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Künstliche Intelligenz, vor allem generative KI, liegt bei Österreichs Unternehmen derzeit hoch im Kurs, so Peter Lenz im Interview. © RNF

Interview mit Peter Lenz, Managing Director T-Systems Österreich.

Die digitale Souveränität Europas und seiner Unternehmen rückt immer mehr in den Vordergrund. Dabei ist jedoch zwischen verschiedenen Teilbereichen zu unterscheiden – mit jeweils eigenen Herausforderungen.

T-Systems Österreich ist einer der führenden heimischen Digitalisierungs- und IT-Dienstleister. Als Teil der Deutschen Telekom ist die lokale Dependance eingebettet in ein globales Netzwerk. Peter Lenz, langjähriger Vorsitzender der Geschäftsführung, kennt den Markt sehr genau – von allen Seiten. War er doch zuvor schon in unterschiedlichen Führungspositionen auf der Anwenderseite tätig, etwa bei Magna, OMV oder ÖBB. Mit NEW BUSINESS hat er sich unter anderem über den Druck auf IT-Budgets, erfolgversprechende KI-Projekte, den IT-Arbeitsmarkt und das wichtige Thema der digitalen Souveränität Europas unterhalten.

Wohin entwickelt sich die Digitalisierung bei österreichischen Industrieunternehmen? Reden wir beispielsweise von KI, von Predictive Maintenance oder immer noch von Cloud? 
Das hängt von der wirtschaftlichen Situation dieser Unternehmen ab. Nach drei Jahren Rezession in der österreichischen Wirtschaft schauen viele Unternehmen nach wie vor sehr genau auf ihre Budgets, damit auch sehr genau auf die IT-Budgets, und wollen von allem, was sie tun, möglichst rasch einen Return on Investment haben. Bei Unternehmen, denen es besser geht, ist der Mut oder auch die Fähigkeit, in IT zu investieren, größer als bei Unternehmen, die gerade vor massiven Herausforderungen stehen – wo es zum Beispiel auch um Mitarbeiterabbau oder Produktionsverlagerung geht. 

Diejenigen, die in IT-Themen investieren, kümmern sich sehr intensiv um das Thema künstliche Intelligenz. Wie kann KI meine internen Firmenprozesse, meine Vertriebsprozesse, meine Logistikprozesse, meine Produktionsprozesse verbessern? 

Pain-Point Nummer eins der Unternehmen sind also die Budgets?
Genau, die wirtschaftliche Situation und daraus folgend die Budgets. Und dann will man sehr schnell einen Return on Investment sehen. Und jeder Silberstreifen am Horizont, wie ein aufkeimender wirtschaftlicher Aufschwung, der ab nächstem Jahr kommen soll, ist natürlich auch ein positives Signal für die IT-Wirtschaft und ihre IT-Projekte, die zum Teil auch zurückgestellt worden sind.

 

"Nach drei Jahren Rezession in der österreichischen Wirtschaft schauen viele Unternehmen nach wie vor sehr genau auf ihre Budgets, damit auch sehr genau auf die IT-Budgets." 

Peter Lenz, Managing Director T-Systems Österreich

 

Sie haben KI erwähnt. Reden wir da von generativer KI, dem Hype der Stunde, oder reden wir da von Machine-Learning? Oder ist es alles davon?
Es ist beides, aber das Hauptaugenmerk liegt definitiv auf generativer KI.

Sind das Projekte, die einen raschen Return on Investment versprechen, oder ist das zu sehr vereinfacht?
Das kann man nicht über den Kamm scheren. Man braucht schon eine gute Business-Case-Betrachtung, aber gleichzeitig ist es auch schwierig zu berechnen. Stichwort: Zeitersparnis bei den Mitarbeitenden. Wie übersetze ich das in Kosteneinsparung? Geht es einher mit Mitarbeiterabbau oder dem Freisetzen von Ressourcen, um sich auf neue, andere, wertschöpfendere Tätigkeiten zu konzentrieren? Das muss man in dieser Situation richtig bewerten.

