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Trendumkehr in Österreich

NEW BUSINESS - NR. 7, SEPTEMBER 2017
Österreich wechselt allmählich auf die wirtschafliche Überholspur. © FOTOLIA/zeber

Erstmals seit Jahren zeichnet sich für den Wirtschaftsstandort Österreich ein Ende des Abwärtstrends ab ...

... Vor allem in den Themen Digitalisierung, smartes Regieren und Vielfalt sehen Experten nun große Chancen für eine nachhaltig positive Entwicklung. Nur, sehen Unternehmer dies auch so?

Österreich hat in den letzten zehn Jahren kontinuierlich an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber aufstrebenden Volkswirtschaften eingebüßt. Vor 2008 zählte der Standort noch zu den erfolgreichsten Wirtschaftsnationen der Welt. Seit mehreren Jahren liegt das Land in den relevanten Rankings nur mehr auf Plätzen zwischen 18 und 24 und hat sich unter den Industrienationen somit im Mittelfeld festgesetzt. Das führt unter den Wirtschafts­treibenden in Österreich zu angeregten Diskussionen und zahlreichen Forderungen. Seit Mitte des vergangenen Jahres zeichnet sich laut Experten endlich ein Ende des bisherigen Abwärtstrends ab. Nicht zuletzt aufgrund einer dynamisierten Weltwirtschaft verbessern sich die makroökonomischen Kennzahlen und die Zuversicht vieler Unternehmer steigt wieder. Das drückt sich auch in internationalen Rankings aus, die eine positive Entwicklung zeigen. In seiner aktuellen Analyse ortet das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte ein Momentum für eine Trendumkehr und stellt Konzepte zur nachhaltigen Verbesserung vor. NEW BUSINESS hat mit führenden Persönlichkeiten aus der Wirtschaft über die vorliegenden Ergebnisse gesprochen.

Standort Österreich mit positiver Tendenz 
Bereits seit vier Jahren führt Deloitte eine Bewertung internationaler Standortfaktoren durch, um den Wettbewerb zu analysieren. Die Bewertung beruht auf internationalen Indizes, fachspezifischen Studien und der eigenen Expertise aus der Beratungspraxis.  Im Gesamt­ranking hat sich Österreich demnach im Jahresvergleich leicht verbessert. Beim politischen und makroökonomischen Umfeld gibt es mit drei von fünf Punkten eine Steigerung um einen Punkt. Die Konjunktur zieht an, die Investitionen der Unternehmen nehmen wieder zu und zahlreiche Konzepte zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit liegen auf dem Tisch, so die Grundaussagen. „Der Standort verzeichnet erstmals seit Jahren eine erfreuliche Entwicklung. Es kann nun entweder ein wenig besser oder sogar viel besser werden, wenn wir das vorhandene Potenzial heben“, fasst Bernhard Gröhs, Managing Partner von Deloitte Österreich, die Ergebnisse des Deloitte Radars 2017 zusammen. „Jetzt heißt es dranbleiben und dieses Momentum nutzen. Österreich braucht eine klare Vision: Top 3 in Europa und Top 10 weltweit bis 2025 – das ist machbar und dort gehören wir hin.“

