Hightech am Hof

NEW BUSINESS Innovations - NR.11, DEZEMBER 2017/JÄNNER 2018
Mit Smart Spraying werden Herbizide nur dort aufs Feld gebracht, wo sie wirklich notwendig sind. © Bosch

Technologien aus dem Auto kommen nun auch auf dem Acker zum Einsatz. Mit Sensoren und der Bosch-IoT-Cloud vernetzt Bosch landwirtschaftliche Betriebe ...

... und erschließt mit Agrartechniklösungen einen Milliardenmarkt.

Sei es zur Unterstützung bei der Ernte, zum effizienten Einsatz von Düngemitteln oder zur Qualitätsüberwachung von Molkereiprodukten: Dass die Digitalisierung in der Landwirtschaft längst mehr als ein Hype ist, bestätigte die Unternehmensberatung PwC bereits im vergangenen Jahr. Laut der Studie „Smart Farming – Nachhaltigkeit und Effizienz durch den Einsatz digitaler Technologien“, für die 100 Ackerbaubetriebe in Deutschland befragt wurden, haben sich digitale Technologien in den Betrieben als fester Bestandteil zur Unterstützung der täglichen Arbeit etabliert. Mehr als die Hälfte der befragten Landwirte habe bereits in digitale Technologien investiert (54 Prozent). „Digitale Technologien haben die Arbeit in der Landwirtschaft verändert und tragen dazu bei, Abläufe und Personaleinsatz zu optimieren. Voll digitalisierte Erntemaschinen erleichtern die Bewirtschaftung großer Flächen; ganze Flotten digitalisierter Gerätschaften nutzen moderne Infrastrukturen wie Cloud Computing und stimmen sich untereinander ab, etwa über den Bearbeitungsstand von Teilflächen, den Bedarf an Einsatzmaterialien und die Koordinierung der Maschinen. Der Landwirt übernimmt zunehmend eine überwachende und kontrollierende Rolle“, kommentierte Ralf Hombach, Experte für Business Analytics bei PwC.
Dass sich der Technologieeinsatz lohnt, zeigen die Erfahrungen, die deutsche Landwirte in den vergangenen Jahren gemacht haben: Fast die Hälfte der Befragten berichtet über eine Steigerung der betrieblichen Prozesseffizienz von durchschnittlich elf Prozent. Gleichzeitig konnten sie die Kosten im Schnitt um sieben Prozent senken. Aber nicht nur der Landwirt profitiert von den neuen Technologien. Auch Verbraucher und die Umwelt ziehen daraus einen Nutzen, weil Ressourcen geschont werden. So berichtet knapp die Hälfte der Landwirte (48 Prozent) über Einsparungen bei Düngemitteln. 42 Prozent verwenden dank digitaler Technologien weniger Pestizide.

Mit intelligenten Technologien sorgt Bosch für effizientere Landwirtschaft
Landwirte bestimmen mit Sensoren den perfekten Zeitpunkt für die Ernte, messen per App die Bodentemperatur auf dem Kartoffelfeld oder steuern den autonomen Traktor über den Acker: Der Markt für Agrartechnik wächst weltweit und ist auch für Bosch ein lukratives Feld. Ob Antriebssysteme für Traktoren, Hydrauliklösungen für landwirtschaftliche Fahrzeuge oder vernetzte Produkte für Smart Farming: Das Unternehmen bringt Technologien aus dem Auto auf den Acker und erntet damit bereits eine Milliarde Euro Umsatz – und das Geschäft soll weiter wachsen. Bis Mitte der kommenden Dekade will Bosch den Umsatz mit Technologien für die Landwirtschaft verdoppeln. „Bosch ist mehr als Auto und Akkuschrauber. Wir bringen Hightech auf den Hof und erschließen damit einen Milliardenmarkt“, sagt Markus Heyn, Mitglied der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH.

