Automatisierte Digitalisierung

NEW BUSINESS Guides - AUTOMATION GUIDE 2017
Gerade das Thema Service und Wartung profitiert von der smarten Fabrik. Je stärker die Systeme vernetzt und mit Sensoren ausgestattet sind, desto effizienter lässt sich Predictive Maintenance umsetzen © Fotolia/psdesign1

Neue Entwicklungen in der smarten Fabrik

Die digitale Transformation der Fertigungsbranche erfordert das Zusammenspiel von neuen Informations- und Kommunikationstechnologien mit modernen ­Fertigungsverfahren sowie den konsequenten Einsatz dieser Technologien in allen Phasen – vom Entwurf über die Produktion und das Management bis zum Service.

Smarte Fabriken sind heute keine bloße Vision mehr, stattdessen befinden sich zunehmend mehr fertigende Unternehmen dabei, ihre Produktion „smart“ zu gestalten. Wenig Wunder, das Versprechen der Visionäre und Anbieter ist verlockend – mehr Effizienz, höhere Flexibilität und Kostenvorteile. So könnten Investitionen in intelligente Fabriken (Smart Factorys) in den nächsten fünf Jahren zu einer Effizienzzunahme von 27 Prozent in der Herstellung führen, wie Capgemini in einem Bericht des eigenen Digital Transformation Institute (DTI) aufzeigt. Das entspräche einem Wertbeitrag zur globalen jährlichen wirtschaftlichen Wertschöpfung von rund 500 Milliarden US-Dollar.
Häufig als Grundbaustein der „digitalen Indus­trierevolution“ beschrieben, verwendet eine intelligente Fabrik digitale Technologien wie das Internet der Dinge, Big-Data-Analytics, künstliche Intelligenz und fortgeschrittene Robotertechnik, um damit die Produkti­vität, Qualität und Flexibilität zu steigern. Typisch für eine smarte Produktion seien laut den Studienautoren vernetzte Roboter, Augmented-Reality-Komponenten und Maschinen, die bei Wartungsbedarf selbstständig entsprechende Benachrichtigungen verschicken. Laut dem Bericht würden Hersteller bis zum Ende des Jahres 2022 erwarten, dass 21 Prozent ihrer Werke „smart“ sein werden. Branchen wie Luftfahrt und Verteidigung, industrielle Fertigung oder die Automobilbranche, in denen Menschen Hand in Hand mit intelligenten Maschinen arbeiten, seien Capgemini zufolge Vorreiter der Umstellung.
„Die Studie verdeutlicht, dass wir uns jetzt in der digitalen Revolution befinden. Der Einfluss auf die Gesamteffizienz wird enorm sein“, erklärt Michael Danninger, Head of Product Industries Sector bei Capgemini. Die Digitalisierung von Fabriken sei Pflicht, nicht Kür. Als Ergebnis stetiger Verbesserungen in der Produktivität, Effizienz und Flexibilität würden smarte Fabriken beispielsweise „erheblich“ von der Senkung der Betriebskosten profitieren. Laut dem Capgemini-Bericht könnte etwa der durchschnittliche Automobil­hersteller seine Gewinnmarge mithilfe verbesserter Logistik und vergünstigter Materialkosten, Anlageneffektivität und optimierter Produktionsqualität um rund 36 Prozent steigern. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, habe daher die Mehrheit der Industrieunternehmen bereits mit der Digitalisierung ihrer Werke begonnen. So hätten lediglich 16 Prozent angegeben, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt keine Smart-Factory-Strategie erarbeitet oder für die nahe Zukunft geplant hätten.

