Gut geforscht ist halb gewonnen

NEW BUSINESS - NR. 11, DEZEMBER 2019/JÄNNER 2020
Die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen wird zunehmend von ihrer technologischen Leistungsfähigkeit und Innovationskraft bestimmt. © Adobe stock/Feodora

Ob der Innovationsstandort Österreich vorzeigbar ist oder nicht – das spaltet die Gemüter. Fakt ist: Die heimischen Unternehmen an der Börse geben mehr denn je ...

... für Forschung und Entwicklung aus. Doch wieso ist F&E so erfolgsentscheidend, und was können wir uns von den USA abschauen?

Es mag vielleicht nur ein kleiner Schritt sein, aber die Richtung stimmt: In Sachen globale Wettbewerbsfähigkeit ist Österreich um einen Rang auf den 21. Platz vorgerückt. Das tat das World Economic Forum in seinem im Oktober veröffentlichten Global Competitiveness Report 2019 kund. Österreich profitiere in der Rangliste vor allem von hoher makroökonomischer Stabilität, die in einer günstigen Budgetentwicklung sowie niedrigen Inflationsraten zum Ausdruck kommt. Gute Werte erzielt Österreich zudem in der Qualität traditioneller Infrastrukturen wie Straßen, Eisenbahnen, Elektrizität oder der Wasserversorgung sowie bei der Rechtssicherheit, z. B. beim Schutz geistiger und anderer ­Eigentumsrechte oder der Unabhängigkeit der Justiz. So weit, so bekannt. Eine Überraschung brachte der Report jedoch in einer Sache: Das österreichische Forschungssystem scheint besser zu sein als sein Ruf. Während die Alpenrepublik im Hinblick auf „prominente“ Forschungsinstitute zwar nur den 32. Platz einnimmt, liegt sie bei den wissenschaftlichen Publikationen unter den besten 20 Ländern und bei den Forschungsausgaben sowie den Patent­indikatoren innerhalb der Top Ten.

Börsennotierte Unternehmen investieren viel in F&E
Auch die Prüfungs- und Beratungsorganisation EY ist überzeugt davon, dass sich der Wirtschaftsstandort Österreich in puncto Forschungsintensität in Relation zu Gesamteuropa nicht verstecken braucht: Die 30 börsennotierten Unternehmen in Österreich mit den höchste F&E-Ausgaben haben ihre Investitionen diesbezüglich in den vergangenen fünf Jahren deutlich und kontinuierlich gesteigert. Im Jahr 2018 stiegen diese um sieben Prozent. Gleichzeitig sank die durchschnittliche F&E-Intensität leicht um 0,3 Prozent. Dies ist auf das starke Umsatzwachstum von zehn Prozent im Vergleich zu den F&E-Ausgaben zurückzuführen. Europaweit stieg die F&E-Intensität marginal von 4,9 Prozent auf fünf Prozent. Die Innovationsfreudigkeit spiegelt sich auch in den Ausgaben, die für Forschung und Entwicklung getätigt wurden, wider: Während die 30 österreichischen Spitzenreiter 2013 690 Millionen Euro investierten, waren es im Jahr 2018 bereits 1,217 Milliarden Euro – fast eine Verdoppelung der Ausgaben. Die höchste Investition in F&E tätigte die ams AG aus dem steirischen Premstätten. Der weltweit tätige Technologiekonzern, der in den letzten Tagen wegen der Osram-Übernahme von sich reden machte, investierte im Jahr 2018 239 Millionen Euro in Innovationen, das ist eine Steigerung von zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr. An zweiter Stelle reihte sich Voestalpine ein, die 2018 152 Millionen Euro ausgab (+ 8 % gegenüber dem Vorjahr), gefolgt von S&T, die 123 Millionen Euro investierte – rund sieben Prozent mehr als 2017.

