Platooning in der Logistik

NEW BUSINESS Guides - TRANSPORT- & LOGISTIK GUIDE 2018
Autonomes und vernetztes Fahren wird den Straßengüterverkehr grundlegend verändern, prophezeit DB Schenker. © DB Schenker

Motor für den Güterverkehr

Autonomes und vernetztes Fahren soll den Straßengüterverkehr grundlegend ­verändern, gerade wenn auf sogenanntes Platooning gesetzt wird. Damit sind ­automatisierte Platoons – also Gruppen – von Fahrzeugen gemeint, die mithilfe von technischen Fahrassistenz- und Steuersystemen in geringem Abstand ­hintereinanderfahren können. 

Selbstfahrende LKW sind schon längst keine ferne Zukunftsmusik mehr. In den USA ist das sogenannte Platooning bereits erprobt. So hat der Fahrdienstvermittler Uber unlängst einen Lastwagen rund 200 Kilometer selbstständig ­fahren lassen. Auch Tesla und Googles Waymo entwickeln autonome LKW. Platooning bezeichnet das autonome Fahren in Kolonnen. Dabei werden LKW über eine sogenannte elektronische Deichsel mittels Car-to-Car-Kommunikation miteinander verbunden. Auch hierzulande laufen Versuche.
Autonome Nutzfahrzeuge können Kosten senken – zu diesem Ergebnis kommt beispielsweise eine Studie der Unternehmensberatung PwC Strategy&. Demnach könnten die Betriebskosten bis 2025 sogar um bis zu 15 Prozent reduziert werden. Außerdem sollen die selbstfahrenden LKW dazu beitragen, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen.
Die Herausforderung der Entwickler besteht darin, Systeme zu schaffen, die auch in unbekannten Umgebungen und Verkehrssituationen wirksam greifen. Zudem steht die Branche vor der Frage, wie sich das Berufsbild des Lastwagen­fahrers langfristig verändert. Hinzu kommen ungelöste juristische und ethische Fragen.

Gesteigerter Transportbedarf durch Onlinehandel & Co.
Nutzfahrzeuge sind ein wichtiger Motor für den Güterverkehr und damit ein tragender Bestandteil der Wirtschaftsleistung. Gesellschaftliche Entwicklungen wie die Urbanisierung, der Onlinehandel und die steigende Nachfrage an Waren führen zu einem weiter wachsenden Transport­bedarf. Durch die Digitalisierung stehen mittlerweile innovative Lösungen zur Verfügung, um den Güterverkehr auf den Straßen weiter zu optimieren.
Truck-Platooning ist eines der Konzepte, die den Transport auf Autobahnen revolutionieren können. Werden die Fahrzeuge in einem Konvoi angeordnet, kann das Führungsfahrzeug sein Fahrverhalten auf die anderen übertragen. So ist der Konvoi imstande, Manöver wie Beschleunigen und Bremsen für alle Fahrzeuge synchron zu vollziehen. Durch diese Technologie könnten LKW ohne Gefahr in einem Abstand von wenigen Metern hintereinanderfahren und ihren Luft­widerstand wesentlich verringern, versprechen Experten. Außerdem sei es den Fahrzeugen möglich, durch automatisierte Systeme vorausschauender auf Verkehrssituationen und topografische Gegebenheiten zu reagieren und so weiter Kraftstoff einzusparen.
Durch das Platooning werde auch eine signifikante Effizienzsteigerung im Gesamtplatoon erreicht, wodurch die CO2-Emissionen erheblich gesenkt würden. Darüber hinaus werde auch der zur Verfügung stehende Verkehrsraum besser genutzt und der Verkehrsfluss optimiert. Je mehr Fahrzeuge über die Technologie verfügen, desto effektiver trage das Platooning zur Optimierung des Güterverkehrs bei. Ziel der Forschung in diesem Bereich ist es, ein herstellerübergreifendes System zu entwickeln, um noch flexiblere Einsatzmöglichkeiten zu gewährleisten. Trotz des hohen Automatisierungsgrads sind die LKW aktuell nach wie vor mit Fahrern besetzt, die das Steuer jederzeit wieder übernehmen können. Das langfristige Ziel bestehe jedoch darin, Platooning weitgehend autonom zu gestalten.

Vernetzte LKW im Praxiseinsatz
DB Schenker, MAN Truck & Bus und die Hochschule Fresenius bringen vernetzte Lkw erstmals in die Praxisanwendung in der Logistikbranche. Vor Kurzem hat MAN die Testfahrzeuge für das gemeinsame Platooning-Projekt an DB Schenker übergeben. „Autonomes und vernetztes Fahren wird den Straßengüterverkehr grundlegend verändern. Mit dem Projekt testen wir Platooning erstmals im Logistikalltag. Wir freuen uns daher, dass wir die Fahrzeuge jetzt operativ in die Testläufe einbinden können“, sagt Ewald Kaiser, Chief Operating Officer bei DB Schenker.
„Dass Platooning technisch funktioniert, haben wir in verschiedenen Vorgängerprojekten wie 2016 in der European Truck Platooning ­Challenge bereits bewiesen. Die Anpassung dieser Tech­nologie an die realen Alltagsbedingungen der Logistik ist die Herausforderung, die wir jetzt angehen“, ergänzt Frederik Zohm, Vorstand der Forschung und Entwicklung bei der MAN Truck & Bus AG.
Im Rahmen der Kooperation werden LKW-Kolonnen im Regelbetrieb von DB Schenker über mehrere Monate im realen Straßenverkehr getestet. Zum ersten Mal sitzen dabei keine Testfahrer, sondern Berufskraftfahrer von DB Schenker am Steuer. Deren Erfahrungen, Einschätzungen und Bewertungen von Platooning stehen im Fokus der Arbeit der Hochschule Fresenius, die als dritter Kooperationspartner die wissenschaftliche Begleitung der Testfahrten übernimmt.