Ohne Entlastung bei Lohnnebenkosten kein Optimismus bei Unternehmern
„Die Vision, Top 3 in Europa zu werden, ist gut, allein mir fehlt der Glaube“, bremst AT&S-CEO Andreas Gerstenmayer den Optimus. Vor allem im massiven Reformstau sieht er einen nicht enden wollenden Kampf, der dem hochgesteckten Ziel im Weg stehen könnte. „Bildung, Forschung, Wertschöpfung – dieses Dreieck benötigt eine Stärkung. Der Ausbau der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Österreichs unter Nutzung der Möglichkeiten des europäischen Wirtschaftsraums ist ebenso ein Thema, das dringend angegangen werden muss. Damit einhergehend ist es höchste Zeit für eine Senkung der Lohn- und Lohnnebenkosten sowie Flexibilisierung der Arbeitszeiten“, ist Gerstenmayer überzeugt. Mit dieser Meinung steht er nicht alleine da. „Aus Sicht eines Unternehmers sehe ich diese positive Entwicklung heute nicht, da gerade im Bereich der Lohnnebenkosten die Unternehmen stark belastet werden“, findet auch Erich Steinreiber, CEO von ISS Österreich. Eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten wäre für ihn eine positive Veränderung, um Innovationen zu fördern, bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue Stellen zu schaffen. Axel Kühner, Vorstandsvorsitzender der Greiner-Gruppe, begrüßt wiederum die ambitionierten Ziele ausdrücklich und spürt auch eine deutliche Belebung im Konsum sowie ganz speziell in der Baukonjunktur. „Ein stabiler Aufschwung braucht aber dringend die Rückführung von Schulden und strukturelle Änderungen in der Verwaltung und in den Sozialkassen“, relativiert er. „Viel wird von den Wahlergebnissen am 15. Oktober abhängen. Nur wenn wir eine Regierung bekommen, die einen Aufbruch nicht nur will, sondern auch umsetzen kann, haben wir darauf eine realistische Chance.“ Dem stimmt Borealis-CEO Mark Garrett zu und fordert wichtige Reformen, damit die Wirtschaft ihre Innovationskraft nicht verliert: „Insbesondere eine Senkung von Steuern und Abgaben wäre dringend erforderlich, damit der Wirtschaftsstandort Österreich wettbewerbsfähig bleibt und als Arbeitsplatz für dringend benötigte internationale Spitzenkräfte wieder attraktiver wird.“ Sehr optimistisch sieht Armin Rau, Geschäftsführer von Trumpf Maschinen Austria, vor allem die Chancen für den Standort Oberösterreich: „Vor dem Hintergrund vieler namhafter Unternehmen mit eigenen Forschungsabteilungen sowie den wirtschaftpolitischen Maßnahmen der Landesregierung in Oberösterreich im Bereich der Digitalisierung sehe ich sehr gute Chancen, dass Oberösterreich in der Zukunft zu den Top-Regionen in der EU zählen wird.“ Dafür seien allerdings noch große Anstrengungen notwendig, räumt Rau realistisch ein.
Auch die Deloitte-Studie sieht eine Hürde im regulatorischen Umfeld, welches von den befragten Experten mit zwei von fünf Punkten gleich ernüchternd wie im letzten Jahr bewertet wurde. Zu viele Auflagen und Regulierungen würden die Unternehmen behindern, so der Radar 2017. Auch beim Bereich Kosten gebe es trotz erster guter Ansätze noch viel Handlungsbedarf. „Das Ziel der kommenden Jahre muss eine kontinuierliche Senkung der Steuer-und Abgabenquote sowie eine vernünftige Regulierung sein. Es braucht keinen starken, sondern einen smarten Staat – Vereinfachung ist das Zauberwort“, pflichtet Gröhs den Unternehmern bei.

Steigende Investitionen als Vertrauensbeweis in den Standort
Durch die anhaltend niedrigen Finanzierungskosten und die weltweit anziehende Konjunktur wird laut Studie in ganz Europa mit steigenden Investitionen gerechnet. In Österreich sind die Investitionen bereits moderat gewachsen (+3,7 Prozent 2016), in den kommenden beiden Jahren werden aber noch höhere Zuwächse prognostiziert. Dies wurde auch bei den von NEW BUSINESS befragten Unternehmen deutlich sichtbar: „Wir haben in Österreich im letzten Geschäftsjahr deutlich investiert – knapp 17 Mio. Euro, davon 7 Mio. Euro schwerpunktmäßig in eine neue Technologie am Standort Leoben. In den letzten drei Jahren waren es circa 60 Millionen Euro an Investitionen alleine in Österreich“, erklärt AT&S-Chef Gerstenmayer.  Der Global Player im Bereich Hightech-Elektronik gibt außerdem an, sich neu positionieren zu wollen – vom High-End-Leiterplattenhersteller zu einem High-End-Verbindungslösungsanbieter. „Investitionen in neue Technologien sind wesentlich für die Neupositionierung und zugleich Schlüsselfaktor für den Unternehmenserfolg sowie für das profitable Wachstum von AT&S“, so Gerstenmayer.
Mark Garrett, Borealis-CEO und Vorstandsvorsitzender, möchte durch Investitionen einen Mehrwert für sein Unternehmen schaffen: „Wir investieren regelmäßig in Sicherheit und Zuverlässigkeit und haben es uns zur Aufgabe gemacht, unseren bereits sehr hohen ‚State-of-the-art‘ zu erhalten. Ein Beispiel hierfür ist der Turn­around in der Raffinerie Schwechat, den wir vor Kurzem erfolgreich abgeschlossen haben. Dabei lag 2017 der Schwerpunkt auf der Revision der petrochemischen Anlagen, die zur Produktion von Basisprodukten für Kunststoffe dienen.“ Die Greiner-Gruppe plant 2017 sogar die höchsten Investitionen der Firmengeschichte. Und eine 30-Millionen-Investition in die Erweiterung des Entwicklungs- und Fertigungsstandortes in Pasching im Jahr 2014 war wiederum für Trumpf Österreich ein großes Zeichen des Vertrauens in den heimischen Wirtschaftsstandort, erklärt Armin Rau. „Im Moment investieren wir mehr in Maschinen und Anlagen, sind aber auch schon in der Planung für die nächste Erweiterung.“

