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Mag. Karin Ekengren ist Geschäftsführerin bei Kasa Beauty Trade und KM Hair Academy. © KM-Hair-Academy

Der Friseurberuf wird in Zeiten wie diesen plötzlich nahezu als systemrelevant angesehen und erfährt neue Wertschätzung. Ein Gastkommentar von Karin Ekengren.

Die Spitzen sind spröde, die Haare zu lang, die Strähnchen ausgebleicht und von Glanz keine Spur – so sah für viele der Haar-Alltag in den letzten Wochen aus. Geschlossene Salons dürften bei vielen Österreichern für mehr Angstgefühle gesorgt haben, als das Coronavirus selbst. Tatsächlich beschäftigten sich in den letzten Wochen so viele Menschen mit dem Thema „Haare“ wie selten zuvor: Google-Suchanfragen wie „Haare schneiden Anleitung“ explodierten förmlich und im Onlinehandel führen Haarschneidemaschinen Bestseller-Listen an. Die ungepflegte, unfrisierte Haarpracht ist unter dem Hashtag #quarantinehair längst zum Kult geworden. Nicht zuletzt zeigten sich erste Friseure in der Not erfinderisch und boten ihrer Kundschaft kurzerhand Videositzungen an, wo etwa eruiert wurde, wie man die Haare in Zeiten von Social Distancing richtig pflegt.

Die Renaissance des Coiffeurs
Am 2. Mai durften Salons jedenfalls wieder öffnen – die Einhaltung strenger Regeln vorausgesetzt. Da sich viele der Kunden in Do-it-Yourself-Haarschnitten geübt haben und durch kostengünstige Colorationen ihre Haarstruktur zerstörten, sind Friseur einmal mehr als Retter in der Not gefragt. Der Friseurberuf wird in Zeiten wie diesen plötzlich nahezu als systemrelevant angesehen und erfährt neue Wertschätzung. Vor der Krise war der Friseurbesuch für viele eine bloße Notwendigkeit, um die Mähne unter Kontrolle zu behalten. Nun wird der Haarkünstler fast schon als neuer „Beauty-Doc“ gesehen, nach dessen Besuch man sich wie neugeboren fühlt. Die letzten Jahrzehnte waren in der österreichischen Friseurbranche durch einen Boom der Budget-Salons geprägt: Schneller Schnitt, kleines Geld und wieder bei der Tür raus. Das Geschäftsmodell zielt nicht auf Qualität ab, sondern auf Quantität – von Nachhaltigkeit kann keine Rede sein.

Öko kann High Heels tragen
Zukunftsforscher rund um die Welt prognostizieren durch den Shutdown nun einen Vormarsch der Nachhaltigkeit quer durch alle Wirtschaftszweige. Für die Friseurbranche wäre dies mehr als begrüßenswert – in vielerlei Hinsicht. Gewisse Budget-Salons zwingen sich durch Preisdumping quasi selbst dazu, kostengünstige Produkte am Kunden zu verwenden. Hochwertig und umweltbewusst hat natürlich seinen Preis. Bereits vor Corona haben wir beobachtet, dass Kunden in diesem Zusammenhang zunehmend weniger preissensibel reagieren und durchaus auch höherpreisige Artikel erwerben. So liegt die Verkaufsrate in unserem KM Hair Academy Salon in Wien bei 25 Prozent – im Vergleich zu 2,7 Prozent im nationalen Durchschnitt. Wir arbeiten dabei ausschließlich mit nachhaltigen und exklusiven Marken: KEVIN.MURPHY, OWAY, ELEVEN Australia und Pieces by Bonbon. Die Produkte müssen klar tierversuchsfrei sein und ohne Sulfate, Erdöle, Parabene sowie Reduktion des Plastikmülls auf ein Minimum. Aber trotzdem cool. Ich sage immer, Öko auf High Heels. Die Glasflaschen der Marke OWAY sind etwa zu 99 Prozent plastikfrei. KEVIN.MURPHY setzt bei Verpackungen gänzlich auf recycelte Meereskunststoffe – und entnimmt dafür pro Jahr rund 300 Tonnen Plastik aus dem Ozean.

Die Lehren aus DIY und Preisdumping
Sollte die Pandemie nun indirekt zu bewussterem Konsum führen, wirkt sich das nicht nur auf die Bereitschaft aus, für bessere Produkte mehr zu bezahlen, sondern auch auf die Friseurleistung an sich. Durch „Do-it-Yourself“-Debakel haben viele bemerkt, dass hinter dem Beruf des Figaros mehr steckt als nur „Schnipp-Schnapp-Haare-ab“. Die Haare sind die Umrahmung des Gesichts und haben wesentlichen Einfluss auf das gesamte Erscheinungsbild. Trägt man eine typgerechte Frisur – in Hinblick auf Schnitt, Farbe und Styling – wirkt das Wunder. Um hier individuelle qualifizierte Beratung zu bieten, gehört allerdings einiges an Knowhow dazu, das erst einmal erlernt werden muss. Zusätzlich möchte der Kunde natürlich auch wissen, was gerade „en vogue“ ist. Hierfür sind Weiterbildungen unabdinglich, die sich aber auch aufs Geldbörserl niederschlagen und schlussendlich auf den Preis für die Frisur. Der Coiffeur wandelt sich einmal mehr vom bloßen Dienstleister hin zum geschätzten Berater – Ansätze dafür sind bereits sichtbar. Wenn die neue Wertschätzung für den Berufsstand also dazu führt, dass der Preis vom Kunden aus zwei Perspektiven betrachtet wird, kann das die Branche nur nachhaltig positiv beeinflussen.

Über Karin Ekengren
Mag. Karin Ekengren ist Geschäftsführerin bei Kasa Beauty Trade und KM Hair Academy. Kasa Beauty Trade beliefert rund 130 Friseursalons österreichweit mit hochwertigen, friseur-exklusiven und nachhaltigen Produkten sowie Bedarfsartikeln. Die KM Hair Academy ist ein Hair & Make-up Concept Store in Wien und laut der Plattform Treatwell einer der Top 10 Friseursalons in Wien. Darüber hinaus werden Coiffeurs im Rahmen der Academy Schulungen und Seminare zu aktuellen Themen geboten. Karin Ekengren ist gebürtige Schwedin. Nach Abschluss ihres Studiums der Wirtschaftswissenschaften und dreijähriger Tätigkeit als Head of Sales für ein Kosmetik-Unternehmen in Großbritannien hat sie in den vergangenen sieben Jahren ihr „Beauty-Imperium“ in Wien aufgebaut.