IT-Unternehmen sind unschlagbar bei F&E-Intensität
In Österreich führt laut der EY-Studie Fabasoft im Bereich F&E-Intensität an, also in der Höhe des Anteils der F&E-Ausgaben am Umsatz – mit Ausgaben in Höhe von 24,1 Prozent des Umsatzes im Geschäftsjahr 2018. An zweiter und dritter Stelle platzieren sich ams (16,8 %) sowie Kapsch TrafficCom (14,9 %), gefolgt von S&T und AT&S. Die Top fünf werden also ausschließlich von IT-Unternehmen belegt. Den sechsten Platz sichert sich mit Zumtobel ein Unternehmen aus dem Industrie­sektor. Das Vorarlberger Unternehmen, spezialisiert auf Lichttechnik, investierte 6,1 Prozent seines Umsatzes in Forschung und Entwicklung. „Die IT-Branche investiert gut jeden achten Euro in Forschung und Entwicklung, also 12,7 Prozent. Der starke Wandel durch die Digitalisierung ist vor allem im Bereich Informationstechnologie, aber auch im Industriesektor spürbar, daher müssen nicht nur Global Player, sondern auch österreichische Unternehmen schneller reagieren und Innovationen vorantreiben, um am Markt bestehen zu können“, so Gunther Reimoser, Country Managing Partner EY ­Österreich. Während in Österreich die Sparten Informationstechnologie, Industrie und Bergbau/Metall­gewinnung am meisten in F&E-Projekte investieren, dominieren weltweit gesehen Pharmakonzerne sowie Biotechnologie die Reihung. Mit einer F&E-Intensität von 37,1 Prozent ist der US-amerikanische Pharma­konzern Celgene federführend.

F&E-Ausgaben: Europa liegt weit hinter USA
Im Gegensatz zu Österreichs Minus von 0,3 Prozent gab es bei der F&E-Intensität im gesamteuropäischen Raum von 2017 auf 2018 mit einem Plus von 0,1 Prozent auf fünf Prozent einen leichten Anstieg. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind im gleichen Zeitraum europaweit um sechs Prozent gestiegen. Global gesehen liegt der europäische Raum weit hinter den USA, holt jedoch im Vergleich mit Asien auf: Nordamerika ­steigerte seine F&E-Ausgabe innerhalb eines Jahres um 13 Prozent, Asien und der Pazifikraum um neun Prozent. Die F&E-Intensität sank in den USA leicht um 0,1 Prozentpunkte, der asiatische Raum blieb konstant und investierte 2017 ebenso wie 2018 vier Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Weltweit ist die F&E-Intensität in den Niederlanden am höchsten (7,8 %), gefolgt von den USA (7,4 %).
Allerdings befinden sich unter den ersten zehn Ländern, die im Verhältnis zum Umsatz am meisten in Forschung und Entwicklung investieren, fünf asiatische Staaten (Taiwan, Japan, China, Südkorea und Hongkong). Mit Taiwan (4,6 %) ist das erste asiatische Land an sechster Stelle im Top-Ten-Ranking vertreten. „Wie schon länger bemerkbar, werden asiatische Unternehmen zukünftig im weltweiten Innovationswettbewerb eine immer größere Rolle spielen. Für sie ist Innovation der Schlüssel zu langfristiger internationaler Wettbewerbsfähigkeit und höheren Margen. Wer wenig in Forschung, Entwicklung und Innovationen investiert, darf auf der anderen Seite auch keine großen Durchbrüche erwarten. Von diesem Ansatz können auch österreichische ­Unternehmen noch einiges lernen“, meint Reimoser.

Hohe EBIT-Marge korreliert mit F&E-Intensität
Auch die Umsätze (+ 10 % von 2017 auf 2018) und das EBIT (+ 40 % von 2017 auf 2018) sind in Österreich ­gestiegen. Speziell im Bereich Informationstechnologie zeigte sich deutlich der Zusammenhang zwischen überdurchschnittlicher F&E-Intensität und einer hohen EBIT-Marge: Unternehmen mit besonders hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung erzielten durchschnittlich eine EBIT-Marge von 14,7 Prozent. Hingegen erreichten Konzerne mit unterdurchschnittlicher F&E-Intensität nur eine EBIT-Marge von 11,7 Prozentpunkten. Diese Entwicklung zeichnet sich nicht nur im IT-Sektor, sondern auch im Bergbau und in der Metallgewinnung sowie der Industrie ab. Daraus lässt sich schließen, dass innovativere Unternehmen auch erfolgreicher sind, wie Reimoser betont: „Nicht nur weltweit, sondern auch in Österreich steigen die Investitionen in Forschung und Entwicklung. Es wird immer klarer, dass die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zunehmend von ihrer technologischen Leistungsfähigkeit und Innovationskraft bestimmt wird. Auch Anleger und Investoren legen immer größeren Wert auf diese Faktoren.“

