COACHING-ZONE
Das Diktat verrechenbarer Stunden. Oder: Wie man
Engagement und freie Suche nach Ideen und Lösungen
kaputtadministrieren kann.
Billability ist kein Regal.
74 NEW BUSINESS | MÄRZ 2018
Foto: Beigestellt • Illustration: Claudia Molitoris
W as haben wir nicht im Projektmanagement
und dem Controlling für wunderbare Tools!
Das Excel-Sheet ist ja schon beinahe Steinzeit
und „oldschool“ verglichen mit den
Segnungen großartiger Algorithmen, die jeden Tastendruck
am Rechner, jeden Klick und jede andere physische
und mentale Bewegung in Pro tabilitäts-Quotienten
umrechnen.
Und dann hätten wir noch den
absoluten erotischen Höhepunkt
jedes Zahlenakrobaten:
die sogenannte „Billability“.
Klingt ziemlich prickelnd, hat
aber nichts mit IKEA-Regalen
oder Sängerinnen aus den
Rocky Mountains zu tun. Es
sind die dem Auftraggeber
verrechenbaren Stunden, die
gemeint sind. Und für die
wollen wir jeden Tag frohgemut
aufstehen, uns in die olfaktorisch
bedenklichen Verkehrsmittel
zwängen, unsere
Rechner hochfahren und all
unser Schaffen danach ausrichten.
Denn mindestens ein
Mal im Monat müssen wir
Rechenschaft ablegen: Ob wir
ein Meeting just in time zu Ende gebracht haben, ob
wir den persönlichen Kontakt auf das Nötigste reduziert
haben (denn: der Prozessoptimierer hat uns doch vorgerechnet,
dass uns die Wege zum/im/vom Aufzug
täglich eine halbe Stunde nicht verrechenbarer Zeit
kosten), ob wir eh brav nur zuhause aufs Klo gehen und
vor allem unsere Stundenaufzeichnungen korrekt ausfüllen.
Das führt dann zu durchaus unabsichtlichen
Heiterkeiten: Nach friedlich gelungener Scheidung von
meiner Ex-Frau habe ich meinem damaligen Anwalt
per Mail frohe Weihnachten gewünscht und seine dankende
Antwort hat er mir mit einer Viertelstunde in die
Schlussrechnung eingetragen. Ja. Eh.
Jetzt kommt doch angeblich bald der Frühling. Wäre
das nicht ein guter Anlass,
unsere zur reinen Funktionalität
verkommenen Handlungen
zu überprüfen? Ob sie den
inhaltlichen Zweck noch erfüllen.
Ob sie uns noch einen
Hauch von Sinn vermitteln.
Ob wir gar beim Tun und
beim Abschließen so etwas
Eigenartiges wie Glück emp-
nden. Wie wäre es, wenn wir
zumindest an jedem zweiten
Arbeitstag 1 (eine!) Stunde
investierten, um in dieser
1(einen!) Stunde das zu tun,
was uns wichtig ist – was uns
also unserem persönlichen
Ziel ein Stückchen näher
bringt. Der alte Eisenhower
hätt’ eine Freud: „Wichtig
schlägt dringend“, hat er gesagt
und dadurch acht anstrengende Jahre im Weißen
Haus überlebt. Es könnte ja irrtümlich passieren, dass
wir durch derart seltsame Mechanismen auf Ideen kommen,
die neu sind und für die wir eine gute Rechnung
schreiben dürfen.
Na gut, so was zu denken, ist niemals billable.
www.drsonnberger.com
DR. HANNES SONNBERGER, DR. SONNBERGER BUSINESS COACHING
Hannes Sonnberger war viele Jahre in führenden Positionen in Werbeagenturen tätig. Seit 2005 arbeitet er als
zertifi zierter Business-Coach mit den Schwerpunkten Führung, Konfl iktmanagement, Burnout-Prophylaxe und
Teamarbeit. Aktuell erschienen: sein neues Sachbuch „Tool Box“.