++ HANDOUT ++ Karin Tausz und Henrietta Egerth bilden neue FFG-Doppelspitze © APA - Austria Presse Agentur
Die neue Geschäftsführung der Forschungsförderungsgesellschaft FFG attestiert Österreich eine "hypertrophe Bürokratie". Mit der Überbürokratisierung, ob bei "gut gemeinten" Initiativen wie dem Lieferkettengesetz oder dem europäischen Beihilfenrecht, aber auch bei Rahmenrichtlinien für Förderungen, Auflagen und Dokumentationspflichten, stünde man sich als Land sowie in Europa zunehmend selbst im Weg, sagten Henrietta Egerth und Karin Tausz im Gespräch mit der APA.
Das Problem müsse von der Politik viel ernster genommen und holistisch angegangen werden. "Wir meinen sehr viele Dinge gut, etwa auch mit den ESGs (Kriterien zu Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, Anm.). Nur damit, wie diese Dinge bei den Unternehmen ankommen, lähmen wir uns komplett", so Langzeit-Geschäftsführerin Egerth, die als Ursache für die Überbürokratisierung einen allgemein vorherrschenden Mangel an Vertrauen in die Unternehmen ortet. Es gebe eine große Angst vor potenziellem Missbrauch oder Betrug. Das sei, auch auf Basis der Erfahrungen der FFG, nicht gerechtfertigt. Es brauche mehr Vertrauen ins Unternehmertum. Unternehmen brächten auch das Verständnis, etwa für Klimaziele, mit, so die neu zur FFG hinzugestoßene Tausz.
Die Rahmenbedingungen, die Überbürokratisierung beziehungsweise "Überevaluierung" schafften, würden zu eng und hemmten auch die Geschwindigkeit der öffentlichen Hand und ihrer Unterstützer, den Förderagenturen. Gleichzeitig müsse die Wirtschaft durch den gesteigerten Wettbewerbsdruck immer schneller agieren, Themen im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) änderten sich rascher: "Da wird die Spannung sehr groß", so Egerth.
Als eine Vision möchte das Führungsduo künftig verstärkt "Wirkung" in den Blick nehmen: "Wir sind sehr gut in der projektorientierten Förderung aufgestellt, wollen aber noch stärker in Richtung systematische, strategische Förderung und erzielende Wirkung gehen", sagte Tausz. Bei allgemein gesetzten Zielen wie etwa Klimaneutralität, CO2-Emissionsreduktionen oder Standortsicherung gehe es darum, die eingesetzten F&E-Strategien bzw. die mit ihnen verbundenen Förderprogramme in ihrer Wirkung mittel- bis langfristig zu überprüfen und über eine "Portfolioanalyse" bei Ansätzen und Angebot möglicherweise nachzujustieren. Es gehe nicht um die Wirkung auf Einzelprojektebene, sondern neben dem Gesamtportfolio auch um die Frage, welche Projekte man mit dem jeweiligen Angebot anzieht und ob diese in Summe zur Erreichung der Ziele beitragen können.
In diesem Zusammenhang gehe es aber nicht um eine thematische Einschränkung, sagte Egerth. Es sei ein Erfolgsrezept der FFG, Breite und Bottom-up-Förderung zuzulassen. Themen müssten auch nach wie vor stark aus der Community selbst kommen können. Gleichzeitig könne man aber sicherlich thematisch bereits vorhandene Top-down-Formate noch "verstärken", auch vorbereitend für die europäische Ebene: "Es braucht beides."