Gibt es bestimmte Bereiche in Unternehmen, bestimmte Prozesse, bei denen leichter ein schnellerer Return on Investment erzielt werden kann? Also "No-Brainer", in die man auf jeden Fall investieren kann?
Ich kann mit Beispielen aus unserem Unternehmen antworten. Auch wir automatisieren intensiv intern, haben 40 Use-Cases, die wir betrachten. Und da geht es nicht um Mitarbeiterabbau, sondern um das Befreien von Routinetätigkeiten. Zum Beispiel Medienbrüche in Systemketten, die wir damit schlichtweg eliminieren.

Das heißt, es geht hauptsächlich um Office-Arbeit, Office-Prozesse?
Office-Arbeit, Office-Prozesse, Finanzprozesse, HR-Prozesse. Das ist natürlich eher Robotic Process Automation, und ich würde nicht in jedem Aspekt von KI sprechen, um fair zu sein. Aber da liegt auch noch viel auf der Straße. Ein paar Stunden Zeitersparnis hier, ein paar Stunden da bringen A Quality-Time zu Mitarbeitenden und B helfen uns auch, gewisse Dinge schlichtweg von der Agenda zu bekommen.

Noch dazu in Zeiten wie heute, wo es vielleicht schwer ist, Mitarbeitende zu finden, und die Auftragslage sehr hoch ist. Da ist man natürlich dankbar für die Effizienzsteigerung, mit der man seine Kunden dann besser servicieren kann.
Genau. Wobei ich sagen muss, dass sich der Mitarbeitermangel in der IT-Industrie im österreichischen Markt in den letzten eineinhalb Jahren wesentlich entspannt hat. Auch weil andere große Unternehmen zum Teil einige Hundertschaften von Mitarbeitenden freigesetzt haben.

Laut Peter Lenz hat sich die Lage in der österreichischen IT-Industrie im Hinblick auf den Mitarbeitermangel in den letzten eineinhalb Jahren wesentlich entspannt. ©RNF

 

Das ist ein interessanter Punkt. Wie man hört, soll ein IT-Studium heute nicht mehr die "sichere Bank" sein, wie es das einmal war.
Das ist in den letzten zwei, drei Jahren unter Druck gekommen. Mit den Effekten, dass es wieder leichter geworden ist, Talente zu finden. Wir finden sie auch, und wir können jede Stelle besetzen. Das war vor zwei, drei Jahren noch ganz anders. 

Ein kleiner Themenwechsel: Wir wissen alle, die geopolitische Lage hat sich verändert. Die Bedeutung der digitalen Unabhängigkeit Europas ist im Bewusstsein stärker verankert. Wie sind die Stimmung und die Awareness Ihrer Kunden in dem Zusammenhang?
Die neuen Freundschaften und Partnerschaften, die am Entstehen sind, machen große und auch mittelständische Unternehmen nachdenklich. Was bedeutet das für mich? Was bedeutet das für meine Zukunft? Was bedeutet das für die Sicherheit und die Souveränität meiner Systeme? Seit Beginn des Jahres bekommen wir viele Anfragen dazu. Da ist hohes Interesse im Markt entstanden. Es ist aber wichtig zu unterscheiden zwischen der Datensouveränität, zwischen der operativen Souveränität und der technologischen Souveränität. 

Wo liegen die Unterschiede?
Datensouveränität ist klar. Wo liegen meine Daten? Unter welcher Gerichtsbarkeit liegen meine Daten? Und wo, in letzter Konsequenz, werden sie abgespeichert? Bei der operativen Souveränität: Wer sind die Menschen, die mit diesen Daten arbeiten oder diese Daten operativ auf den Systemen bereitstellen? Wo sind sie? Wer kann in das Data-Center? Immer noch eine interessante Frage. Und dann haben wir zuletzt die technologische Souveränität. Da wird es schon ein Stück schwieriger, weil wir in Europa leider aufgehört haben, Technologie in diesen Bereichen zu produzieren. Es gibt kaum mehr europäische Tech-Unternehmen, die auch Hardware produzieren. Wir sind abhängig von beispielsweise amerikanischen und chinesischen Herstellern. Deswegen gilt es, diese Hardware entsprechend so einzusetzen und abzuschotten, Stichwort Backdoors, dass sie sicher ist. 

Als T-Systems, als Teil der Deutschen Telekom, bieten wir alle drei dieser Ausprägungen an. Und für alle drei gibt es großes Interesse. Ich habe allerdings auch erlebt, dass selbst große Unternehmen sagen, es ist ihnen völlig "wurscht", und nach wie vor den amerikanischen Hyperscalern vertrauen. 

