Sozialpartner einigten sich noch kurz vor dem Jahreswechsel © APA - Austria Presse Agentur
Nach monatelangem Tauziehen haben sich die Sozialpartner am Mittwochabend in der siebenten Verhandlungsrunde auf einen neuen Kollektivvertrag im Handel geeinigt. Die Gehälter und Löhne der Angestellten steigen im Schnitt um gut 8,4 Prozent, wie die Gewerkschaft GPA sowie die Wirtschaftskammer (WKÖ) in Aussendungen mitteilten. Laut GPA handelt es sich um eine gestaffelte Erhöhung zwischen 8,3 und 9,2 Prozent. Die Lehrlingseinkommen erhöhen sich demnach um 10 Prozent.
Die Einkommen der Lehrlinge werden den Angaben zufolge im ersten Lehrjahr auf 880 Euro angehoben, im zweiten Lehrjahr auf 1.130 Euro und im dritten Lehrjahr auf 1430 Euro. Mit dem Abschluss verbessert sich außerdem das Mindestgehalt für Berufseinsteiger - von derzeit 1.945 auf 2.124 Euro brutto. Von einer "Aufwertung" der Lehre im heimischen Handel sprach Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und Chefverhandler der Arbeitgeberseite. Die Anhebung stelle eine "wichtige Investition in die Zukunft des Handels", betonte er in einer Aussendung.
"Für uns war wichtig, dass wir einen dauerhaft wirksamen Gehaltsabschluss für alle erreichen. Wesentlich ist weiters, dass wir die von den Arbeitgebern vorgeschlagene Einmalzahlung vom Tisch bekommen haben. Diese wäre auf Perspektive ein riesiges Verlustgeschäft für die Angestellten gewesen", wurde die Chefverhandlerin der GPA, Helga Fichtinger, in einer Aussendung zitiert. Zu ihrem Bedauern gebe es seitens der Arbeitgeber aber noch keine Bereitschaft, über Elemente der Arbeitszeitverkürzung zu reden. "Das wäre für die Branche ein echter Meilenstein gewesen und hätte die Attraktivität deutlich erhöht."
Trefelik wiederum bezeichnete den Abschluss im Gespräch mit der APA als "schwierigen Kompromiss". Er sei zwar erfreut über die Einigung, zum Jubeln sei ihm angesichts der weiter schwierigen Rahmenbedingungen für Betriebe aber nicht zumute. Für wichtig erachte er jedenfalls, dass es zu keinem Zweijahresabschluss gekommen sei, weil das den Handlungsspielraum der Branche in der Zukunft eingeschränkt hätte. "Die Situation im Handel ist dermaßen volatil, dass wir hier jedes Jahr einzeln bewerten sollten."
Der Arbeitgebervertreter hob zudem hervor, dass der Abschluss um 0,8 Prozent unter der rollierenden Inflation liegt - nach seinen Angaben zum ersten Mal in der Geschichte des Handelskollektivvertrags. Aufgrund der wirtschaftlichen Umstände sei eine vollständige Abgeltung aus Sicht der Unternehmen nicht möglich gewesen, so Trefelik. Die rollierende Inflation lag von Oktober 2022 bis September 2023 bei 9,2 Prozent.
Der Handelsverband warnte unterdessen vor eine Überforderung der Betriebe durch die Gehaltserhöhungen, die per 1. Jänner 2024 schlagend werden. Der "historisch höchste Handels-KV-Abschluss" werde den Beschäftigten zwar die Inflation ausgleichen. Allerdings werde jeder Euro mehr bei den Personalkosten in den Betrieben erst verdient werden müssen, damit die Beschäftigungsstruktur so aufrechterhalten werden kann, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer Mitteilung.
Das Ringen um einen neuen KV hat sich heuer über viele Wochen gezogen und war von Betriebsversammlungen, öffentlichen Kundgebungen und Warnstreiks im Weihnachtsgeschäft begleitet. Nach der sechsten Verhandlungsrunde, die überraschend ohne Kompromiss zu Ende gegangen war, schien eine Einigung noch im heurigen Jahr in Ferne. Schlussendlich kamen die beiden Seiten aber doch noch vor Jahreswechsel für eine weitere Gesprächsrunde zusammen, um ein Novum - ein Abschluss erst im neuen Jahr - zu verhindern.
Die Gewerkschaft war mit der Forderung nach einem Gehaltsplus von 11 Prozent in die Verhandlungen gegangen. Die Arbeitgeber hatten ihr Eröffnungsangebot erst in der dritten Runde mit einem Plus von 5 Prozent und einer Einmalzahlung von 800 Euro gelegt.
Beim Handels-KV geht es um die Gehälter von 430.000 Angestellten und Lehrlingen. Es ist der größte Branchen-Kollektivvertrag in Österreich. Knapp zwei Drittel der 430.000 Angestellten sind Frauen, im Einzelhandel liegt der Frauenanteil noch etwas höher. Etwa 60 Prozent der Frauen im Handel arbeiten Teilzeit, bei Männern liegt die Teilzeitquote bei nur rund 13 Prozent.