Lieferketten sollen sozialen und ökologischen Standards folgen © APA - Austria Presse Agentur

Zum von der EU heute angekündigten Lieferkettengesetz hat es viele Reaktionen heimischer Player gegeben. Die EU-Kommission stellte am Mittwoch einen Gesetzesvorschlag vor, mit dem Firmen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sich ihre Lieferanten nicht an bestimmte Mindeststandards halten. Viele Firmen nähmen ihre Verantwortung bei Menschenrechten schon wahr, sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck. Kritiker sehen hingegen ein "Tigerbaby" noch ohne Zähne.

In einem Entwurf heißt es, dass Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro pro Jahr betroffen seien. Für Branchen mit einem hohen Risiko für Verstöße gegen Arbeits- und Umweltstandards, etwa der Bekleidungs-, Schuh-, Lebensmittel- und Chemieindustrie, soll die Grenze bei 250 Beschäftigten liegen.

ÖGB und AK begrüßten in einer gemeinsamen Stellungnahme zwar, dass es den Gesetzesvorschlag nach mehreren Verschiebungen nun gibt. Es müsse aber dringend nachgeschärft werden. Positiv sei, dass der Entwurf die gesamte Lieferkette und auch eine Zivilhaftung umfasse. Die Vorschriften sollen aber für nicht einmal ein Prozent der EU- und überhaupt nur 0,06 Prozent der Austro-Unternehmen gelten, wurde kritisiert. "Der Entwurf trägt stark die Handschrift der Wirtschaftslobbyisten", so AK-Fachfrau Julia Wegerer. "Die Koppelung von Unternehmensgröße und Umsatzhöhe ist für das Schadenausmaß allerdings vollkommen irrelevant." ÖGB-Betriebswirtin Miriam Baghdady: "Der Vorschlag sieht auch nicht vor, dass Gewerkschaften beim Sorgfaltspflichtenprozess einbezogen werden müssen. Eine verpflichtende Einbindung der Gewerkschaften werden wir unbedingt fordern."

Schramböck (ÖVP) begrüßte die Pläne, will sich eine entsprechende Richtlinie aber "sehr genau ansehen". Viele Unternehmen nähmen ihre Verantwortung im Bereich der Menschenrechte schon jetzt wahr, es dürfe nicht zu viel Bürokratie entstehen. Lob für den "ambitionierten Vorschlag" kam vom grünen Koalitionspartner. Er biete "eine Riesenchance für unsere Betriebe", so Wirtschaftssprecherin Elisabeth Götze, vor allem für ökologisch wirtschaftende. "Es ist einer der wichtigsten Schlüssel, um nachhaltig und konsequent gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen vorzugehen", so SPÖ-Europapolitikerin Bettina Vollath. Dazu brauche es aber auch ein "entschlossenes Handeln" der österreichischen Regierung, forderte SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim.

Die Wirtschaftskammer (WKÖ) sprach sich zwar für einen einheitlichen Rechtsrahmen aus, der vorgelegte Entwurf zum EU-Lieferkettengesetz sei jedoch ein "untaugliches Mittel" und für Unternehmen "in der Praxis nicht umsetzbar", so WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf. "Wir als Industrie verstehen uns im Bereich der nachhaltigen Entwicklung und beim Schutz von Menschenrechten als wichtiger Verbündeter. Das Lieferkettengesetz unterstützen wir in seiner ambitionierten Zielsetzung, Menschenrechtsverletzungen den Kampf anzusagen", betonte der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill.

Nicht-Regierungsorganisationen sehen in den Plänen zwar einen Fortschritt, bleiben aber kritisch. "Es gibt noch sehr viel Reformbedarf bis zum finalen Beschluss", so der WWF. Aus Sicht von ATTAC und Südwind müssen Schlupflöcher ausgeräumt werden. "Mit dem EU-Lieferkettengesetz ist es wie mit einem Tigerbaby. Wir sind sehr froh, dass es endlich da ist - aber die Augen muss es erst aufmachen und Zähne müssen noch wachsen", so Südwind. Greenpeace stört sich unter anderem daran, dass derzeit Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern beim Vorhaben ausgenommen seien.

"Die Konzerne werden von den Zulieferern dieselbe Compliance verlangen, die sie erfüllen müssen", warnte FPÖ-Politiker Alex Kassegger. "Ein steirischer Tischlereibetrieb wird dann die volle Haftung dafür übernehmen müssen, dass er nicht irgendwo Hölzer aus den oft weitverzweigten Lieferketten verarbeitet, die aus einem Risikogebiet kommen." ÖVP-EU-Delegationsleiterin Angelika Winzig: "Wichtig ist, dass wir mit Maß, Ziel und Hausverstand agieren und dem Prinzip der Proportionalität folgen." Parteikollege und EU-Parlament-Vizepräsident Otmar Karas betonte, dass die EU als größter Binnenmarkt der Welt nicht zulassen dürfe, dass es zu einem nationalen Fleckerlteppich unterschiedlicher Regelungen komme. Dafür werde sich das EU-Parlament einsetzen.