Vielfalt als Chance für den Arbeitsmarkt 
Verbesserungspotenzial gibt es laut Deloitte Radar 2017 am österreichischen Arbeitsmarkt. Vor allem bei Flexibilität und Ausschöpfung des vorhandenen Erwerbspotenzials sehen Experten Aufholbedarf. Ältere Arbeitnehmer, Menschen mit Behinderung, Migranten und vor allem Frauen haben es nachweislich schwerer, Zugang zum Arbeitsmarkt zu finden. Diese strukturelle Ungleichheit ist ein großer Nachteil, wenn Österreich einen Spitzenplatz in Europa anstrebt. Gerade zur Gleichberechtigung von Frauen sind mutige Maßnahmen notwendig. Ein erster Schritt sind die verpflichtenden Einkommenstransparenzberichte für Unternehmen ab 150 Mitarbeitern. Gundi Wentner, Partnerin bei Deloitte Österreich, fordert aber mehr: „Wir müssen der Einkommenstransparenzpflicht endlich Zähne geben, indem wir ungleiche Bezahlung sanktionieren. Nur mit ambitionierten Zielen können wir echte Chancengleichheit schaffen und mehr Vielfalt in den Unternehmen sicherstellen.“

Personalmaßnahmen aus der Wirtschaft
Viele Unternehmer geben an, hier bereits aktiv geworden zu sein. ISS-Chef Steinreiber etwa sieht das aktuelle Thema Migration als Teil seines Geschäftsmodells: „Wir beschäftigen in unserem Unternehmen speziell im gewerblichen Bereich MitarbeiterInnen aus über 90 verschiedenen Nationen und legen besonderen Wert auf Integration, Kommunikation und Team-Building.“ Vor allem die Investition in die Qualität und Qualifikationen seiner Führungskräfte sieht er als wichtiges Tool. „Natürlich ist auch bei uns der Kampf um die besten Talente (‚war of talents‘) ein Schwerpunkt unserer strategischen Personalentwicklung. Wir haben vor Jahren schon ein Programm ins Leben gerufen, bei dem wir bestens ausgebildete MitarbeiterInnen im Rahmen eines 18-monatigen Traineeprogramms in Österreich und im Konzernverbund qualifizieren, um sie für künftige Führungsaufgaben gut vorzubereiten.“
Auch Trumpf Österreich bildet als staatlich ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb einen Großteil des gewerblichen Personals und der industriellen Facharbeiter selbst aus. Dabei werden, laut GF Rau, auch verkürzte, spezielle Ausbildungen für psychisch oder kognitiv eingeschränkte Personen angeboten. Die enge Zusammenarbeit mit den Fachhochschulen und Universitäten bilde für Trumpf ebenfalls eine sehr gute Quelle der Personalrekrutierung. Dabei sei es auch wichtig, sich als attraktiver Arbeitgeber zu platzieren. „Unsere Technologieführerschaft und Innovationskraft, verbunden mit attraktiven, sozialen Leistungen, eigener Küche und einem firmeneigenen Fitnesscenter für die Mitarbeiter unterstreichen dies“, so Rau.
Borealis wurde 2016 von Trend, Kununu, Xing und Statista als einer der besten Arbeitgeber in Österreich ausgezeichnet. Der Linzer Kunststoffhersteller will vor allem mit Diversität und Wertschätzung einen Beitrag leisten und erklärt auch gleich die Vorteile: „Teams mit Diversität sind kreativer, einfallsreicher und schaffen breitere Perspektiven und Blickwinkel, die in besseren Ergebnissen resultieren“, so Mark Garrett.
In Sachen Arbeitszeitflexibilität zeigt AT&S vor, wie es geht: Der Leobner Technologiebetrieb bietet seinen Mitarbeitern eine Reihe von verschiedenen Modellen der flexiblen Arbeitszeitgestaltung, darunter 111 Teilzeitmodelle für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Wir sind auch das erste Unternehmen das bereits im Jahr 1999 auf gegenseitigen Wunsch Nachtschicht für Frauen in Österreich eingeführt hat“, erklärt Gerstenmayer. „Zudem setzen wir uns für die Förderung von Arbeitsplätzen für ältere bzw. erfahrene Arbeitskräfte ein – mit der Möglichkeit der Altersteilzeit sowie des mobilen Arbeitens von zuhause. Aber wir fördern auch unsere jungen Arbeitnehmer, u. a. durch die Möglichkeit, internationale Traineeprogramme an unseren weltweiten Standorten zu absolvieren.“
Eine flexible Arbeitszeitregelung steht auch auf der Wunschliste von Armin Rau: „Das würde den Standort noch attraktiver machen und würde den Mitarbeitern mehr Flexibilität, vor allem im Bereich mobiles Arbeiten ermöglichen.“

