem umweltfreundlich.
Weitere Prozessschritte für die Nachbehandlung – sonst
üblich – würden komplett entfallen.
Bei der Photochemischen Metallisierung würden Kunststofffolien
mit einer photoaktiven Schicht aus Metalloxid-
Nanopartikeln überzogen. „Anschließend bringen wir eine
farblose, UV-stabile Silberverbindung auf“, erklärt Peter
William de Oliveira, Leiter des Programmbereichs Optische
Materialien. „Durch die Belichtung dieser Schichtfolge
zersetzt sich die Silberverbindung an der photoaktiven
Schicht und die Silber-Ionen werden zu metallischem, elektrisch
leitendem Silber reduziert. Mit diesem Verfahren
lassen sich verschieden große Leiterbahnen bis zur kleinsten
Größe von einem Tausendstelmillimeter darstellen.“
PRODUKTION IM GROSSEN MASSSTAB
Mittels dieses Grundprinzips könnten die Leiterbahnen
sehr individuell aufgebracht werden. „Es gibt verschiedene
Möglichkeiten, die wir je nach Anforderung nutzen können:
Das ‚Schreiben von Leiterbahnen‘ mittels UV-Laser eignet
sich besonders gut für die erste, maßgeschneiderte Anfertigung
und das Austesten eines neuen Leiterbahn-Designs.
Für die Massenproduktion ist diese Methode jedoch zu
zeitaufwendig“, erläutert der Physiker.
Zurzeit arbeiten die Forscher daher intensiv an einer weiteren
Methode, konkreter, der Nutzung durchsichtiger Stempel.
„Diese Stempel verdrängen die Silberverbindung mechanisch;
Leiterbahnen entstehen dann nur dort, wo noch
Silberverbindung vorhanden ist“, erläutert de Oliveira. Da
die Stempel aus einem weichen Kunststoff bestehen würden,
könnten sie auf einer Rolle angeordnet werden. Da die Bahnen
durchsichtig sind, arbeiten die Forscher am INM nun
daran, die UV-Quelle direkt in die Rolle einzubetten. „Somit
wären die ersten Schritte für ein Rolle-zu-Rolle-Verfahren
getan.“ Damit ließen sich Leiterbahnstrukturen unterschiedlicher
Größe auf Folien im Großmaßstab herstellen.
Auch an exiblen und transparenten Elektroden arbeitet
das INM. Diese sind die Grundlage für sogenannte Printed
Electronics. Für die Entwicklung nutzt das INM dabei das
Verfahren des sogenannten Elektrospinnens. Dabei werden
Materialien in feinste Fasern versponnen, die hundertmal