COACHING-ZONE
Lieber heute nicht(s) entscheiden,
morgen ist sowieso alles anders.
Oder: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.
Die Entscheidungs-Prokrastination.
50 NEW BUSINESS | APRIL 2018
Foto: Beigestellt • Illustration: Claudia Molitoris
E s gibt in Zeiten wie diesen unendlich viele
Gründe, mit dem Treffen von Entscheidungen
zu hadern. Und ganz viele dieser Gründe
sind sogar real und nachvollziehbar.
Unsere Welt ist im doppelten Wortsinn unheimlich
komplex geworden und das Finden eines passenden
Wegs im Dickicht der Faktoren anstrengend und kompliziert.
Der frühere Bundeskanzler Sinowatz hat in den
80ern des vorigen Jahrhunderts
gemeint, alles wäre sehr
kompliziert, und ist dafür
fürchterlich verlacht worden
– dabei hatte der kluge Mann
schon damals einfach recht.
Und heute plagen wir uns mit
den „Segnungen“ der Globalisierung,
deren schlimmster
Kollateralschaden einfach darin
besteht, dass sich die
Dummheit nun eben global
verbreitet hat. Zur Globalisierung
gesellen sich deren Geschwister
Digitalisierung und
Automatisierung und deren
hässliche Cousine: die Angst.
Die Angst, die ihr Unwesen
auf einem der sensibelsten
Felder treibt, wo schon Stillstand und Agonie warten:
dem Feld der Entscheidungen. Richtig oder falsch, zeitgerecht
oder zu früh/zu spät, passend zu den Betroffenen/
den Umständen/dem Markt, nanziell verkraftbar/
lukrativ oder ruinös.
Die angezogene Handbremse der Angst macht uns in
jeder Hinsicht unbeweglich. In einer Form, dass sich
diese Unbeweglichkeit bis zur Starrheit auswachsen
kann. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung könnte uns
trösten, denn die Chance, eine richtige oder falsche
Entscheidung zu treffen, liegt nun einmal bei jeweils
50 Prozent. Die Gefahr, durch das Nicht-Treffen von
Entscheidungen oder das chronisch verspätete Entscheiden
einen Großteil der Beteiligten in die Verzwei
ung und das Chaos zu treiben, darf jedoch gesichert
mit 100 Prozent angenommen werden. Die Effekte
dieser Entscheidungs-Prokrastination
sind desaströs:
Verwirrung, Orientierungslosigkeit,
Verlust von Produktivität,
Motivation und
Messbarkeit, Verschwinden
von Zielkoordinaten und
– ganz schlimm – galoppierende
Erosion von Leadership.
Was tun? Die einfachste
und für manche zugleich
schwierigste Lösung besteht
in der Herstellung eines
Referenzrahmens, dessen
Maße essenziell durch ein
Ziel de niert werden. Ein
Erreichungs-Ziel. Das Entscheiden
funktioniert dann
wie bei der Herstellung von
Keksen: Der Referenzrahmen ist die Keksform, mit
der ich aus dem Teig der Faktoren meinen Teil aussteche.
Was drin ist, ist drin. Was nicht drin ist, nicht. Am
Ende braucht es nur noch zwei hilfreiche Werkzeuge:
ein bisschen Mut und die Anerkennung des Kalenderspruchs:
„Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst,
die niemand kann.“
www.drsonnberger.com
DR. HANNES SONNBERGER, DR. SONNBERGER BUSINESS COACHING
Hannes Sonnberger war viele Jahre in führenden Positionen in Werbeagenturen tätig. Seit 2005 arbeitet er als
zertifi zierter Business-Coach mit den Schwerpunkten Führung, Konfl iktmanagement, Burnout-Prophylaxe und
Teamarbeit. Aktuell erschienen: sein neues Sachbuch „Tool Box“.