Die AK fordert mehr Personal und Budget für das Arbeitsmarktservice © APA - Austria Presse Agentur

Der Arbeitskräftemangel ist zum Teil selbst verschuldet, da die "stille Reserve" aus Personen, die arbeitswillig aber nicht suchend sind, sowie unterbeschäftigten Teilzeitkräften nicht genutzt wird. Das ist das Ergebnis einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes Wifo für die AK. Demnach gibt es mehr Menschen in der stillen Reserve und in ungewollter Teilzeit als Arbeitslose. Insbesondere Frauen und Migranten würden in Teilzeit gedrängt.

Gleichzeitig nehme auch die Aus- und Weiterbildungsbereitschaft der Unternehmen ab. "Aber wer Fachkräfte braucht, muss sie auch ausbilden", so Silvia Hofbauer, Leiterin der AK-Abteilung Arbeitsmarkt. Es gehe darum, an mehreren Schrauben zu drehen. "Neben guten Arbeitsbedingungen und fairer Bezahlung geht es zum Beispiel auch um die öffentliche Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen, bezahlbaren Wohnraum oder soziale Infrastruktur wie Kinderbetreuung", meinte sie. Sie forderte die Regierung auf, das AMS personell und finanzielle so auszustatten, damit die stille Reserve auch gehoben werden können. Versuche, dies mit Druck zu bewerkstelligen, seien "der falsche Ansatz".

Für AK-Ökonomen Markus Marterbauer ist klar, dass die Arbeitskräfteknappheit die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bevölkerung deutlich verbessern, den Strukturwandel beschleunigen und den Wohlstand erhöhen könnte. "Zu diesem Zweck brauchen wir eine Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, die die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Fokus rückt - weg von der Mentalität 'jeder Job ist besser als kein Job' hin zu einer Politik der 'guten und sinnvollen Arbeitsplätze für alle'", betonte Marterbauer. Für ihn ist die Studie ein Appell an die Regierung und die Sozialpartner in einer Arbeitsgruppe nach Integrationslösungen zu suchen.

Wifo-Wirtschaftsexperte Helmut Mahringer verwies ebenfalls auf das "erhebliche Arbeitskraftpotenzial" das Österreich noch habe und mahnte Maßnahmen ein. "Häufig ist die Aktivierung dieses Potenzials nur mit dem Abbau von Erwerbshindernissen, etwa der Unvereinbarkeit mit Betreuungsaufgaben, mangelnder Kompetenzen, einem Mangel an geeignet ausgestalteten Arbeitsplätze für gesundheitlich Beeinträchtigte oder schlechter Sprachkenntnisse zu erreichen", so Mahringer.

Laut der Wifo-Studie "Aktivierbare Arbeitsmarktpotenziale und 'Stille Reserven' in Österreich" zählen rund 312.000 Menschen zur stillen Reserve, sind als ohne Job, suchen aber auch nicht aktiv. Dazu kämen noch 139.000 unfreiwillige Teilzeitkräfte.

Die Wirtschaftsforscher haben durchgespielt, wie es 2040 ausschauen könnte. Bis dahin falle die Zahl der Vollzeitbeschäftigten um 80.000 Personen, die der Arbeitslosen um 57.000 Personen. Die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten steige um 175.000 Personen. Die Zahl der Pensionisten in der Bevölkerungsgruppe der bis 64-Jährigen gehe um 206.000 zurück. Dafür würden um 35 Prozent mehr Menschen aus gesundheitlichen Gründen nicht am Erwerbsleben teilnehmen. Auch die Zahl der Personen, die ausschließlich geringfügig beschäftigt sind oder aus sonstigen Gründen nicht am Erwerbsleben teilnehmen, werde voraussichtlich sinken: um 17.000 bzw. 93.000 Personen.

Von der Arbeiterkammer kam heute bei einer Pressekonferenz die Forderung nach einer "gesunden Vollzeit", die laut Studien zwischen 30 und 35 Wochenstunden liege. Gleichzeitig müssten die 2018 beschlossenen Regelungen zum 12-Stunden-Tag zurückgenommen werden.

Die Industriellenvereinigung (IV) meinte dazu, es gelte "positive Leistungsanreize zu setzen". "Inaktivitätsfallen müssen abgebaut werden und jene Menschen, die zur Mehrarbeit bereit sind, müssen belohnt werden", betonte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Aus Sicht der Industrie sei es entscheidend, Vollzeitarbeit zu attraktivieren, indem man beispielsweise steuerliche Erleichterung schaffe.

Neben den noch unausgeschöpften nationalen Arbeitskräftepotenzialen werde es aber allein aufgrund des demografischen Wandels auch qualifizierten Zuzug brauchen, um die Nachfrage nach Personal "ansatzweise decken zu können".

Rolf Gleißner, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik in der WKÖ, hielt fest: "Am Ziel, das gesamte in Österreich vorhandene Arbeitskräftepotenzial auszuschöpfen, führt kein Weg vorbei. Aber es ist eine Illusion, dass damit der Arbeitskräftemangel gelöst wäre." Dazu erklärte er: "Eine Arbeit anzunehmen, muss sich lohnen. Die derzeitige Möglichkeit, während dem Arbeitslosengeld-Bezug geringfügig dazuzuverdienen und das zeitlich unbegrenzt, ist hier kontraproduktiv."