Technologische Auswirkungen auf die Fahrer
„Wir möchten herausfinden, welche Auswirkungen die neue Technologie auf die Fahrer hat. Die Schwerpunkte der Studie liegen auf der neurophysiologischen und psychosozialen Ebene“, erläutert Christian T. Haas, Leiter des Instituts für kom­plexe Gesundheitsforschung an der Hochschule Fresenius. „Die Resultate der Untersuchung an der Mensch-Maschine-Schnittstelle sollen unmittelbar zurück in die Technologieentwicklung fließen.“ Das Szenario bietet darüber hinaus auch die Möglichkeit eines grundsätzlichen Erkenntnis­gewinns bezüglich der Digitalisierung von Arbeitsbedingungen und könnte so Vorreiter für andere Projekte sein.
Mit der Übergabe der Fahrzeuge starteten nun die Vorbereitungen für die Tests auf der Straße. Während die vergangenen Monate ganz im Zeichen der Fertigung der Testfahrzeuge und ihrer Ausstattung mit den notwendigen technischen Zusatzkomponenten für den Platooning-Einsatz standen, gehe es nun um die intensive Vorbereitung der Fahrer auf ihre Aufgabe im Projekt und schließlich um die Einbindung in die Logistik­abläufe von DB Schenker.
Ab April sind bereits vereinzelte Fahrten des Platoons vorgesehen, allerdings noch ohne Ladung, um zunächst die Fahrbedingungen im alltäglichen Verkehrsfluss zu untersuchen und die am Projekt beteiligten Fahrer in der Bedienung der Fahrzeuge zu schulen. Dabei werden die Fahrer von den Spezialisten von MAN ProfiDrive intensiv theoretisch und praktisch angeleitet.
Geübt wird auch im Fahrsimulator. Nach Abschluss der intensiven Schulungsphase erfolgen wöchentliche und anschließend tägliche Testfahrten. Diese sollen im Laufe des Jahres 2018 zu Linienfahrten mit realen Ladungen ausgebaut werden. Bis zu dreimal täglich sollen dann die Platoons zwischen den DB-Schenker-Logistik­zentren eingesetzt werden.

Platooning im realen Transportbetrieb
Scania und das spanische Transportunternehmen Acotral gehen aktuell sogar einen Schritt weiter und starten in Spanien mit Platooning im realen Transportbetrieb. Der Großtransporteur Acotral hat in einem Pilotversuch auf seinen Strecken Ribarroja–Getafe und Valladolid–Getafe zwei Platooning-Konvois mit jeweils drei Scania R 450 gestartet. Die Entfernung, welche die Scania-Platoons zurücklegen, liegt bei etwa 350 beziehungsweise 200 Kilometern. Nach praktischer und theoretischer Ausbildung der Fahrer werden ­Acotral und Scania diese Routen bis Ende April testen. Anschließend werden die Ergebnisse aus­gewertet, und es wird geprüft, ob für Acotral zusätzliche Routen für LKW-Platoons infrage kommen.
Mit dem finnischen Unternehmen Ahola Transport hat Scania vereinbart, auf nordischen Straßen teilautonome LKW-Züge einzuführen und zudem neue Verkehrstechnologien zu entwickeln. Der Kunde wird LKW und Technologie von Scania auf finnischen Autobahnen einsetzen, um teil­autonome Platooning-Formationen mit drei oder mehr miteinander vernetzten LKW zu testen. Während dieser Tests sollen alle LKW mit Fahrern besetzt sein. Der Fahrer im ersten LKW steuert jedoch den gesamten Zug, und die nachfolgenden LKW fahren autonom.
„Für uns ist es wichtig, die Arbeitssituation unserer Fahrer mithilfe neuer Technologien zu verbessern. Die geplanten Lösungen helfen uns auch, die Kundenerwartungen an schnellere Lieferungen und an Umweltziele zu erfüllen. Unsere Zusammenarbeit mit Scania begann mit dem ersten LKW im Jahr 1959, und wir freuen uns, die Zusammenarbeit weiter auszubauen“, erklärt Hans Ahola, CEO von Ahola Transport. „Ahola Transport ist ein fortschrittliches Unternehmen, das sich der Digitalisierung verschrieben hat, um seine Transportabläufe und Routenplanung zu optimieren“, ergänzt Anders Dewoon, Director of New Business Solutions bei Scania. „Mit Partnern wie Ahola Transport testen wir gemeinsam neue Technologien, die Teil eines zukünftigen Verkehrsökosystems sein werden, und wir überprüfen, ob sie sowohl effektiv als auch sicher sind.“ (TM)
www.strategyand.pwc.com
www.dbschenker.com
www.scania.com
www.truck.man.eu