Natascha Mauthner, Geschäftsführerin Lieferando Österreich, im Porträt.

NEW BUSINESS - NR. 9, SEPTEMBER 2025
»Um als Team und als Unternehmen zu wachsen, sind für mich Transparenz und Ehrlichkeit sowie eine offene Feedback- und Fehlerkultur das A und O.« © Lieferando Österreich/Martin Steiger

Leg den Fisch auf den Tisch: Offenheit und Mut zum Verlassen der Komfortzone: Die Lieferando-Chefin Natascha Mauthner besitzt beides.

Überraschungen sind die ­Würze des Lebens, heißt es. Besonders „würzig“ wird’s, wenn man sogar sich selbst überraschen kann – so wie Natascha Mauthner zu Beginn ihrer internationalen Karriere. Aufgewachsen in Retz im niederösterreichischen Weinviertel, besuchte sie die Tourismusschule in Krems und hätte es sich nicht träumen lassen, als „Mädchen vom Land“, wie sie es selbst ausdrückt, in die große, ­weite Welt aufzubrechen. Doch genau das tat die damals 19-Jährige zu ihrer eigenen Überraschung – und zur Überraschung ihrer Familie:

„Ich werde den November 1994 nie vergessen, als ich dieses erste Flugzeug nach London genommen habe. Ohne Kreditkarte, Handy, Laptop – dafür mit zwei Koffern ohne Räder und einer sehr schweren Handtasche.“ Sie hat ihre Komfortzone verlassen und es nie bereut: „Denn man lernt und wächst am meisten, wenn man sich in diese ‚Wachstumszone‘ hinein traut.“ Die­ ­daraus gezogene Lehre begleitet sie schon ihr ganzes Leben, ebenso wie ihr Faible für Kulinarik und ihre Passion für Leadership.

Mit offenen Augen
In Großbritannien startete sie ihre Laufbahn in der Hotellerie und arbeitete sich von der Servicemitarbeiterin bis zur Assistant Purchase Managerin hoch: „Während meiner Zeit in London habe ich relativ rasch bemerkt, dass man es durch herausragende Leistungen auch zu interessanten Aufgaben und Karriere­schritten schafft. In dieser Zeit wurde auch mein Appetit auf mehr geschürt – die Weltoffenheit in Großbritannien hat mir die Augen geöffnet und gezeigt, dass es noch andere spannende Kontinente zu entdecken gibt.“

In den folgenden Jahren kamen zahlreiche Stationen rund um den Globus und Sprossen auf der Karriereleiter hinzu, etwa in Polen, Belgien, Litauen, China oder Dubai. ­Parallel dazu absolvierte Natascha ­Mauthner außerdem einen MBA an der Universität von Liverpool.

Von jeder dieser Stationen hat sie etwas für sich mitgenommen: „Die gänzlich anderen Lebensweisen, die ich in Dubai und Peking kennenlernen durfte, haben mich weltoffener gemacht und mir kulturell die Augen geöffnet. Was ich aber auch gelernt habe, ist, dass es in jedem Land sowohl Möglichkeiten als auch Einschränkungen gibt.“ Die Grenzen dessen, worauf man sich einlässt, und worauf nicht, müsse man sich immer selbst setzen, sagt Mauthner:

„Man hat immer die Wahl – oder in meinem Fall vielmehr das Privileg –, zu gehen, wenn es einem nicht zusagt oder man sich nicht wohlfühlt. Mein größtes Learning aber war, dass man, egal in welcher Lebensphase man sich befindet und wohin man geht, seine Erwartungshaltung nicht zu hoch setzen sollte. So kann man am Ende stets eine positive Bilanz ziehen, auch wenn es eine anstrengende und herausfordernde Phase mit Höhen und Tiefen war. Denn diese Tiefen braucht man, um Höhen schätzen zu lernen. Indem man sich ihnen stellt und sie überwindet, entwickelt man sich nicht nur weiter, sondern baut auch Resilienz auf – ein wesentlicher Faktor in einer sich stets verändernden Welt.“

Rückkehr und Branchenwechsel
2018 kehrte Natascha Mauthner in die Heimat zurück und wechselte zugleich erstmals nach knapp 23 Jahren die Branche. Rund sechs Jahre lang war sie für Coca-Cola HBC Österreich in verschiedenen Führungspositionen im Sales-Team tätig, das sie zuletzt als Sales Director leitete. Seit April 2024 verantwortet sie nun als Country Director das Geschäft von Lieferando Österreich. Bis kurz vor ihrem Eintritt wurden Österreich und Deutschland als gemeinsamer Markt geführt.

„Lieferando Österreich fungiert somit erst seit rund einem Jahr als eigenständige Business Unit. Damit haben wir die einmalige Möglichkeit, Lieferando Österreich seine eigene lokale Stimme, Identität und Präsenz zu verleihen. Eine unglaublich reizvolle und spannende Aufgabe, der ich mich gemeinsam mit meinem Team widmen darf“, erzählt sie.

