Die Notenbanker-Sitzung findet im EZB-Tower in Frankfurt statt © APA - Austria Presse Agentur

Angesichts der abnehmenden Inflationsgefahr hat die EZB nach der Zinswende vom Juni erstmals nachgelegt und die geldpolitischen Zügel weiter gelockert. Der für die Finanzmärkte maßgebliche Einlagesatz, zu dem Banken bei der EZB kurzfristig überschüssige Gelder parken, wurde am Donnerstag wie an den Finanzmärkten erwartet um einen Viertelprozentpunkt auf 3,50 Prozent gekappt.

Der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Geschäftsbanken Geld für eine Woche von der EZB leihen können, wird mit dem jüngsten Zinsbeschluss um 0,6 Punkte auf 3,65 Prozent verringert. Dass der Schritt nach unten größer ausfällt als beim Einlagesatz, ergibt sich aus bereits im Frühjahr festgezurrten Änderungen der EZB. Damals hatte sie beschlossen, den Abstand zwischen dem Einlage- und dem Hauptrefinanzierungssatz zu verkleinern. Die EZB will damit Anreize zur Teilnahme an ihren wöchentlichen Kreditgeschäften schaffen und zugleich den Umfang von Marktzinsschwankungen begrenzen.

Die Banken im Euroraum verfügen noch über rund drei Billionen Euro an Überschussliquidität, die sie bei der EZB parken. Mit der Zeit dürfte diese abnehmen, und die Banken könnten dazu übergehen, Geld verstärkt bei der EZB zu leihen. Der engere Zinskorridor soll der EZB dabei helfen, die Marktzinsen besser zu steuern.

Die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde lassen die Investoren vor der nächsten Sitzung im Oktober rätseln, wie es weitergeht: "Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest." Laut Lagarde wurde der Zinsbeschluss einstimmig gefasst. Die Französin ließ sich jedoch nicht in die Karten schauen, ob es bereits kommenden Monat auf der auswärtigen EZB-Ratssitzung im slowenischen Ljubljana eine weitere Zinssenkung geben könnte. Man sei zwar grundsätzlich auf einem Zinspfad, der abwärts führe. Die EZB sei aber nicht vorab festgelegt - weder in Bezug auf den Zeitpunkt noch auf den Umfang eines nächsten Zinsschritts. Dies hänge von den Konjunkturdaten ab. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die Inflation im September wegen statistischer Basiseffekte mit Blick auf Energiekosten niedrig ausfallen werde. Doch richte die EZB ihren Kurs nicht an einzelnen Daten aus, sondern an einer "ganzen Reihe von Indikatoren".

Sinkende Energiepreise drückten die Inflationsrate im August auf 2,2 Prozent - den niedrigsten Stand seit gut drei Jahren. Die Fachleute der EZB gehen nun wie bereits in den Projektionen vom Juni davon aus, dass die Gesamtinflation im Euroraum in diesem Jahr bei 2,5 Prozent landen und 2025 auf 2,2 Prozent sinken wird. 2026 sollen es 1,9 Prozent sein, womit das Ziel der EZB von 2 Prozent unterschritten würde.

Die Notenbank-Ökonomen erwarten allerdings, dass die Inflation im letzten Teil des laufenden Jahres wieder ansteigen wird. Dies sei zum Teil darauf zurückzuführen, dass vorangegangene starke Rückgänge der Energiepreise aus den Jahresraten herausfielen: "Die Inflation dürfte dann im Laufe der zweiten Hälfte des nächsten Jahres in Richtung unseres Zielwerts zurückgehen."

Die EZB-Ökonomen erwarten für dieses Jahr nur noch ein Wirtschaftswachstum in der Eurozone von 0,8 Prozent. 2025 soll beim Bruttoinlandsprodukt ein Plus von 1,3 Prozent und 2026 von 1,5 Prozent herausspringen. Im Juni waren die Ökonomen noch von 0,9 Prozent für 2024, 1,4 Prozent für 2025 und 1,6 Prozent für 2026 ausgegangen. Begründet wird die Abwärtskorrektur mit einem schwächeren Beitrag der Binnennachfrage. "Die Finanzierungsbedingungen bleiben restriktiv, und die Konjunktur ist nach wie vor gedämpft, worin sich der schwache private Konsum und die schwache Investitionstätigkeit widerspiegeln", hieß es dazu.