Daniel Kalbeck, Gründer von Codeversity und kalbeck.digital, im Porträt

NEW BUSINESS - NR. 9, SEPTEMBER 2022
»Nachhaltigkeit in der Wissensvermittlung ist uns ein großes Anliegen. Nicht zuletzt, weil man sagt, dass Wissen die einzige Ressource ist, die sich mit steigender Benutzung vermehrt.« © Marco Rohr (VMA)

Die Magie fängt dazwischen an: Zwischen verschiedenen Welten zu wechseln und diese zu verbinden, ist tief im Wesen von Daniel Kalbeck verankert.

Nein, er ist kein den Comics entsprungener „oberster Magier“ und wandelt auch nicht zwischen den Multiversen. Aber ein bisschen wie Zauberei mutet es dann doch an, dass Daniel Kalbeck all seine Interessen unter einen Zylinderhut bekommt. „Ich war ein eher schlechter Schüler“, sagt der 1976 geborene über sich und ist damit der lebende Beweis, dass Schulnoten wenig über einen Menschen und sein Potenzial aussagen.

In seinem Fall muss man jedoch festhalten, dass er zeitgleich mit Volksschule und Gymnasium auch die Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien besuchte, um dort ­Violine und Klavier zu studieren. Diese musischen Stunden gingen wohl zulasten des klassischen Stundenplans.

Außerdem entwickelte er Interesse an IT und verbrachte die Schulzeit zusätzlich mit der Entwicklung von Computerspielen und interaktiven Systemen. „Damit gewann ich sogar ein paar internationale Preise für die frühen Arbeiten, was aber wohl eher der Neuartigkeit der Medien­formen als der Qualität der Arbeiten geschuldet war“, gibt sich Kalbeck bescheiden. Es ging ihm schon immer darum, mit wachsenden technologischen Möglichkeiten Geschichten zu erzählen, Leute zu begeistern und Kommunikation zu inszenieren – nicht sich selbst.

Pionier in Web & Multimedia
Nach der Matura und einem Auslandssemester Philosophie startete er sein Studium der Informatik und technischen Physik an der TU Wien. Web und Multi­media waren Mitte der 1990er-Jahre noch neu und nicht mehr als Buzzwords, deren Bedeutung weder festgeschrieben noch absehbar war. Um mehr darüber zu lernen, vor allem nicht-technische Aspekte, entwickelte er einen neuen Studienzweig und reichte ihn als Studium Irregulare ein:

„New Media Design & Engineering“ kombinierte Vorlesungen aus Informatik, Architektur, Publizistik und Psychologie. „Nach drei Jahren bekam ich die Zulassung und betreute die folgenden Student:innen, lehrte und forschte dann fast 15 Jahre im Bereich Mensch-Maschine-Kommunikation, Technologieakzeptanz und User Experience Design. Wir forschten im Rahmen universitärer, aber auch kommerzieller europäischer Forschungs­programme recht interdisziplinär, entwickelten 3D- & Rendering Engines, Content-Management-Systeme und Tangible Interfaces und bauten damit unsere eigenen interaktiven Systeme.“ 

Da es damals kaum jemand gab, der Erfahrung mit Web und Multimedia hatte, und Kalbeck wegen der gewonnenen Preise als Experte galt, bekam er schon als Teenager Anfragen von Softwarefirmen wie Oracle zur Entwicklung von Rich-Media-Anwendungen, internationalen Verlagshäusern, die erste Digitalabteilungen aufbauten, wie auch von Marken wie Coca-Cola oder Ministerien zur Produktion von multimedialen Systemen.

Um die Jahrtausendwende gründete er mit einem Team aus Designern, Film-Leuten und Softwareentwicklern die Cross-Media-Agentur media.sliders ltd. mit Sitz in London und Wien. „Wir entwickelten Multimedia-Installationen, bauten die ersten vollgrafischen Websites, frühe E-Commerce-Plattformen und digitale Kiosk­systeme – und setzten die ersten Start-ups mit Inbrunst in den Sand“, plaudert er aus dem Nähkästchen.

„Heute würde man es wahrscheinlich ‚Radical Innovation‘, ‚Blue Ocean Strategy‘ und ‚Customerdriven Product Development‘ einer ‚fraktalen Organisationsform‘ nennen – damals wollten wir einfach wissen, was alles möglich ist und wie wir das hinbekommen.“

Aus den gemachten Erfahrungen heraus und gemeinsam mit ehemaligen Stu­dent:in­nen „seines“ Studienzweigs ­folgte der Umbau der Agentur in ein Forschungs- und Entwicklungsstudio für Digital Transformation und Corporate Innovation an der Schnittmenge von Industrial Software Engineering, User Experience Design und Digitalmedienproduktionen.

Die Bandbreite der Projekte war hoch, von Plattformen für Luxusimmobilien, IoT oder Smart Home über Digital Banking, interaktive Architekturvisualisierungen und Markenkommunikation bis zum Mailclient für Kleinkinder, die noch nicht schreiben können – „zugegebenermaßen ein wenig absurd“, schmunzelt Kalbeck.

Die Zeit könnte nicht spannender sein
Sein neues, aktuelles „Baby“ beruht auch wieder auf eigenen Erfahrungen sowie denen seiner Kund:innen. Grundlage ist die schwierige Suche nach passenden Mitar­beiter:innen. Kalbeck: „Daher begannen wir vor ein paar Jahren mit unserem eigenen Start-up Codeversity, eine Softwareplattform für digitale Akademien zu entwickeln.“ Schließlich haben Begriffe wie Lifelong Learning und die Weiterbildung bestehender Mitarbei­ter:innen einen enormen Bedeutungsschub erfahren.