Boschs Geschäft mit der Agrartechnik wächst
Bosch will die Landwirtschaft nachhaltiger und effizienter machen. Denn die Herausforderungen sind groß: Auf der Welt leben immer mehr Menschen – laut Schätzungen sollen es im Jahr 2025 bereits acht Milliarden sein. Um die Menschheit zukünftig satt zu bekommen, müssen mehr Nahrungsmittel angebaut werden als früher. Die Ackerfläche aber wächst nicht. Das bedeutet: Landwirte müssen auf bestehenden Flächen mehr Ertrag erwirtschaften. Während ein Landwirt im Jahr 1900 noch vier Menschen ernährte, sind es heute bereits 155, Tendenz steigend (Quelle: Rheinischer Landwirtschafts-Verband). Ein Schlüssel für mehr Ertrag und mehr Effizienz auf dem Acker ist die Vernetzung. Laut Studien soll der Markt für digitale Landwirtschaft weltweit von derzeit 3,5 Milliarden Euro auf sechs Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 wachsen (Quelle: BIS Research). Smart Farming und die Vernetzung der Landwirtschaft katapultieren den Bauernhof in die Zukunft – und treiben auch bei Bosch neue Technologien voran. „Mit dem Internet der Dinge und der Bosch-IoT-Cloud machen wir den Bauernhof digital“, sagt Heyn. Wie nur wenige Industrieunternehmen bringt Bosch dafür das nötige Know-how in Software, Sensorik und Services mit. Von der Vernetzung des Felds bis hin zum Fuhrpark: Die Lösungen von Bosch entlasten den Landwirt im Arbeitsalltag und helfen dabei, die Ernte zu optimieren oder Betriebsabläufe effizienter zu machen. Dabei macht sich Bosch auch sogenannte MEMS-Sensoren, die für PKW entwickelt wurden, für die Landwirtschaft zunutze: Sie messen relevante Werte wie Temperatur und Feuchtigkeit und übertragen diese via Cloud auf das Smartphone des Landwirts. Mithilfe einer App hat dieser seine Pflanzen jederzeit und überall im Blick, ohne dass er selbst auf dem Feld nach dem Rechten sehen muss. Der Landwirt spart so Zeit und steigert Qualität und Ertrag seiner Produkte. Ein weiterer Service, der mit der Bosch-IoT-Cloud realisiert werden kann: die Vernetzung von Landmaschinen. Auf Basis von Daten aus den Fahrzeugen können so Störungen vorhergesagt und rechtzeitig behoben werden, damit es gar nicht erst zum Ausfall oder zu einer teuren Reparatur kommt.

Sprühen und sparen
Bosch erleichtert nicht nur die Arbeit des Landwirts und sorgt für mehr Ertrag, sondern macht Landwirtschaft auch umweltfreundlicher. Gemeinsam mit Bayer entwickelt Bosch in einer Forschungskooperation die Smart-Spraying-Technologie. Mithilfe von Kamerasensoren kann sie Nutzpflanzen von Unkraut unterscheiden und Herbizide zielgerichtet auf Unkräuter sprühen – blitzschnell in einem Arbeitsgang. „Durch Smart Spraying macht sich Unkraut nachhaltig vom Acker. Das sichert den Ertrag und schont gleichzeitig die Umwelt“, sagt Heyn.
Boschs System-Know-how macht auch den Arbeitsplatz Landmaschine effizienter und komfortabler. Durch die Smart Cab, die Bosch als Mitglied des CAB-Conceptcluster mitentwickelt hat, werden landwirtschaftliche Fahrzeuge zur vernetzten Schaltzentrale auf dem Feld. Ob Fahrzeug, Kamera oder Drohne: Sämtliche Komponenten können in der Smart Cab miteinander interagieren. So schicken Kameradrohnen ein aussagekräftiges Bild über den Zustand der Feldpflanzen via Cloud in die Fahrerkabine oder der Fahrer wird durch die Objekterkennungskamera vor lebenden Hindernissen wie einem Reh gewarnt. Über einen Feature Store können Fahrzeugnutzer bestimmte Funktionen „over-the-air“ direkt in die Maschine laden. So lassen sich je nach Wetterbedingungen oder Bodenbeschaffenheit beispielsweise Einstellungen an den Spritzdüsen vornehmen.