Die Hyperscaler setzen zunehmend auf dieses Thema und starten eigene Cloud-Regionen, auch in Österreich. Natürlich gelten in Europa auch europäische Gesetze. Die Unternehmen bleiben trotzdem an die Gesetzgebung ihrer Herkunftsländer gebunden. Inwiefern kann das dann überhaupt den europäischen Souveränitätsansprüchen genügen?
Das ist mit dem einzelnen Partner individuell zu betrachten. Das sind alles von der Technologie Top-Unternehmen, die auch tolle Lösungen bauen, produzieren und auch anbieten. Aber ein Restrisiko bleibt. Die Frage, wenn ich das Restrisiko ausschließen möchte, ist: Wende ich mich nicht doch lieber einem europäischen Cloud-Anbieter zu, der Datensouveränität, operative Souveränität und technologische Souveränität sicherstellen kann? Und da ist die Deutsche Telekom glaubhaft positioniert. Wir können das schlichtweg garantieren und sicherstellen. 

 

"Es ist aber wichtig zu unterscheiden zwischen der Datensouveränität, zwischen der operativen Souveränität und der technologischen Souveränität." 

Peter Lenz, Managing Director T-Systems Österreich

 

Was kann oder muss man als Unternehmen tun, um auf der sicheren Seite zu sein, um digital souverän zu sein? Geht das überhaupt, und ist das erstrebenswert? Es widerspricht ja ein bisschen dem Globalisierungsgedanken, der eigentlich unser alter Freund ist.
Mir persönlich tut es ein Stück weit leid, dass wir uns diese Fragen überhaupt stellen müssen. Es wurden mit sehr viel Invest tolle Lösungen gebaut, die weltweit funktioniert haben, und plötzlich soll all das, was man sich da in der IT-Industrie ausgedacht hat, in der Form nicht mehr funktionieren. Umso wichtiger ist, dass es noch einige Player gibt, die rein europäischer Natur sind und auch Lösungen anbieten. Ich glaube, ein Assessment der aktuellen Landschaft, der Risikoprofile der einzelnen Lösungen ist unerlässlich. Dann sollte man sich ein Optionen-Bouquet aufspannen. Was kann ich tun, mit welchem Risikoprofil gehe ich bei welcher Applikation ins Rennen? Möchte ich als Organisation gezielt auf alternative Dienstleister, die mir mein Level an Souveränität bieten können, verlagern?

Zum Abschluss noch eine Frage: Die EU hat die strategische Bedeutung von KI erkannt und ein AI-Gigafactory-Programm ins Leben gerufen, an dem auch die Deutsche Telekom beteiligt ist. Worum geht es da?
Die Europäische Union plant intensiv in Europa, auch in Österreich, große AI-Rechenzentren zu bauen. Und in der Sache ist die Deutsche Telekom wieder ganz vorn dabei. Es gibt das Commitment der Deutschen Telekom, in München eine AI-Gigafactory für den europäischen Markt zu bauen. Da werden viele Hundert Millionen Euro investiert. Was mich an diesem Vorhaben so fasziniert, ist, dass das bereits im ersten Quartal 2026 live gehen soll. Wir sprechen von Compute-Leistungen, die in Deutschland die AI-Computing-Capacity um 50 Prozent erhöhen werden. Also da wird mal richtig geklotzt.

Und nicht gekleckert.
Und nicht gekleckert. Mit dem Standort München ist das natürlich auch für österreichische Kunden sehr spannend, die diese AI-Gigafactory mit ihren Workloads beladen und dort AI-Compute-Power nutzen können.

Das ist also quasi ein eigener vierter Souveränitätspunkt, die KI-Souveränität. Ist das tatsächlich ein Thema?
Die KI-Souveränität ist ein Riesenthema, und deswegen gibt es eben auch die EU-Bemühungen, ganz intensiv in diesen Bereich zu investieren. Da werden in den nächsten Jahren viele Milliarden dafür ausgegeben werden, und, wie gesagt, die Deutsche Telekom und T-Systems sind vorn mit dabei. (RNF)

www.t-systems.at