Eva Schönleitner, CEO Crate.io, im Porträt

NEW BUSINESS - NR. 7/8, JULI/AUGUST 2022
»Es ist super fun und auch motivierend, die Firma professionell zu skalieren und gleichzeitig die Energie und Geschwindigkeit eines globalen Tech-Start-ups zu spüren.« © privat

Globetrotterin und Gipfelstürmerin: Eva Schönleitner verfolgt als CEO des aussichtsreichen Start- bzw. Scale-ups Crate.io aus Vorarlberg ambitionierte Ziele ...

... und auch privat treibt es sie regelmäßig in luftige Höhen.

Beschreibt man den Lebenslauf von Eva Schönleitner mit einem lapidaren „beeindruckend“, dann könnte man auch gleich sagen, der K2 wäre einfach ein „ziemlich hoher Berg“. Beides stimmt natürlich, wird der Realität aber nicht im Ansatz gerecht.

Begonnen hat alles in Gmunden, wo sie geboren und aufgewachsen ist. Ihre Eltern, die sie immer sehr gefördert haben, hatten dort ein Modefachgeschäft, das auch heute noch erfolgreich von der Familie geführt wird. Sie studierte nach der Schule Chemie und Mathematik an der Johannes-Kepler-Universität in Linz und begann ihre Laufbahn als Chemikerin bei Solvay in Ebensee, wo sie im QA-Lab als Nachfolgerin des damaligen Leiters vorgesehen war. „Ich habe aber sehr schnell entdeckt, dass meine Passion auf der Business-Seite liegt“, erzählt Schönleitner. 

Erstens kommt es anders...
Sie wechselte aus dem Labor ins Produktmanagement, und zwar zur schwedischen Firma Bona am Standort Salzburg, die auf Produkte für Holzfußböden spezialisiert ist. Dort erkannte sie, dass ihr für ihren weiteren Weg wirtschaftliches Wissen fehlt. Also entschloss sie sich, an der Emory University in Atlanta ihren MBA in Finance und Marketing zu machen. Geplant war, drei Jahre in den USA zu bleiben – doch es sollte anders kommen.

Sie heuerte erst als Consultant bei IBM im Retail-Bereich an, stieg die Karrie­re­leiter hinauf, wurde aber des Berater­lebens – ständig auf Achse – müde. „Wenn man Weihnachtskarten nur von Hotels und nicht von Freunden bekommt, dann ist das ein Problem. So kann das nicht für den Rest meines Lebens weitergehen“, dachte sie damals. Schönleitner, mittlerweile verheiratet, zog mit ihrem Mann nach Seattle, um bei Deloitte den regionalen E-Commerce-Bereich aufzubauen, und stieg dort zum Senior Manager auf.

„Dann muss man sich überlegen, ob man Partner werden will oder nicht. Wenn man Partnern wird, bleibt man auch ewig Partner. Ich habe mich entschieden, dass ich das nicht will. Ich wollte mehr in die technische Richtung, zu einer Softwarefirma.“ In der Zwischenzeit waren aus den geplanten drei Jahren USA bereits sechs geworden.

Moment! Software? Seattle? War da nicht was? Natürlich! Der Hauptsitz der größten Softwarefirma der Welt. Das passt doch! In der Folge war Eva Schönleitner elf Jahre für Microsoft tätig, in den USA und in Deutschland, in globalen und regionalen Rollen. Sie hat in der Windows-Business-Gruppe als Nummer zwei Windows 7 in den USA gelauncht und hatte später als Leiterin des Windows-Geschäfts für Zentral- und Osteuropa die Verantwortung für mehr als 30 Länder.

„Nach mehreren Jahren bei Microsoft in München, wo ich auch für den Markteintritt von Windows Intune, der ersten Cloud-Lösung für Windows, zuständig war, habe ich überlegt, was ich tun will. Bleibe ich in meiner komfortablen Rolle, die ich gut kenne, und mache den nächsten Windows Launch? Das wäre Windows 8 gewesen. Die Antwort war Nein. Ich habe die Firma verlassen und bin zu VMware gegangen, als Head of Marketing für Zentral- und Osteuropa plus DACH, auch in München.“

Gemeinsam mit ihrem Mann entschloss sie sich 2014, wieder in die USA zurückzukehren. Bei Sage Software, einem ERP-Anbieter, standen große Veränderungen an. Schönleitner leitete dort das Produktmarketing und die Strategie und stellte beides auf neue Beine. Als auch diese Aufgabe gemeistert war, widmete sie sich wieder ihrem eigenen Change – immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Die Welt der Start-ups hatte es ihr angetan und sie wollte eine C-Level-Rolle in einem jungen, aufstrebenden Unternehmen übernehmen.

2017 wurde ihr angeboten, bei dem traditionsreichen Schweizer Industrie­unternehmen ABB „die Digitalisierung hochzufahren“ und für Start-up-Spirit zu sorgen. Sie war Dolmetscherin und Schnittstelle in mehrerlei Hinsicht: Einerseits war sie die einzige im Digital-Team von ABB, das im kalifornischen Palo Alto stationiert war, die Deutsch gesprochen hat, und andererseits schlug sie mit ihrer Erfahrung die Brücke zwischen Technologie und Business. Schon wieder stand eine Verlegung des Lebensmittelpunktes an.