Als ein weiteres Ziel möchte sich die FFG-Geschäftsführung anschauen, welche Potenziale es noch in der Unterstützung der Partner im Bereich der Verwertung gibt. "Wenn wir hohe Ziele im Bereich der Klimawende, der Transformation haben, dann müssen wir auch schauen, dass die Forschungs- und Entwicklungsprojekte in die Umsetzung kommen", so Tausz. Die FFG sei bei der monetären Förderung, Serviceleistungen und Beratung schon gut aufgestellt und ihrem Verständnis nach eine "Innovationsdrehscheibe." "Aber wenn wir verlangen, dass sich die Gesellschaft verändert, müssen wir als Role Model auch vorangehen, agil agieren, und wir könnten durchaus noch stärker in die Rolle der Innovationscoaches hineingehen", sagte Tausz. So überlegt man, eigene Dienstleistungen auszubauen, um Antragsteller zum Beispiel nach erfolgreicher Einwerbung der Mittel auch bis zum Projekterfolg, zu begleiten.
Im Jahr 2022 standen der FFG als gewichtigster Fördererin der angewandten Forschung in Österreich knapp 2 Mrd. Euro zur Verfügung - ein "Rekordjahr", so Egerth. Auch wenn es nicht nur um monetäre Förderung ginge, "leben wir natürlich von dem monetären Input", meinte Egerth zur budgetären Situation.
Zuletzt hatte sich Egerth gemeinsam mit Heinz Faßmann, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), für einen Zuschlag der Budgetmittel für die außeruniversitäre Forschung im Rahmen des sogenannten "FTI-Paktes" (Forschung, Technologie und Innovation) ausgesprochen. Eine wachsende Themenvielfalt bei Förderungen, die über die FFG abgedeckt werden müsse, korrespondiere nicht mit dem Wachstum der Budgets, hinzu käme die Inflationsentwicklung. "Wir haben mit unseren Eigentümerressorts durchaus Unterstützung in dieser Angelegenheit. Inwiefern sich das in einem Gesamtbudget der Republik ausgeht, ist immer noch Verhandlungssache", so die Expertin. Es sei aber auch eine Aufgabe darauf hinzuweisen, wenn es zu wenig ist.
Egerth verwies zudem auf die "Spillover-Effekte" wie die Schaffung von Arbeitsplätzen, Wertschöpfung, Lizenzerlöse etc., die über Investitionen in F&E entstünden. Sondermittel, wie sie etwa aus der neuen "Klima- und Transformationsoffensive" des Wirtschaftsministeriums anfallen (bis 2026 stehen auf diesem Weg 300 Mio. Euro zur Verfügung, bereits 48,7 Mio. Euro wurden über die FFG für F&E Förderungen vergeben), "entspannen nur bedingt das, was man an Basisaufgaben hat".
Bei Ausschreibungen gebe es trotz Krise nach wie vor "auf hohem Niveau eine Steigerung der Nachfrage", "vor allem auch von kleinen und mittelständischen Unternehmen und Start-ups", so Egerth. Die FFG-Förderungen würden dabei KMU helfen, bei F&E aktiv zu bleiben. "In Krisen investiert nur die große starke Industrie in F&E." KMU halte davon die fehlende Liquidität ab. Hier habe man über die Förderungen eine stabilisierende Wirkung und liefere einen Beitrag zu Resilienz, so Tausz.
Tausz wurde vom Klimaschutzministerium bestellt. Mit ihrer beruflichen Erfahrung in regionaler und städtischer Entwicklungsplanung und im Mobilitätssektor, zuletzt bei der ÖBB, sowie bei Forschungseinrichtungen und in Unternehmen könne sie sehr gut "die Rundum-Perspektive" abdecken, so die Expertin. Ihre Aufsichtsratsposition bei der Brenner-Basistunnel BBT SE wird die ehemalige Grüne Bezirksrätin zurücklegen, jene bei Austro Control würde sie gerne behalten. Diese sei gerade in der Nachbesetzung, die Entscheidung noch offen. Egerth wurde vom Wirtschaftsministerium wiederbestellt. Sie übernahm 2004 gemeinsam mit Klaus Pseiner, der nun in Pension gegangen ist, die Leitung der damals neugegründeten FFG.
(SERVICE: "FFG Forum" am 13. September, 15 Uhr, Marx Halle Wien: https://www.ffg.at/forum)