Bei verfügbaren Systemen ortete er noch viel Luft nach oben: „Alle sprachen von digitaler Weiterbildung, aber für den Lernenden richtig funktionieren tat es unseres Erachtens nicht, (digitale) Weiterbildung funktionierte meist weder im schulischen, akademischen noch unternehmerischen Kontext besonders nachhaltig oder wirklich wirksam.“

Auf Basis vertraut klingender, aber doch neuer Konzepte und den Ergebnissen der eigenen Entwicklungsabteilung haben Kalbeck und sein Team ihre Vision der Zukunft des Lernens entwickelt. Das war genau zur rechten Zeit. So wurde bereits während der Pandemie gemeinsam mit einem der größten Fachverlage für IT-Publikationen im deutschsprachigen Raum eine Onlineplattform mit heute über 100 Kursen, Seminaren und Konferenzen für 300.000 Abonnenten gestartet.

In Entwicklung befinden sich außerdem eine Ausbildungsplattform für Lehrlinge und eine Onlineakademie für Leadership, Coaching, Teamentwicklung und mentale Leistungsfähigkeit. „Dank der verstärkten Relevanz von Homeoffice, Remote Working, Home Schooling steigen der Bedarf und die Nachfrage gerade exponentiell an und der Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung und Weiterbildung ist relevanter als je zuvor. Die Zeit dafür könnte nicht spannender sein.“ (RNF)


12 FRAGEN AN DANIEL KALBECK

Was wollten Sie als Kind werden?
Erfinder. Ich fand Daniel Düsentrieb und MacGyver toll. Ich wollte Zeug bauen, schreiben und Filme machen – und habe das Glück, dass ich keinen dieser Träume aufgeben musste. 
    
Was bedeutet Glück für Sie?
Ein wunderbarer Mensch hat mir einmal darauf geantwortet: „Die Katze des Nachbarn streicheln“. Ich finde die Antwort wunderschön, weil sie zeigt, wie trivial Glück sein kann. Ich glaube, dass Glück in ganz vielem Alltäglichem und weniger in den großen Zielen zu finden ist. Ein Ziel zu erreichen, macht selten glücklich, der Weg dorthin kann es schon – wenn man es geschickt genug angeht. 

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Das Café am Rande der Welt“, ein Geschenk von einem besonderen Menschen, das in seiner Einfachheit und Unverblümtheit vieles simpel auf den Punkt bringt.

Welche Persönlichkeit inspiriert Sie?
Eher einzelne Menschen, denen ich begegne, als die oft überhöhten Persönlichkeiten, die man aus der Ferne bewundern kann. Mein Vater hat mich sehr geprägt in seinem Wertebild und seinem Zugang zu den Menschen um ihn herum.

Gibt es ein Lebensmotto, das Sie verfolgen?
Es gibt ein paar Zitate, die für mich einen guten Zugang zum Leben als solches schön zusammenfassen: „Collect moments. Not things.” – „You don‘t stop playing because you get old. You get old because you stop playing.” – „Wir sehen die Welt nicht so, wie sie ist. Wir sehen die Welt so, wie wir sind. (Talmud)” 

Mit wem würden Sie gerne einen Tag lang tauschen?
Mit einem selbstvergessen spielenden Kind. Oder einen Tag erfahren, wie es ist, eine Frau zu sein. Ein Weilchen Menschen wie Michelangelo, Descartes, Galileo, Hawking zuhören dürfen. Als Prince ein Konzert geben zu dürfen wäre wahrscheinlich aber auch ziemlich cool.

Was war Ihr größter Erfolg?
Das Leben zu führen, das ich führen darf. Und mein Sohn. Auch wenn er der, der er ist, ganz aus sich heraus geworden ist. So gesehen kann ich diesen Erfolg nicht mir zuschreiben.

Was ist das Verrückteste, das Sie in ihrem Leben getan haben?
Ich glaube die richtig verrückten (im Sinn von richtig außergewöhnlichen) Dinge kommen noch.

Worüber haben Sie zuletzt gelacht?
Beim Beantworten dieser Fragen. Aufrichtige Antworten zu überlegen, hat viel Spaß gemacht.

Gibt es etwas, das Sie schon immer ausprobieren wollten, sich bisher aber nicht getraut haben?
Grundsätzlich: Bedingungslos ehrlich zu sich selbst sein. Ich habe durchaus Respekt davor, was dann passiert. Im Konkreten: Wieder Musik machen, vielleicht in einer Kombination aus elektronischer Musik und klassischer Geige – der Ecke, aus der ich komme.

Was motiviert Sie, tagtäglich aufzustehen?
Eigentlich meistens die Neugierde auf den Tag und der Wunsch, etwas Besonderes zu erleben und an etwas Besonderem arbeiten zu dürfen.

Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie dann und ­warum?
Ein Wolf. Nicht sonderlich domestizierbar, eher ursprünglich. Kann aber manchmal durchaus zutraulich sein. Steht für sein Rudel ein, ist teamorientiert und familiär, aber auch fein mit sich selbst.


ZUR PERSON
Lernen, lehren und forschen
Dipl.-Ing. Daniel Kalbeck ist Gründer und Managing Director von Codeversity, einem Entwicklerhaus für digitale Akademien, und kalbeck.digital, einer Innovationsagentur für digitale Produktentwicklung und Markenentwicklung. Er lehrt, arbeitet und forscht in Technologie- & Innovationsentwicklung, Software Engineering, Human Computer Interaction, User Experience und Kommunikationsdesign. Kalbeck entwickelt seit rund 25 Jahren ­digitale Produkte, Online- & Hightech-Start-ups, Computerspiele, digitale und analoge Marken, Markener­lebnisse und Kommunikationslösungen.