Empfehlungen für den Innovationsstandort
Dass Innovationskraft immer wichtiger wird, das würde wohl auch der Rat für Forschung und Technologieentwicklung bestätigen. Dass Österreich – wie eingangs behauptet – auf dem richtigen Weg sei, das würde wohl kritisch hinterfragt werden. Diese Kritik gilt jedoch mehr der Politik denn den Unternehmen. Die damalige Bundesregierung hatte sich 2011 das Ziel gesetzt, bis 2020 in die Gruppe der führenden Innovationsländer vorzustoßen. Auch wenn zwischenzeitlich einiges geschehen ist, wird Österreich sein Ziel wohl nicht erreichen. Im Forschungsrat sieht man das Problem in der Diskrepanz zwischen Input und Output, empfiehlt deshalb aber nicht, mehr Geld in die Forschung zu stecken, so der stellvertretende RFT-Vorsitzende Markus Hengstschläger. Vielmehr müsse man „fragen, ob das Geld richtig ankommt und eingesetzt wird“, es brauche „eine gezieltere und klarere Output-Analyse“. Klar ist für Hengstschläger, dass im Bereich Grundlagenforschung mehr Geld im Wettbewerb vergeben werden müsse, dieser Anteil sei im Vergleich zu den führenden Forschungsnationen nicht hoch genug. Zudem müssten Ausgliederungen und Start-ups besser gefördert werden, die Voraussetzungen seien hier „nicht ideal“, verwies er auf Bürokratismus und zu wenig Risikokapital. Zudem habe die Forschung in Österreich nicht das notwendige gesellschaftliche Image.
Auf Basis des jährlich vom Rat für Forschung und Technologieentwicklung veröffentlichten „Berichts zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs“, in dem anhand von mehr als 70 Indikatoren die nationalen und internationalen Entwicklungen bewertet werden, hat der Rat auch Empfehlungen für die FTI-Politik in der kommenden Gesetzgebungsperiode, also der künftigen Bundesregierung, formuliert. Neben der generellen politischen Schwerpunktsetzung steht auch die Erarbeitung einer FTI-Strategie 2030 als Beitrag zur Erreichung übergeordneter Zielsetzungen auf gesellschaftlicher, ökonomischer und ökologischer Ebene an oberster Stelle. Zudem soll das Bildungs- und Hochschulsystem einen dementsprechenden Fokus bekommen. Aber auch die Optimierung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen, u. a. durch die Entwicklung zusätzlicher Finanzierungsmöglichkeiten für innovative Jungunternehmer und KMU, ist für den Rat von großer Bedeutung.
Für die Zukunft bleibt also zu hoffen, dass die Politik den Schwerpunkt richtig setzt und die heimischen Unternehmen weiterhin am Ball bleiben. Dann klappt es vielleicht auch mit dem Innovation-Leader. (VM)

INFO-BOX
Österreichs Forschungslandschaft
Österreichs Forschungslandschaft wird von den 22 öffentlichen Universitäten des Landes mit ihren 1.259 forschungsdurchführenden Einheiten ebenso wie von den rund 3.489 forschenden Unternehmen, vorwiegend von klein- und mittelbetrieblichen Strukturen und einigen wenigen großen Unternehmen geprägt, wobei internationale Konzerne mit ihren Headquarters in Österreich einen ­gewichtigen Beitrag zur Forschung leisten. Eine wichtige Rolle spielen auch die vielfältigen Einrichtungen der außeruniversitären Forschung, vom Austrian Institute of Technology (AIT), der größten außeruniversitären Forschungsgruppe, bis zur Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der größten Institution für Grundlagenforschung außerhalb der Universitäten. Nicht zuletzt haben auch die Bundesländer in den vergangenen Jahren ihre Aktivitäten in Forschung und Entwicklung kräftig ausgebaut und sowohl in der Forschung selbst als auch in der Forschungsförderung neue Strukturen und Instrumente geschaffen.

In welchen Sektoren wird geforscht?
Forschung findet hauptsächlich im Unternehmenssektor statt, rund 70 Prozent aller F&E-Ausgaben fallen dort an. Rund 23 Prozent der F&E-Ausgaben werden im ­Hochschulsektor abgewickelt. 5,5 Prozent der Aktivitäten entfallen auf den Sektor Staat, 0,6 Prozent auf den privaten gemeinnützigen Sektor.
(Quelle: Statistik Austria 2017)