Schneller zu digitalen Ergebnissen
Da die Hersteller ihre Bestrebungen in Sachen Smart Factory nach wie vor erhöhen und die Erträge steigen, prophezeit Capgemini weitere Investitionen in die Digitalisierung. Im besten Fall könnte die Hälfte der Fabriken bis zum Ende des Jahres 2022 smart sein und die gesteigerten Produktivitätsgewinne damit einen Wertbeitrag von bis zu 1.500 Milliarden Dollar zur Weltwirtschaft beitragen. „Die nächsten fünf Jahre werden entscheidend sein, da Hersteller ihre digitalen Fähigkeiten ausbauen und damit schneller zu digitalen Ergebnissen zum Vorteil der Firma gelangen.“
„Die Transformation von Geschäftsprozessen hält Einzug in Fabrikhallen. Die Möglichkeiten, die sich unter der Wortwolke ‚Digitalisierung‘ ­präsentieren, sind unendlich. Im Servicemanagement geht es aber nicht in erster Linie um die Einführung neuer Technologien, sondern um die Weiterentwicklung und Integration von Geschäftsprozessen und -partnern“, meint auch Stefan Holub vom Beratungsunternehmen SRB Consulting Team. Ziel sei es, für alle einen Mehrwert zu schaffen. Also von den Maschinen über die Servicepartner bis hin zum Endkunden.
In der Studie „Industrie 4.0 in Österreich“ hat das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie den aktuellen Kenntnisstand und die Einstellung zur digitalen Transformation in heimischen Unternehmen untersucht. Die Resultate würden, sagt Holub, zeigen, dass die Entwicklung nicht als Revolution, sondern als Evolution gesehen und die Umsetzung in der industriellen Produktion stufenweise angegangen werde. „Die digitale Transformation wird hier als Synonym für die Verbesserung der Produkt- und Serviceseite verstanden. Doch werden für die Umsetzung reguläre Reinvestitionszyklen herangezogen.“ Dass damit die Gefahr besteht, die aktuellen Chancen zu verschlafen und damit international an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, liegt laut Holub „auf der Hand“. Denn eine klare Datenstrategie und die Nutzung von Cloud-Infrastrukturen stünden bei der Mehrheit ohnehin „auf der Tagesordnung“. Die Grundlage für ein smartes Service­management sei damit bei den meisten Produk­tionsunternehmen bereits gelegt.

Transparente Daten entlang der Prozesskette
„Smartes“ Servicemanagement sei optimiert, nahtlos und transparent entlang der Serviceprozesskette. „Es reduziert Kommunikation und Koordination, stabilisiert Prozesse, reagiert rasch auf Vorfälle und macht die Instandhaltung von Produktionsmaschinen planbar.“ Die Umsetzung geschehe durch die digitale Anbindung und die Analyse zentraler Maschinendaten über verschiedene Ebenen mit der Integration des ERP-Systems. Dies sei Übersetzungsarbeit, denn die Maschine kommuniziere direkt mit der Cloud via Sensorik. „Jetzt gilt es, diese konkreten Aussagen zu übersetzen und auf Musterabweichungen zu analysieren – auf den aktuellen Zustand sowie vorhersehbare, bevorstehende Veränderungen.“
Dieser vertikale End-to-End-Serviceprozess inte­griert verschiedene Nutzerkreise und Geschäftspartner, was einerseits Flexibilität und Geschwindigkeit im Unterhalt und Betrieb garantiert und andererseits gleichzeitig Kosten reduziert. „Unterschiedlichen Akteure haben unterschiedliche Erwartungen und Interessen. Diese konkret abzustimmen, ist Voraussetzung dafür, dass die Analysen aus der Cloud die relevanten Informationen für Effektivität und Effizienz bringen. Denn die Anforderungen – und die daraus entstehenden Möglichkeiten für innovative Geschäftsmodelle und -prozesse – sind je nach Nutzerkreis unterschiedlich.“ Die drei wesentlichen Akteure für ein industrialisiertes Servicemanagement würden laut Holub vom Maschinenhersteller über den ­Servicepartner bis zum Endkunden reichen. Deren Vernetzung ermögliche Transparenz und Geschwindigkeit über den gesamten Service­prozess, entsprechend einem innovativen Wettbewerbsvorteil. Zudem seien Produktionsunter­nehmen für ihren geschäftlichen Erfolg auf einen nahtlosen Betrieb angewiesen. Die Berechenbarkeit der Wirtschaftlichkeit ihrer Anlagen sei „daher Pflicht“. „Die Transparenz über Service­kosten – monetärer und nicht-monetärer Art – ist die Voraussetzung, die mit einem industrialisierten Servicemanagement geschaffen wird.“

