»Wir sind ein David, der sich gegen viele Goliaths behaupten muss. Ich liebe ja die Herausforderung, aber manchmal wünschte ich mir schon ein etwas gemütlicheres Marktumfeld.« © Kenny Beele
Mit Disziplin, Humor und Weitblick: Vor einem Vierteljahrhundert hat Michael Kräftner auf das richtige Pferd gesetzt – und sitzt noch heute erfolgreich im Sattel.
Die Liste österreichischer Softwareunternehmen, die mit ihren Produkten weltweit Erfolge feiern, ist nicht außerordentlich lang. Bricht man es auf die eigentümergeführten Anbieter herunter, wird sie noch kürzer. Aber Celum steht auf dieser Liste. Und das zu Recht. Rund um den Globus vertrauen rund 900 Kunden auf das Digital Asset Management für Product Content- und Brand-Management des Softwarehauses mit Headquarter in Linz. Gründer und CEO Michael J. Kräftner – das „J“ steht für Johann – hat vor mehr als 25 Jahren den richtigen Riecher bewiesen, als er gemeinsam mit einem ehemaligen Schulkollegen das MarTech-Start-up aus der Taufe gehoben hat. Zu einer Zeit, als hierzulande weder der Begriff „Start-up“ und erst recht nicht die Bezeichnung „MarTech“ (Marketingtechnologie) geläufig waren.
Der gebürtige Oberösterreicher wuchs südlich von Linz auf und kam schon früh mit IT in Berührung. Als im Jahr 1978 Geborener durchlief Kräftner die damals üblichen „Entwicklungsschritte“ vom Commodore 64, über den Amiga bis zum PC. Erste Software- und Medienprojekte als Ferial- und Nebenjobs wiesen ebenfalls in diese Richtung. Fast hätte er nach der mit Auszeichnung bestandenen Matura in Linz allerdings Medizin in Graz studiert, entschied sich „im letzten Moment“, wie er sagt, dann aber doch für das Studium von Medientechnik und -design in Hagenberg.
Von der Krippe in den Chefsessel
Die Gründung von Celum ergab sich aus einer Ferialarbeit in der Voestalpine heraus – einem der ersten und auch bis heute bestehenden Kunden – und war Kräftner zufolge kaum geplant. „Ich bin ja quasi aus der Kinderkrippe in den Chefsessel gefallen. Ich habe mit 20 Jahren gegründet und nur parallel, aber nicht davor Erfahrungen bei anderen Unternehmen machen können.“
Mentor:innen-Programme, wie es sie heute gibt, waren damals Mangelware. So mussten sich Michael Kräftner und sein Co-Founder mehr oder weniger „auf eigene Faust“ durchs Dickicht der Unternehmensgründung und die schwierige Startphase hindurchschlagen. Rückendeckung kam aber von seiner Mutter, die den Jungunternehmern als „Gratisbuchhalterin“ und „Finanzgewissen“ tatkräftig unter die Arme griff. „Darüber hinaus ist es mir leider nicht gelungen, in eine echte Mentee-Rolle zu kommen. Das erachte ich wirklich als Nachteil in meiner Laufbahn und kann es jungen Gründer:innen nur dringend empfehlen.“
„Ordentlich Dinge bewegen“
Seine Eltern, die sich aus tiefster Armut in bescheidenen Wohlstand hochgearbeitet haben, lebten ihm vor, dass man mit harter Arbeit und Konsequenz vieles erreichen kann, ohne sich dabei komplett aufzugeben oder aufzureiben. „Das geht aber trotzdem nur mit Disziplin und Bildung – dazu habe ich noch eine schnelle Auffassungsgabe sozusagen mitbekommen. Mischt man dazu eine Prise Humor und ein wenig die Gelassenheit, die man aber manchmal erst in späteren Jahren erwirbt, kann man schon ordentlich Dinge bewegen“, hält er fest.
Und bewegt hat er in den vergangenen Jahren einiges. In der Zwischenzeit hat sich das ehemalige Start-up Celum zu einem mittelständischen Softwarehaus mit beinahe 150 Mitarbeiter:innen und – neben dem beeindruckenden Unternehmenscampus in Linz – Standorten in Wien und München gemausert. Kräftner selbst ist mittlerweile übersiedelt und lebt mit seiner Familie in Wien und am Attersee. „Die oberösterreichische Heimat lässt einen dann doch nicht los.“ Genauso wenig lässt ihn seine berufliche Heimat, die Softwarewelt, los. „In kaum einer anderen Branche vereint sich angewandte Kreativität so mit der Möglichkeit, auch als kleinere Organisation Weltklasse-Ergebnisse zu produzieren“, ist er immer noch begeistert und fügt hinzu:
„Man kann aber sagen, dass unsere Branche einer der kompetitivsten Teile dieser Software-Welt ist. Es ist ein so kritischer Bereich, dass neben den ganz Großen wie Adobe auch viele stark mit Wachstumskapital ausgestatteten Player mitspielen. Wir sind ein David, der sich gegen viele Goliaths behaupten muss. Ich liebe ja die Herausforderung, aber manchmal wünschte ich mir schon ein etwas gemütlicheres Marktumfeld.“ Zu gemütlich möchte es Michael Kräftner dann aber auch nicht haben – das entspricht nicht seinem Wesen. Im Gegenteil. „Ich bin sehr happy in meiner aktuellen Rolle und werde mich in Zukunft neben meiner Rolle als CEO wieder stärker in das Product Building involvieren. Wir haben noch viel vor!“, gibt er einen kleinen Ausblick.