Digitalisierung und Innovation als Hebel für ­Aufschwung
Bei Innovation und Digitalisierung hat Österreich im EU-Vergleich noch Verbesserungspotenzial – hier muss zukünftig laut Deloitte ein klarer Fokus gelegt werden. Der Standortfaktor Digitalisierung, Innovation, Forschung und Technologie wird wie im Vorjahr zwar mit vier von fünf Punkten bewertet, es gebe aber Luft nach oben. Die am schnellsten wachsenden Innovatoren sind laut Innovation Index Lettland, Malta, Litauen und die Niederlande, führend sind noch immer die skandinavischen Länder. „Österreich muss zu einem echten Innovation Leader in Europa werden“, erklärt Barbara Edelmann, Partnerin bei Deloitte Österreich. „Die digitale Fitness muss bei Investitionen in die Zukunft ganz oben stehen. Außerdem braucht es mehr Transparenz im Förderwesen, mehr Risikokapital für Unternehmen und mehr Förderung der digitalen Kompetenzen in der Bevölkerung.“ Dies sieht auch Greiner-Chef Axel Kühner ähnlich: „Wir brauchen eine klare Digital-Agenda mit den entsprechenden finanziellen Mitteln dafür. Es wäre gut, wenn wir die vielen Initiativen, die es bisher gibt, bündeln und nicht wieder versuchen, in jedem Bundesland alles mehrfach zu machen. Lieber nur einmal, dafür aber gescheit“, so sein Vorschlag.
AT&S-CEO Gerstenmayer sieht das Thema Digitalisierung eng verknüpft mit dem für sein Unternehmen so wichtigen Bereich der Mikroelektronik und wittert hier einen erheblichen Standortnachteil: „Die europäische Industrie ist beim Thema Mikroelektronik im internationalen Vergleich ins Hintertreffen geraten. Fast die gesamte Elektronik-Supplychain befindet sich in Asien. Wesentliche neue Entwicklungen kommen aus den USA, Stichwort Silicon Valley, aber wenige Impulse aus Europa. Obwohl wir gerade auch in diesem Bereich in Österreich einige führende Unternehmen – wie u. a. Infineon, NXP, AT&S –  haben.“ Daher müsse Österreich alles daran setzen, dieses Zukunftsthema auch vor Ort an wesentlicher Stelle zu besetzen: „Sonst wird der Digitalisierungszug ohne uns abfahren und wir sind à la longue nur mehr Trittbrettfahrer.“ Um das für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Österreich wichtige Thema Mikroelektronik an wesentlicher Stelle zu besetzen und am globalen Markt zu bestehen, müsse der Standort seine Kräfte bündeln, meint Gerstenmayer:  „Daher begrüßen wir Initiativen der Regierung wie ‚Silicon Alps‘ oder kürzlich ‚Silicon Austria‘ sehr, da sie wichtige Impulse für die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit, Steigerung der Attraktivität des Standorts, insbesondere für nationale und internationale Talente, sowie Stärkung der Universitäten und Forschungseinrichtungen liefern.“
Armin Rau spricht aber ein Lob für die neuen steuerlichen Regelungen für F&E und die FFG-Förderungen für innovative Projekte aus: „Das ist eine gute Basis – so konnten wir im vergangenen Jahr 50 neue Mitarbeiter einstellen und investieren als Unternehmen mit einer F&E-Quote von über 10 Prozent in unsere Zukunft.“