Optimierte Ersatzteilhaltung seitens der Hersteller
Hersteller könnten zudem aus den Datenanalysen heraus Ersatzteilhaltung und Serviceeinsätze optimieren. Dabei sei es möglich, das Servicedesign an die effektiven Anforderungen der Kunden anzupassen und neue Erkenntnisse in den Bau der Anlagen einfließen zu lassen. Nahtloser Betrieb sei durch die Transparenz des aktuellen Status der Maschine und des zukünftigen Unterhaltbedarfs möglich. So könnten Servicepartner rascher eingreifen, vorausschauender handeln und genauer planen. „Für sie optimiert sich dadurch der Einsatz von personellen Ressourcen bei gleichzeitiger Erhöhung der Serviceleistung am Kunden: Dienstleistungen können aufgrund effektiver Bedürfnisse aktiv angeboten werden. Auch die Anbindung digitaler Service- und Ersatzteil­kataloge schafft Geschwindigkeit und verbesserte Planbarkeit.“ Insbesondere seit der Einführung von HTML5 und dem dazugehörigen WebGL seien laut Holub „neue Standards im Bereich des Ersatzteilmanagements“ geschaffen worden. „Auf Basis der Technologie ist es nun möglich, 3D-Objekte direkt, ohne Plug-in-Installation, im Browser anzuzeigen und in interaktive elektronische Ersatzteilkataloge und in weiterer Folge Serviceportale zu integrieren.“ Dies gebe Servicetechnikern die Möglichkeit, erforderliche Ersatzteile für Instandhaltung und Instandsetzung zu identifizieren, über einen Warenkorb in die Prozesskette zu übernehmen und etwaige Ausfallzeiten zu reduzieren. „So innovativ industrialisiertes Servicemanagement ist, so rasch lässt es sich heute bereits realisieren. Eine Umsetzung innerhalb weniger Wochen Durchlaufzeit von der Konfiguration bis zur Datenübertragung ist machbar. Die einfache Integration von ERP-Systemen, eine offene Schnittstellenarchitektur und die flexible Konfiguration gehören hier ebenso dazu wie die einfache und mobile Zugänglichkeit für Hersteller, Servicepartner und Kunden. Denn offen, nahtlos und transparent ist auch die Voraussetzung für die erfolgreiche technische Umsetzung“, so Holub.

Entwicklungsabläufe im Sinne der Kunden beschleunigen
Ein Weg, den auch andere Hersteller verfolgen. So präsentierten Schneider Electric und Accenture auf der Hannover Messe die Schneider Electric Digital Services Factory. Die virtuelle Fabrik ermöglicht es dem Automationsspezialisten ­Schneider Electric, die Entwicklungszeit für neue Dienste – etwa für Predictive Maintenance, Asset-Management und Energie-Optimierung – deutlich zu verkürzen, wie Cyril Perducat, Executive Vice President of IoT & Digital Transformation bei Schneider Electric, erklärt.
Die Digital Factory, über die Daten aus Millionen von vernetzten Maschinen und Produkten bei Schneider Electric und seinen Kunden zusammenlaufen, werde gemeinsam von Experten von Schneider Electric und Accenture betrieben. Sie beschleunige sämtliche Entwicklungsabläufe von der Ideenfindung bis zur Industrialisierung und Markteinführung.
Das Leistungsspektrum sei vielfältig – außer der Generierung neuer Ideen und dem Entwickeln sowie Testen potenzieller Angebote unterstütze die Factory auch die Umsetzung und Skalierung neuer Lösungen mit sämtlichen hierfür erforder­lichen Analytics- und IoT-Fähigkeiten. Bei der Entwicklung der Digital Factory habe Accenture sowohl seine Kompetenzen in der strategischen und technischen Beratung wie auch im Change-Management eingebracht. „Wir treiben die Digitalisierung unseres Geschäfts voran, und die Digital Factory wird unsere Anstrengungen signifikant beschleunigen“, unterstreicht Perducat. „Dank neuer Fähigkeiten wie Analytics, Design-Thinking, Rapid-Service-Prototyping und Iteration sind wir nun in der Lage, neue Dienstleistungen viel, viel schneller auf den Markt zu bringen.“