Klingt nach einem vollen Terminkalender. Bleibt da noch Platz für andere Dinge? „Meine Familie bekommt jede Sekunde meiner Freizeit. So gut es geht, wird noch Zeit für Soziales und hin und wieder Sport abgezweigt“, sagt er. Hobbys müssen da hintanstehen. Welche das sind? „In grauer Vorzeit habe ich mal Zeit gefunden, mit echten und Modellflugzeugen zu fliegen, durchaus wettkampfmäßig zu segeln und am Computer auch mal nicht beruflich zu ‚daddeln‘“. Wie schon erwähnt: Celum-CEO Kräftner liebt eben die Herausforderung. Auch wenn ein Tag nur 24 Stunden hat – er macht das Beste daraus. (RNF)
12 FRAGEN AN MICHAEL J. KRÄFTNER
Was wollten Sie als Kind werden?
Astronaut. Ich war sehr früh am Weltraum und seiner Erforschung interessiert. In den 80ern und 90ern war das gefühlt das letzte große Abenteuer. Wie es bei Star Trek so schön heißt: „To boldly go where no one has gone before.“
Was bedeutet Glück für Sie?
Zu wissen, dass es meinen Kindern und meiner Familie gut geht. Beruflicher Erfolg ist für mich aber seit dem Beginn meiner Karriere ein wesentlicher Faktor meines persönlichen Glücksgefühls.
Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Ich lese abwechselnd Biografien und spezielle Science Fiction. Das wäre dann zuletzt „The Code Breaker“ von Walter Isaacson – die Biografie von Jennifer Doudna, der Wissenschaftlerin, die der Crispr-Gen-Schere zum Durchbruch verholfen hat.
Welche Persönlichkeit inspiriert Sie?
Es gibt sicher eine Reihe von Personen der Weltgeschichte oder der öffentlichen Wahrnehmung, die ich inspirierend finde, aber in ihrer jeweiligen Neugier, Unvoreingenommenheit und Furchtlosigkeit sind es vor allem meine kleine Tochter und mein kleiner Sohn, die mich inspirieren.
Gibt es ein Lebensmotto, das Sie verfolgen?
„No guts, no glory – but in the end it’s always hard work!“ Oder auf Deutsch: „Wer nichts wagt, der nichts gewinnt, aber am Ende ist es immer harte Arbeit!“
Mit wem würden Sie gerne einen Tag lang tauschen?
Mit einer Gott sei Dank fiktiven politischen Entscheider-Rolle, die in einem Tag genug Dinge anstoßen kann, damit die Welt endlich aus ihrem Negativ-Spin herauskommt. Lösungen sind komplex, aber erste Schritte wären so einfach zu tun.
Was war Ihr bisher größter Erfolg?
Anspruchsvolles Unternehmertum und eine große Familie unter einen Hut zu bekommen. Das ist ein Erfolg, der aber jeden Tag aufs Neue erkämpft werden muss.
Was ist das Verrückteste, das Sie in ihrem Leben getan haben?
Aus einer „Das schau ich mir mal an“-Laune heraus mein erstes Unternehmen gegründet und 15 Jahre später in einer vergleichbaren Motivlage die Pilotenausbildung gemacht zu haben.
Worüber haben Sie zuletzt gelacht?
Humor ist mir sehr wichtig und kann viele Situationen „entschärfen“. Auch wenn es beruflich nicht jeden Tag was zu lachen gibt, lache ich jeden Tag mit meinen Kindern und bin dafür unendlich dankbar.
Gibt es etwas, dass Sie schon immer ausprobieren wollten, sich bisher aber nicht getraut haben?
(Hauptberuflicher) Politiker werden. Ich denke, dass ich die für das Land richtigen Dinge tun möchte. Ich weiß aber auch um die Mühlen des politischen Alltags und wie wenig das zu mir passt.
Was motiviert Sie, tagtäglich aufzustehen?
Die Freude am Gestalten, am Dinge-bewegen-Können und Dingen, die man sozusagen „begonnen“ hat, beim Wachsen zusehen zu können, von den eigenen Kindern bis zu Produktideen im Unternehmen.
Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie dann?
Ein Rabe. Aufgrund ihrer Intelligenz und Anpassungsfähigkeit können Raben recht entspannt durchs Leben gehen und finden dabei genug Zeit für spaßige Dinge wie auf Wildschweinen reiten oder anderen Tieren Streiche spielen.
ZUR PERSON
Experte für die digitale Produktkommunikation
Michael J. Kräftner ist 1978 in Linz geboren und in Ansfelden aufgewachsen. Nach der Matura am BRG Fadingerstraße (mit Medienschwerpunkt) in Linz absolvierte er Praktika in der Film- und Videobranche und studierte Medientechnik und -design an der Fachhochschule Oberösterreich in Hagenberg. Noch während des Studiums, das er 2002 abschloss, gründete Michael Kräftner gemeinsam mit einem ehemaligen Studienkollegen im Jahr 1999 das Unternehmen Celum. Seit seiner Studienzeit setzt er sich intensiv mit Themen rund um digitale Produktkommunikation auseinander. Der CEO von Celum ist anerkannter Experte in den Bereichen Digitalisierung von Marketingprozessen und technologischer Disruption rund um E-Commerce-Content. Michael Kräftner ist verheiratet und Vater von drei Kindern.