„Ich habe mit meinem Mann – übrigens Kanadier – geredet, ob wir in die Schweiz umziehen sollen. Wir sind abenteuerlustig und haben dann einfach unser Haus in Seatt­le verkauft“, so Schönleitner, die noch immer von ihrer damaligen Aufgabe begeistert ist: „Es war super! Der Techno-Speak in San Jose auf der einen und ein klassisches industrielles Großunternehmen auf der anderen Seite. Da liegen Welten dazwischen. Aber wenn man bei den Kollegen im Hauptquartier sitzt und Verständnis aufbaut, kann man wirklich etwas schaffen.“

Und das hat sie. Für die Schweizer baute sie die globalen digitalen Partnerschaften als Teil der digitalen Strategie des Unternehmens auf. „Nach drei Jahren ist dieses digitale Team in die nächste Iteration gegangen. Das Ziel war, wie bei fast allen Firmen, dass dezentralisiert wird. Das Wissen muss überall im Unternehmen verteilt sein, damit es landet. Es war also wieder Zeit eine neue Rolle zu finden.“

Wobei eigentlich diese Rolle sie gefunden hat – es war sofort ein „Match“. 2020 war man bei der in Dornbirn gegründeten Crate.io, dem Entwickler der innovativen Datenbank CrateDB, auf der Suche nach einem CEO, um Co-Founder Christian Lutz für andere Aufgaben freizuspielen, und trat an Eva Schönleitner heran. Man kannte sich bereits durch die Zusammenarbeit mit ABB.

„In meiner derzeitigen Rolle kann ich all mein gesammeltes Wissen anwenden – funktionelle Expertise wie Sales, Marketing, Product Management sowie auch Management und Leadership. Es ist super fun und auch motivierend, die Firma professionell zu skalieren und gleichzeitig die Energie und Geschwindigkeit eines globalen Tech-Start-ups zu spüren.“ Die Begeisterung für das schnell wachsende Unternehmen und seine Lösungen, die aus ihren Worten spricht, ist echt – das sieht man am Funkeln in ihren Augen.

Mit den Bergen im Herzen
Vorarlberg liegt zum Glück nah an ihrem Wohnsitz in der Schweiz, den sie so schnell auch nicht wieder aufgeben möchte. Während ihrer Seattle-Jahre hat sie die Liebe zum Bergsteigen entdeckt, ist dort auch den Mountaineers, einem Verein mit 10.000 Mitgliedern beigetreten.

„In der Schweiz sehe ich aus dem Fenster und sehe Berge und Schnee. Da zieht es mich hinaus“, erzählt sie. Hoch oben auf den Gipfeln ist sie – sonst 24/7 mit allem und jedem verbunden – auch offline und unerreichbar. In letzter Zeit mussten die Gletscher, das Eis und der Fels, bedingt durch fast ebenso hohe Stapel an To-do-Listen, oft auf Eva Schönleitner verzichten. Doch sie hat sich vorgenommen: „Ich werde definitiv heuer einige Touren machen.“ Und was sich diese Frau vornimmt, das tut sie auch – jede Wette. (RNF)


12 FRAGEN AN EVA SCHÖNLEITNER

Was wollten Sie als Kind werden?
Managerin. 
    
Was bedeutet Glück für Sie?
Zufriedenheit im Moment.

Welche Persönlichkeit inspiriert Sie? 
Bill Gates – und zwar in zwei Aspekten. Erstens hat er es geschafft, seine technologische Leadership zu skalieren, um aus Microsoft eine der größten globalen Firmen zu machen. Und seit Mitte der 90er-Jahre verwendet Gates seinen Intellekt und sein Geld, um durch die Gates Foundation (fighting poverty, disease, and inequity around the world) globale Probleme zu lösen. Zeit und Ressourcen zurückzugeben, empfinde ich als sehr inspirierend und tue das selbst auch seit Jahren – ­natürlich innerhalb meiner Möglichkeiten.

Gibt es ein Lebensmotto, das Sie verfolgen?
Tue Gutes und inspiriere andere.

Mit wem würden Sie gerne einen Tag lang tauschen? 
Mit niemandem.

Was war Ihr bisher größter Erfolg? 
Mit drei guten Freunden einen 6.000 Meter hohen Berg in Bolivien zu besteigen.

Was ist das Verrückteste, das Sie je in ihrem Leben getan haben? 
Ich bin viermal in einem Jahr umgezogen. Das war 2017.

Worüber haben Sie zuletzt gelacht?
Einen lustigen Witz, den mir meine Mutter gestern via WhatsApp geschickt hat.

Gibt es etwas, dass Sie schon immer ausprobieren wollten, sich bisher aber nicht getraut haben?
Fallschirmspringen.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen? 
„Hoi Zäme: Schweizerdeutsch leicht gemacht“ – damit ich die Schweizer besser verstehen kann. Ich bin gerade in Konversationskursen für Schweizerdeutsch.

Was motiviert Sie, tagtäglich aufzustehen?
Ich frage mich, was ich heute der Welt zurückgeben werde.

Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie dann und ­warum?
Eine Katze – idealerweise bei mir zu Hause oder bei meiner Mutter. Die leben im Schlaraffenland.


ZUR PERSON
Internationale Karriere
Mag. Eva Schönleitner ist bereits seit mehr als 20 Jahren international in den Bereichen Technologie und Industrie tätig. Nach Stationen bei globalen Unternehmen wie IBM, Deloitte, Microsoft, VMware oder Sage Software war Schönleitner ­zuletzt mehrere Jahre lang Leiterin der digitalen Partnerschaften beim Schweizer Industrieunternehmen ABB, bevor sie 2020 als CEO zum Vorarlberger Datenbank-Unternehmen Crate.io stieß. Sie ­studierte Chemie und Mathematik an der Johannes-Kepler-Universität Linz und hält einen MBA von der Emory Universität in Atlanta, USA.