Es sei unklar, ob nach März noch Forderungen angenommen werden © APA - Austria Presse Agentur
Der Rechtsanwalt Eric Breiteneder, der in Österreich Geschädigte des Wirecard-Skandals vertritt, empfiehlt Betroffenen, ihre Forderungen im Konkurs der Wirecard AG noch bis Ende März anzumelden. Im Insolvenzverfahren in München finde am 7. April die nächste Prüfungstagsatzung statt und sei es unklar, ob danach noch Forderung angemeldet werden können, sagte Breiteneder am Montag vor Journalisten in Wien.
Vor kurzem hat das Oberlandesgericht (OLG) Wien entschieden, dass für die Klage eines von Breitenender vertretenen Aktionärs gegen einen früheren Wirecard-Aufsichtsrat und gegen die Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit Sitz in München das Handelsgericht Wien zuständig ist. "Diese Entscheidung ist vollstreckbar, aber noch nicht rechtskräftig", sagte Breiteneder, "weil EY noch die Möglichkeit hat, ein außerordentliches Rechtsmittel zu ergreifen, davon gehen wir auch aus."
"Es gibt als Rechtsmittel den außerordentlichen Revisionsrekurs, den müssen sie jetzt relativ bald, in zwei Wochen, einbringen. Dann wird uns die Rekursbeantwortung aufgetragen." In diesem Fall werde man Vorlagefragen an den EuGH richten.
"Wie das ausgeht, wissen wir nicht", sagte Breiteneder, aber in Österreich könnte das Verfahren wesentlich schneller abgeschlossen werden als in Deutschland, "im Vergleich zu den Verfahren, die ich bisher in Deutschland erlebt habe - das ist Telekom, das ist Volkswagen-Aktionäre, Volkswagen-Anleiheinhaber, da reden wir von zehn Jahren plus der Verfahrensführung. Ich halte es in Österreich jedenfalls für möglich, dass wir innerhalb von drei bis vier Jahren rechtskräftige Entscheidungen von einem Obergericht haben."
Die Kläger werfen dem Ex-Aufsichtsrat vor, seine Aufsichtspflicht verletzt zu haben. EY soll die Anleger durch die falsche Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerkes insbesondere für den Jahresabschluss 2018 geschädigt haben. Eine Haftungsbeschränkung des Abschlussprüfers gebe es nur gegenüber dem Unternehmen. "Wir reden von einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung oder Beteiligung daran, da gibt es meines Wissens keine Beschränkungen." Geklagt habe man die Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, sagte Breiteneder. "Das ist ein deutsches Unternehmen mit einem bestimmten Stammkapital. Möglicherweise wird es für uns schwierig sein, Ernst & Young Global haftbar zu machen. Es könnte sein, dass der Haftungsfonds der deutschen Gesellschaft möglicherweise nicht ausreicht, alle Schäden selbst im erfolgreichen Führen dieser Streitigkeiten zu bedienen."
Breiteneders Kanzlei hat eine elektronische Plattform (www.wirecardclaims.com) eingerichtet, über die sich Geschädigte Investoren registrieren können. "Wir haben bisher rund 2.150 private und institutionelle Wirecard-Geschädigte, die sich bei uns registriert haben", sagte Claudia Diermayr, die sich in der Kanzlei fast ausschließlich mit Wirecard beschäftigt. "Diese 2.150 Geschädigten haben eine Schadenssumme von rund 100 Mio. Euro." Bisher habe man rund 900 Forderungsanmeldungen in München eingebracht.
"Aufgrund der bisherigen Äußerungen des Insolvenzverwalters ist mit einer Quote im niedrigen zweistelligen Bereich zu rechnen", sagte Diermayr. Laut Breiteneder werden etwa 10 Prozent herausschauen. Davon getrennt zu betrachten seien die Haftungen von Abschlussprüfern und Aufsichtsorganen, "hinter denen natürlich eine Haftpflichtversicherung steht, mit einer Versicherungssumme von zumindest 300 Mio. Euro", so Breiteneder.
"Was mir bei Wirecard komisch aufstößt: dass niemand gefragt hat, was da eigentlich los ist in der Firma", wundert sich Cornelius Gronig, der sich in seinem Buch "Böses Geld" mit Betrügereien in der Fintech- und Krypto-Welt befasst hat. So habe Wirecard immer wieder auf prominente Kooperationspartner und Kunden wie die ÖBB, die Österreichische Post oder die Casinos Austria verweisen können. Aber Wirecard habe auch Kredite aus Österreich erhalten. "Beispielsweise mein früherer Arbeitgeber, Raiffeisen Bank International oder die Raffeisen-Gruppe, gehört ja auch zu den sehr, sehr stark Geschädigten von Wirecard, da man einerseits hohe Kredite vergeben hat an Wirecard und andererseits, weil auch die am 19. Februar 2020 verkündete Kooperation der Raiffeisen Bank International mit Wirecard kurz vor dem Ende von Wirecard natürlich nicht aufgegangen ist." Die Raiffeisenlandesbank Wien habe an Wirecard 60 Mio. Euro an Krediten vergeben, die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich 45 Mio. Euro. Laut Bloomberg habe auch die Raiffeisenbank in Salzburg 20 Mio. Euro Kredit an Wirecard vergeben. Das seien noch einmal über 100 Mio. Euro, also mehr, als bei der Plattform von Breiteneder angemeldet wurde.
Breiteneder schätzt, dass es in Österreich rund 10.000 Geschädigte gibt. Aber nur sehr wenige, nur fünf bis zehn Prozent der Geschädigten, würden etwas unternehmen um noch zu ihrem Geld zu kommen. Man sei deshalb mit 13 Geschädigten, die eine Rechtsschutzversicherung haben, vor Gericht gegangen. "Wir sind am Beginn der Aufarbeitung dieses Schadens und arbeiten jetzt einmal mit Musterverfahren.