Damit die Milch nicht sauer wird
Auch Molkereien und Milcherzeuger werden von Bosch bei der herausfordernden Qualitätssicherung unterstützt, denn der Weg von der Kuh bis zum Verbraucher ist in der Regel relativ lang. In Tanks wird die Milch bis zu drei Tage gelagert, ehe sie ins Kühlregal kommt oder weiterverarbeitet wird. Das ist mit hohen Risiken verbunden: Keimbelastung und saure Milch führen zu Ertragsverlusten für den Landwirt. „Der Milchtank verfügt über mehrere Öffnungen, die mit Gummikappen verschlossen werden. Diese Gummikappen rüsten wir mit einem Infrarotsensor aus und sammeln Messdaten“, sagt Thijs Verploegen, der zuständige Produktmanager. Die Daten werden an die Bosch IoT Cloud gesendet, dort verarbeitet und direkt an das Smartphone des Milcherzeugers übertragen.

Ältere Tanks lassen sich einfach nachrüsten
Der Sensor misst die Temperatur der Milch. Daraus lässt sich unter anderem ablesen, ob die Milch richtig gelagert wird: Ist das Rührwerk defekt, wird die Milch nicht mehr gleichmäßig gekühlt. „Entscheidend ist, dass Rührwerk, Reinigung und Kühlung richtig funktionieren und die Milchtemperatur nicht mehrere Stunden auf über vier Grad Celsius steigt“, erklärt Verploegen. „Denn dann würde die Keimbelastung steigen, die Milch wäre ungenießbar.“ Die App alarmiert den Landwirt, wenn die Kühlung ausfällt. So kann er rechtzeitig eingreifen, bevor die Milch sauer wird. Die Daten können mit Molkereien und Tankwagenfahrern geteilt werden. So erkennen sie auf einen Blick, ob die Qualität der Milch in Ordnung ist. Und noch einen Vorteil bringt das Milchüberwachungssystem mit sich: Es lässt sich in jedem Milchtank anbringen – unabhängig vom Modell, dem Hersteller oder dem Alter des Tanks. Damit lassen sich auch ältere Milchtanks mit geringen Investitionen auf den neuesten technischen Stand bringen.

Lösungen für die Landwirtschaft 4.0
Die neue Sensorlösung passt gut in das Portfolio der Produktfamilie Deepfield Connect. Es bietet vernetzte Lösungen für die Landwirtschaft 4.0. Das Grundprinzip lässt sich auf eine große Bandbreite landwirtschaftlicher Erzeugnisse anwenden. Es basiert auf Sensoren, die Mikroklimadaten wie Temperaturen sowie Luft- und Bodenfeuchtigkeit auf den Feldern messen. Die Messwerte werden über einen Sender via Funk an die Bosch-IoT-Cloud übertragen. Von dort werden die Informationen zur Deepfield-Connect-App auf das Smartphone des Landwirts geschickt. Er hat den Zustand seiner Pflanzen somit jederzeit im Blick, ohne selbst auf dem Feld sein zu müssen. So weiß der Landwirt etwa schon, bevor die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen, dass Frost droht, und kann die Pflanzen abdecken oder eine andere geeignete Maßnahme ergreifen. Aus dem Verlauf der Temperatur- und Luftfeuchtigkeitswerte kann er ablesen, ob alles im grünen Bereich ist oder ob die Gefahr einer Pilzerkrankung besteht und die Bewässerung angepasst werden sollte. Der Landwirt spart Zeit und erhöht seine Erträge. Neben Spargel und Erdbeeren lässt sich das System seit diesem Jahr auch für weitere Obst- und Gemüsesorten sowie für den Anbau von Wein einsetzen. (BO)