Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Zufriedenheit sind Basis für Innovation, Produktivität und Stabilität © ArthurHidden/Freepik
Hohe Produktivität und innovative Unternehmen trotz geringerer Arbeitszeit und weniger Überstunden? Das muss kein Widerspruch sein, wie das finnische Wirtschaftsmodell belegt.
Zum internationalen „Tag der Freude“ am 24. Juli und darüber hinaus zeigt das glücklichste Land der Welt, dass der Schlüssel dazu in einer funktionierenden Gesellschaft liegt, die die Zufriedenheit der Bevölkerung fördert. „Das Vertrauen ist in der finnischen Gesellschaft und den Institutionen tief verwurzelt und führt dazu, dass die Menschen glücklich sind. Darauf bauen wir unseren wirtschaftlichen Erfolg und unsere Innovationskraft auf“, erklärt Antti Aumo, Leiter von Invest in Finland bei Business Finland. Und die Zahlen geben ihm Recht. So ist Finnland nicht nur acht Jahre in Folge das glücklichste Land der Welt, wie der Weltglücksbericht der UN zeigt, sondern gleichzeitig auch auf Platz zwei im Korruptionswahrnehmungsindex 2024. Ein Beleg für die Integrität des politischen und wirtschaftlichen Systems.
Dieses Fundament schafft ein stabiles wirtschaftliches Marktumfeld und ist ein entscheidender Nährboden für Kreativität, was der 7. Platz im Global Innovation Index 2024 eindrucksvoll unterstreicht. Mit einem Anteil von 3,16 Prozent des BIP investiert das Land zudem massiv in Forschung und Entwicklung. Die finnische Regierung hat sich verpflichtet, die Ausgaben des Landes in diesem Bereich bis 2030 auf 4 Prozent des BIP zu erhöhen. Darüber hinaus gehört Finnland bei der Umsetzung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) durchwegs zu den führenden Ländern weltweit und belegt im SDG-Index 2025 erneut den ersten Platz.
Der Blick auf die finnische Arbeitswelt zeigt die klaren Vorteile einer guten Work-Life-Balance. Finnlands hoch qualifizierte Fachkräfte arbeiten effizient. Das resultiert laut PISA-Studien aus dem vorbildlichen Bildungssystem. OECD-Daten wiederum belegen, dass nur vier Prozent der finnischen Angestellten sehr lange arbeiten – deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von zehn Prozent. Dass dies nicht zulasten der Leistung geht, beweist die hohe Arbeitsproduktivität: Das BIP pro geleistete Arbeitsstunde lag 2023 bei 82,96 US-Dollar und damit klar über dem OECD-Schnitt von 70,62 US-Dollar. Es ist ein Beleg dafür, dass wirtschaftliche Leistung nicht von Überstunden abhängt, sondern von smarten, auf Vertrauen und Autonomie basierenden Arbeitsmodellen – ein möglicher Impuls für die deutsche Arbeitszeitdebatte.
Das Ökosystem des Erfolgs: Vertrauen, Autonomie und Unterstützung
Im Zentrum der finnischen Arbeitskultur steht eine ergebnisorientierte Mentalität statt einer reinen „Anwesenheitskultur“. Diese wird durch eine flexible Gesetzgebung wie den „Working Hours Act“ gestützt. Gleichzeitig sichert ein gesetzlich verankertes Recht auf bezahlbare Ganztagsbetreuung (Kitas) die volle Teilhabe, insbesondere von Frauen, am Arbeitsmarkt. Die Kommunen sind verpflichtet, jedem Kind einen Betreuungsplatz in dem von den Eltern gewünschten Umfang zur Verfügung zu stellen – und zwar unverzüglich und ohne bürokratische Hürden. Eltern müssen sich also nicht selbst um einen Platz bemühen oder diesen einklagen, wie es in Deutschland häufig der Fall ist.
Ein Großteil der Unternehmen in Finnland investiert zudem proaktiv in das Wohlbefinden und die kontinuierliche Weiterentwicklung ihrer Teams – etwa durch umfassende Gesundheitsdienste, individuelle Kompetenzentwicklung und eine offene, hierarchiearme Kommunikation. Unternehmen sichern sich dadurch nicht nur die Loyalität ihrer Mitarbeitenden, sondern auch langfristig wertvolles Know-how. (BO)