Betriebe zeigen teilweise nur geringe Innovationskraft
Eine Studie von Accenture zeige, dass fertigende Industrieunternehmen zwar von der zukünftigen Bedeutung digitaler Technologien überzeugt seien, aber dennoch Gefahr liefen, Marktanteile und Gewinn einzubüßen. Das liege darin begründet, dass sie nicht ausreichend digital aufgestellt seien und nur über eine geringe Innovationskraft verfügten. Während zwei Drittel der von Accenture befragten Industrieunternehmen angegeben hätten, die Auswirkungen digitaler Disruption bereits zu spüren, seien umfassende Investitionen in diesem Bereich bei der Hälfte von ihnen bisher nicht Teil der übergeordneten Geschäftsstrategie. „Schneider Electric verfolgt das Ziel, 80 Prozent der Zeit einzusparen, die zwischen der Produktidee und der Markteinführung liegt“, erklärt Karim ­Chaabouni, Managing Director in der Industrial Practice bei Accenture. „Sie wollen Innovationen auf allen Ebenen zugänglich machen – von vernetzten Produkten über die Kontrolle der Netzwerkperipherie bis hin zu Analytics, Apps und Dienstleistungen. Mithilfe von Accenture und der neuen Factory wird ihnen genau das gelingen.“

Roboter kooperieren mit der Cloud
SAP und KUKA werden künftig als strategische Partner im Bereich Industrie 4.0 und Industrial Internet of Things (IIoT) zusammenarbeiten, um die Flexibilisierung und Automatisierung von Produktionsprozessen voranzutreiben. Durch die Zusammenarbeit sollen Synergien in ihren weltweiten Zielmärkten genutzt werden, vor allem in den Bereichen Manufacturing, Maschinenbau und Automotive. Die Unternehmen planen, KUKA-Roboterapplikationen auf Basis der SAP-eigenen Leonardo IoT Platform bereitzustellen. Die Roboter sollen hierfür in die Cloud Platform integriert werden, um deren bereitgestellte ­Informationen im Rahmen von Condition-Monitoring- und Predictive-Maintenance-Szenarien auszuwerten. Darüber hinaus plane KUKA, ­ausgewählte SAP-Technologiekomponenten als Bestandteil der KUKA-eigenen connyun IoT Platform einzusetzen.
Mit dieser Strategie wollen die Unternehmen laut eigenen Angaben „gemeinsam die Industrie“ unterstützen. Durch das breit gefächerte Leonardo-Portfolio bringt SAP eine Vielzahl von Standardlösungen zur Unterstützung von Indus­trie-4.0- und IIoT-Szenarien in die Partnerschaft ein. KUKAs Expertise bei intelligenten Automatisierungslösungen ergänzt diese Szenarien ideal im Sinne gemeinsamer Kundenanforderungen. „Durch die nahtlose Integration der Automatisierungslösungen von KUKA und ausgewählter Lösungen aus unserem SAP-Leonardo-IoT- und Manufacturing-Portfolio können wir einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, eine engere Verzahnung von Top- und Shop-Floor in der ­Fertigungsindustrie voranzutreiben und damit gemeinsame Kunden bei der Gestaltung einer hoch automatisierten, digitalen Fabrik der Zukunft zu unterstützen und sie auf ihrem Weg zur digitalen Transformation zu begleiten“, erklärt Tanja Rückert, Executive Vice President für die Business-Unit IoT & Digital Supply Chain bei SAP.
„KUKA macht seine Maschinen und Anlagen immer intelligenter und smarter und ergänzt diese durch innovative Softwarelösungen“, ergänzt Christian Schlögel, Chief Digital Officer der KUKA AG. „Wir setzen auf eine Doppelstrategie: Wir binden die KUKA-Roboter auf SAPs Cloud Platform und SAPs Leonardo IoT Platform an. Gleichzeitig soll die connyun-Industrie-4.0-Plattform unseres gleichnamigen Start-up-Unternehmens mit SAP-Technologiekomponenten und SAP-Businessapplikationen ergänzt werden. Auf diese Weise können wir uns auf alle Kundenanforderungen optimal einstellen und den Kunden bei seiner digitalen Transformation unterstützen.“ (TM)
www.at.capgemini.com
www.srb.at
www.sap.de
www.kuka.com