Die Frage nach den Werten, für die sie im Unternehmen steht, beantwortet Mauthner augenzwinkernd: „Das lässt sich mit einem Satz beziehungsweise Rat zusammenfassen, den ich auch meinem Team so mitgeben würde: Leg den Fisch auf den Tisch, auch wenn er stinkt. Was ich damit humorvoll verpackt und sehr direkt sagen möchte: Um als Team und als Unternehmen zu wachsen, sind für mich Transparenz und Ehrlichkeit sowie eine offene Feedback- und Fehler-Kultur das A und O. Eine solche Kultur entsteht natürlich nicht über Nacht, sondern muss langsam aufgebaut werden. Basis dafür ist gegenseitiges Vertrauen. Daher versuche ich – trotz eines naturgemäß ­vollen Kalenders – für mein Team stets eine offene Tür und ein offenes Ohr zu haben.“

Volle Akkus erfordern Logistik
Gut gefüllter Terminplaner hin oder her: Natascha Mauthner ist der Überzeugung, dass sich ein verantwortungsvoller Job und ein erfülltes Privatleben nicht ausschließen sollten. „Gerade nach herausfordernden beruflichen Phasen ist es unglaublich wichtig, seine Akkus wieder aufzuladen“, sagt sie und ergänzt abschließend: „Zugegeben: Wenn man, wie ich selbst, zwei wundervolle Kinder und einen ebenso wundervollen Lebenspartner hat, erfordert die Kalender-Koordination etwas Logistik-Geschick.“ (RNF)


12 FRAGEN AN NATASCHA MAUTHNER

Was wollten Sie als Kind werden?
Lehrerin oder Flugbegleiterin. Bei den Aufnahmegesprächen mit der AUA waren mein Englisch und Französisch leider nicht gut genug. Ich habe aber schon früh damit begonnen, anderen schulisch zu helfen – diese Eigenschaft begleitet mich speziell bei der Arbeit mit jungen Talenten bis heute.

Was bedeutet Glück für Sie?
Glück, das ist für mich, wenn man absolut im Gleichgewicht ist. Wenn einem nichts weh tut und man sich aufgehoben und gehört fühlt. Und wenn nicht alles, was man tut, bewertet wird.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Leadership Wisdom from the Monk Who Sold His Ferrari“ von Robin Sharma.

Welche Persönlichkeit inspiriert Sie?
Ich fühle mich durch Menschen inspiriert, mit denen ich mich vergleichen kann. In der „Frau von nebenan“ schlummert meist die größte Inspirationsquelle. Beispielsweise Mütter und Partner:innen, die wie ich selbst auch logistische Meisterleistungen vollbringen, um Beruf, Privates und Sozialleben unter einen Hut zu bringen.

Gibt es ein Lebensmotto, das Sie verfolgen?
„Von nix kommt nix“ – man kann Glück haben, aber für die meisten Dinge legt man sich die eigenen Weichen.

Mit wem würden Sie gerne einen Tag lang tauschen?
Solche Wünsche habe ich tatsächlich nicht.

Was war Ihr bisher größter Erfolg?
Erfolg hat viele Facetten – und wird oft mit „beruflichem Erfolg“ gleichgesetzt. Für mich bedeutet Erfolg, in einem spannenden Unternehmen kontinuierlich gefordert zu sein, gebündelt mit der Möglichkeit, Mama und eine gute Partnerin sein zu können. Zu 100 Prozent gelingt das nicht immer, manchmal muss man die Prioritäten ein wenig umverteilen. Aber schon eine gute Balance halten zu können, ist mit mein größter Erfolg.

Was ist das Verrückteste, das Sie je getan haben?
Als „Mädchen vom Land“ hätte ich es mir niemals zugetraut, jemals das Land zu verlassen. Diese Entscheidung hat nicht nur mich überrascht, sondern auch meine Familie. Ich werde den November 1994 nie vergessen, als ich das erste Flugzeug nach London genommen habe. Ohne Kreditkarte, Handy, Laptop – dafür mit zwei Koffern und einer schweren Handtasche. Es war „verrückt“, sich mit 19 Jahren alleine auf ins Ausland zu machen. Heute ist das normal, damals nicht. Meine Komfortzone zu verlassen, hat mich in meiner Laufbahn immer wieder begleitet und macht bis heute den Unterschied. Denn man lernt und wächst am meisten, wenn man sich in diese „Wachstumszone“ hinein traut.

Worüber haben Sie zuletzt gelacht?
Ich lache sehr viel und oft – auch über mich selbst. Tränen musste ich zuletzt lachen, als mein 10-Jähriger mir Marketing-Tipps für Lieferando gegeben hat – und dazu einen Termin bei uns im Büro vereinbaren wollte.

Gibt es etwas, dass Sie schon immer ausprobieren wollten, sich bisher aber nicht getraut haben?
Etwas wirklich tun wollen und sich gleichzeitig nicht zu trauen, passt für mich nicht in denselben Satz. Wenn ich etwas ausprobieren möchte, dann tue ich das auch. Para­gliding zum Beispiel – aber einmal und nie wieder, für eine langfristige „Karriere“ war die Angst doch zu groß.

Was motiviert Sie, tagtäglich aufzustehen?
Ich habe Freude am Leben, dafür alleine stehe ich auf!

Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie dann?
Eine Katze. Katzen finden stets einen gemütlichen Platz und werden immer abgeschmust.


ZUR PERSON
Internationale Karrierestationen
Die gebürtige Niederösterreicherin Natascha Mauthner startete ihre Karriere 1994 in der Hotellerie, wo sie Führungspositionen in den Ländern Polen, Belgien, Litauen, China, Dubai und Großbritannien bekleidete. 2018 kehrte sie nach Österreich zurück und war rund sechs Jahre lang im Sales-Team des Getränkeherstellers Coca-Cola HBC Österreich tätig, zuletzt als ­Sales Director. Seit April 2024 ist Mauthner Geschäftsführerin von Lieferando Österreich, das seit dem vergangenen Jahr als eigenständige Business Unit des niederländischen Mutterkonzerns Just Eat Takeaway.com fungiert. Die Mutter von zwei Kindern hat einen MBA in Business Administration and Management der ­Universität von Liverpool.