Konkrete Wünsche aus Wirschaft und Industrie
Ein großes Lob gibt es für den Standort Österreich in Sachen Standortsicherheit sowie Forschung & Entwicklung von allen Seiten. Laut Andreas Gerstenmayer positioniert sich hier allen voran das Bundesland Steiermark mit einer F&E-Quote von 4,9 Prozent als Innovationsbundesland Nummer 1. In der einzigartigen, europaweit herzeigbaren akademischen Bildungslandschaft und den hervorragenden Wissenschaftseinrichtungen – wie etwa Montanuniversität Leoben, TU Graz, TU Wien etc. – sieht er einen weiteren großen Standortvorteil. Jedoch steht ein stärkerer Fokus auf den MINT-Fächern an den Schulen auf seiner Wunschliste. Auch Armin Rau und Axel Kühner sehen in den gut ausgebildeten Fachkräften mit hoher technologischer Kompetenz eine Stärke Österreichs. ISS-Chef Steinreiber und AT&S-Chef Gerstenmayer wiederum kritisieren den Fachkräfte- und Expertenmangel und sehen hier Nachholbedarf. Die wirtschaftspolitischen Hürden – wie wettbewerbsfähige Lohnkosten, Arbeitszeitgesetze und -modelle, Reformstau, sei es bei Pensionen oder auch beim Abbau von Bürokratie und Kosten für die Verwaltung – sind den meisten nach wie vor ein Dorn im Auge. Kühner ergänzt: „Der Staat mischt sich zu sehr ein und es fehlt uns eine echte ‚Unternehmerkultur‘, die auch das Scheitern als Chance sieht und bei der der Erfolg des anderen nicht Neid, sondern Bewunderung auslöst.“
Ganz konkret spricht Gerstenmayer noch die spannende, exportorientierte Unternehmenslandschaft und die spezifischen Stärkefelder und Cluster (Mikroelektronik-Cluster,  Automobil-Cluster, Humantechnologie und Kreativwirtschaft) an. Im Gegensatz dazu sieht er die heimische Kapitalmarktsituation kritisch. Vor allem die mangelnde Attraktivität des Börseplatzes Wien, die überbordenden Publizitätspflichten, die Rechtsunsicherheit, gepaart mit existenzbedrohenden Strafen,  sieht er als Problem.

Österreich als hervorragender Standort  
Trotz vieler Handlungsfelder mit notwendigen Verbesserungen zieht Deloittes Bernhard Gröhs in der Gesamtheit ein optimistisches Resümee: „Österreich hat im letzten Jahr gezeigt, dass der Abwärtstrend aufgehalten werden kann. Vieles entwickelt sich positiv und die internationalen Wirtschaftsdaten geben uns Rückenwind. Wir müssen uns jetzt an den Besten messen und konkrete Maßnahmen setzen – dann können wir im globalen Standortwettbewerb wieder einen Spitzenplatz erlangen.“ Keiner der befragten Geschäftsführer hat vor, Teile seiner Unternehmung aus dem Standort Österreich abzuziehen, sondern sie geben an, im Großen und Ganzen sehr zufrieden zu sein und weiterhin in die Erhaltung und Modernisierung des Standortes zu investieren. „Natürlich sind in Österreich viele Dinge verbesserungswürdig. Dennoch ist Österreich nach wie vor ein hervorragender Standort für Unternehmen. Wir haben uns aber in den vergangenen Jahren zu sehr auf unseren Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht. Wenn wir nicht schnell wieder umdenken und mehr in Bildung, Wissenschaft und Infrastruktur investieren und die Verwaltung verschlanken, kann das Bild in ein paar Jahren völlig anders aussehen. Veränderungen geschehen heutzutage viel schneller. Man muss daher auch viel agiler sein als in der Vergangenheit“, so Greiner-Vorstandsvorsitzender Axel Kühner abschließend. (VM)