Die Fabrik der Zukunft

NEW BUSINESS Innovations - NR. 03, APRIL 2020
Noch fehlt es meist an einer zentralen, standortunabhängigen Steuerung der Aktivitäten. © Gerd Altmann/Pixabay

Steigerung der Produktivität, transparente Lieferkette, schlankere Prozesse – der Mehrwert von Smart Factories liegt auf der Hand. Gleichzeitig gilt es, noch einige Herausforderungen zu meistern ...

... Capgemini weiß, welche.

Eine Studie des Capgemini Research Institute hat ergeben, dass intelligente Fabriken der Weltwirtschaft einen Mehrwert von mindestens 1,5 Billionen Dollar zusätzlich einbringen könnten. Der Marktanteil dieser Art von Fabriken steigt. Sie nutzen digitale Plattformen und Technologien, die ihre Produktivität signifikant verbessern und zu verbesserter Qualität sowie besserem Kundenservice führen. Zwei Drittel dieses Mehrwertes müssen jedoch noch durch effizientes Design und optimierte Betriebsabläufe wie den Closed-Loop-Betrieb realisiert werden. Bei Letzterem werden dazu die beim Ablauf generierten Daten genutzt, um diesen in Echtzeit zu optimieren. Nach der Studie sind China, Deutschland und Japan die drei führenden Länder bei der Einführung intelligenter Fabriken, dicht gefolgt von Südkorea, den USA und Frankreich.

Von der disruptiven Technologie zur ­intelligenten Industrie
Für die Studie „Smart Factories @ Scale“ wurden über 1.000 Führungskräfte von Industrieunternehmen in 13 Ländern befragt. Daraus ergaben sich zwei zentrale Herausforderungen bei der Skalierung von Pilotprojekten hin zur intelligenten Fabrik für die Industrie 4.0: erstens die IT-OT-Konvergenz und zweitens die Bandbreite der Fähigkeiten und Fertigkeiten, die erforderlich sind, um die Transformation voranzutreiben. Die Studie geht außerdem darauf ein, wie disruptive Technologien zu einer „Intelligenten Industrie“ führen und Fertigungsunternehmen daraus neue Geschäftsfelder entwickeln, Betriebsabläufe optimieren und Innovationen für eine nachhaltige Zukunft umsetzen können. Jochen Bechtold, Head of Manufacturing und Life Sciences bei Capgemini in Deutschland, betont: „Hochentwickelte Produktionsstandorte wie Deutschland können und müssen durch die Digitalisierung der Fertigungslinien ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Auch wenn wir als eines der drei führenden Länder bei der Einführung intelligenter Fabriken auf einem guten Weg sind, sehen wir viele Initiativen scheitern, wenn es um deren Skalierung geht. Es fehlt häufig an einer zentralen, standortunabhängigen Steuerung der Industrie-4.0-Aktivitäten. Mit einer standardisierten Plattform – wie beispielsweise der Smart-Manufacturing-Operations-Management-Plattform – können die individuellen Gegebenheiten der Fertigungslinien digitalisiert und skalierbar angepasst werden. Damit erfolgt die Transformation aller Produktionsstandorte in intelligente Fabriken auf gleicher Basis.“

Zunehmendes Interesse an intelligenten Fabriken
Im Vergleich zu einer Studie von vor zwei Jahren schreiten heute mehr Unternehmen mit ihren Smart-Factory-Initiativen voran. Seit 2017 wurde ein Drittel der Fabriken bereits in intelligente Anlagen umgewandelt. Produktionsunternehmen weltweit wollen in den nächsten fünf Jahren 40 Prozent mehr intelligente Fabriken aufbauen. Dazu planen sie in den kommenden drei Jahren pro Jahr durchschnittlich 3,24 Prozent ihres Umsatzes ein. Im Vergleich dazu sollen in Deutschland in den nächsten fünf Jahren 43 Prozent mehr Fabriken dieser Art entstehen, wobei hier durchschnittlich 3,51 Prozent des Umsatzes pro Jahr angedacht sind.

