Lena Schweinberger (li.), Betriebslogistikerin im dritten Lehrjahr aus dem Logistikzentrum Tirol in Stans, mit HR-Business-Partnerin und Lehrlingsbeauftragter Katharina Zobel (re.) © Dachser
In der einstmals männerdominierten Welt der Lagerhallen zählen heute weniger Muskeln als vielmehr Köpfchen und Präzision.
Pionierinnen wie Carmen Tatzber und Lena Schweinberger zeigen, warum die Branche ihre Geschlechterklischees über Bord werfen sollte.
Wenn Carmen Tatzber morgens das Logistikzentrum Wien von Dachser in Himberg betritt, ist sie längst keine Ausnahmeerscheinung mehr. Vor fünf Jahren war sie die einzige Frau im Transit Terminal, heute arbeiten dort acht Frauen – ein klares Signal für den kulturellen Wandel. „Insofern stimmt das Klischee vom Lagerarbeiter absolut nicht. Wir Frauen werden in jeder Sparte gebraucht“, so die 30-jährige Transit Terminal Trainerin.
Tatzbers eigener Werdegang zeigt die Vielfalt moderner Logistikkarrieren: Nach AHS-Matura und begonnenem Studium in Publizistik, Germanistik und Englisch schien ihr Weg vorgezeichnet. Doch ein Praktikum im Lager änderte alles. „Ich hätte nie gedacht, dass Logistik so vielseitig ist. Präzision, Tempo und Team-Spirit haben mich sofort gepackt“, erinnert sie sich. Heute koordiniert Tatzber Schulungen, führt Qualitätskontrollen durch und betreut das automatisierte Sortiersystem. Als Mentorin und Qualitätstrainerin formt sie eine neue Generation von Logistiktalenten – unabhängig vom Geschlecht.
„Zu zierlich für den Job“ war gestern
Lena Schweinberger aus dem Logistikzentrum Tirol in Stans ist im dritten Lehrjahr zur Betriebslogistikerin und liebt die Freiheit und Verantwortung, die sie in ihrem Berufsalltag erlebt. Sie wählte bewusst das Lager statt des Schreibtischs. Die zierliche junge Frau musste anfangs mit skeptischen Blicken kämpfen. „Viele dachten, ich würde das körperlich nicht schaffen“, erinnert sie sich, „Aber ich wollte mir und anderen beweisen, dass das Geschlecht keine Rolle spielt.“
Ihre Affinität zum Handwerklichen entdeckte Schweinberger bereits in ihrer Kindheit, als sie ihrem Vater bei verschiedenen Projekten half. „Schon damals habe ich gelernt: Selbst ist die Frau!“ Diese Einstellung hat sie durch ihre gesamte Karriere begleitet – vom Lehrling bis zur angehenden Lagertrainerin. Den anfänglichen Zweifeln ihrer Kollegen begegnete sie mit Kompetenz und Durchhaltevermögen. „Es zählt nur, was man kann, nicht, wer man ist“, betont sie.
Technik statt Muskeln
Was in den Dachser-Lagerhallen in Himberg passiert, spiegelt den Wandel der Branche wider. „Vor 20 Jahren war ein Lagerarbeiter ein Kraftpaket mit Rückenproblemen mit 45“, erklärt Tatzber. Hydraulische Heber, Exoskelette und intelligente Software haben viele der früher rein körperlich anspruchsvollen Arbeiten erleichtert. „Früher schleppte man 50-Kilo-Säcke, heute steuert man Prozesse“, erklärt Tatzber. Präzision und technisches Verständnis entscheiden über Erfolg – völlig unabhängig von Körpergröße oder Geschlecht. Diese Entwicklung gestaltet die Lagerarbeit vielfältiger und erschließt neue Talente.
Vielfalt gewinnt
Doch es geht um mehr als nur technische Hilfsmittel. „Diverse Teams arbeiten anders, oft effizienter“, erklärt Tatzber, während sie ihre Kolleginnen und Kollegen bei der täglichen Einsatzplanung beobachtet. Sie hat festgestellt, dass gemischte Teams häufig kommunikationsstärker sind und Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. „Männer und Frauen ergänzen sich mit unterschiedlichen Blickwinkeln – das fördert innovative Lösungen und schafft ein harmonisches Arbeitsumfeld.“
Für Logistikunternehmen wird die Öffnung für Mitarbeiterinnen zunehmend zum wirtschaftlichen Faktor. In Zeiten des Fachkräftemangels kann es sich kein Betrieb mehr leisten, potenzielle qualifizierte Mitarbeiterinnen aufgrund veralteter Vorstellungen zu übersehen. Die Logistikbranche, die europaweit unter Personalmangel leidet, entdeckt in Frauen ein bisher unzureichend genutztes Potenzial. Vorreiter wie Dachser haben erkannt, dass Diversität ein Wettbewerbsvorteil sein kann.
Die Branche öffnet sich
„Wichtig ist, auf sich selbst zu hören und den eigenen Weg zu gehen“, gibt Schweinberger jungen Frauen mit auf den Weg, die mit dem Gedanken spielen, in die Logistikbranche einzusteigen. Sie selbst hat erlebt, wie bereichernd es sein kann, Klischees zu durchbrechen und neue Territorien zu erobern. „Der Stolz, wenn man am Ende des Tages sieht, was man bewegt hat – im wahrsten Sinne des Wortes – ist unbeschreiblich.“
Die Veränderungen gehen inzwischen weit über einzelne Erfolgsgeschichten hinaus. Immer mehr Logistikunternehmen entwickeln gezielte Programme, um Frauen für die Branche zu begeistern. Von speziellen Ausbildungskonzepten bis hin zu flexiblen Arbeitszeitmodellen – die Branche erkennt, dass sie sich wandeln muss, um zukunftsfähig zu bleiben. Tatzber und Schweinberger stehen stellvertretend für eine neue Generation von Betriebslogistikerinnen, die mit Kompetenz, Engagement und Teamfähigkeit überzeugen. (RNF)