Das Wertschöpfungspotenzial von Smarten Fabriken ist größer denn je
Basierend auf diesem Wachstumspotenzial schätzt Capgemini, dass intelligente Fabriken in den nächsten fünf Jahren zwischen 1,5 Billionen und 2,2 Billionen US-Dollar zur Weltwirtschaft beitragen können. Im Jahr 2017 stellte Capgemini fest, dass 43 Prozent der Unternehmen über laufende Smart-Factory-Projekte verfügten. Nach den Zahlen der aktuellen Studie sind es jetzt, zwei Jahre später, 68 Prozent. Die 5G-Technologie wird hier zu einem zentralen Faktor: Produktionsunternehmen erhalten damit die Möglichkeit, eine Vielzahl von Echtzeitanwendungen einzuführen oder diese zu erweitern.

Skalierung ist die nächste Herausforderung für Industry 4.0
Trotz dieser positiven Aussichten sind die Produktionsunternehmen der Meinung, dass der Erfolg schwer zu erreichen ist: nur 14 Prozent bezeichnen ihre bestehenden Initiativen als „erfolgreich“ und fast 60 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie mit der Skalierung kämpfen. Die beiden größten Herausforderungen bei der Vergrößerung sind:
• Die IT-OT-Konvergenz – einschließlich der Bereitstellung und Integration digitaler Plattformen, der Datenverfügbarkeit und der Cybersicherheit –, die für die digitale Kontinuität sowie die Zusammenarbeit entscheidend sein wird. Plattform­unabhängige und sichere Mehrschichtarchitekturen ermöglichen eine fortschreitende Konvergenz.
• Zusätzlich zu der digitalen Affinität der Mitarbeiter sind eine Reihe von Fähigkeiten und Fertigkeiten erforderlich, um die Transformation intelligenter Fabriken voranzutreiben – einschließlich funktionsübergreifender Profile, z. B. aus den Bereichen der Fertigungstechnik, der Produktionswartung sowie der Sicherheit und Gefahrenabwehr. Soft Skills, wie Problemlösungs- und Kooperationsfähigkeiten, sind ebenfalls entscheidend.

Aus dem Nähkästchen geplaudert
Dem Bericht zufolge müssen Unternehmen von den Vorreitern (10 Prozent der gesamten Stichprobe) lernen, die erhebliche Investitionen in die Grundlagen wie digitale Plattformen, Datenverfügbarkeit, Cybersicherheit, Talente und Steuerung tätigen und ein ausgewogenes Verhältnis von „Effizienz durch Design“ und „Effektivität im Betrieb“ vorweisen, wobei sie das Potenzial der Daten und der Zusammenarbeit ausnutzen.
Murad Tamoud, Executive Vice President Global Supply Chain Operations bei Schneider Electric, bemerkt: „Die Supply-Chain-4.0-Transformation bei Schneider Electric ist ein nachhaltiges und zusammenhängendes Projekt, welches unsere ‚Smart-Factory-Initiative‘ einschließt und das eine starke Dynamik entwickelt hat. Wir sind vor mehreren Jahren mit einem zentralen Projekt gestartet und verfügen mit Ende 2019 über 70 intelligente Fabriken, zertifiziert und mit Anerkennung des Weltwirtschaftsforums. Während wir unseren Managern, Ingenieuren, Hilfskräften und Betreibern die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelten, haben wir gleichzeitig diese Erfahrungen über ein virtuelles Netzwerk mit der gesamten Organisation geteilt, um die Skalierung des Projekts schnell voranzutreiben.“ Er fügt hinzu: „Aber das ist nur der Anfang. Wir werden weiterhin innovativ sein, indem wir intern und extern auf unsere EcoStruxure-Lösung – eine IoT- sowie plug-and-play-fähige offene Architektur und Plattform – sowie auf die neuesten Anwendungsbeispiele der digitalen Welt setzen.“ (VM)