Elektrisierende Geschäfte

NEW BUSINESS Innovations - NR. 01, JÄNNER 2022
Michael Heinemann, CEO Phoenix Contact E-Mobility, und Dominik Mazur, Produktionsleiter in Rzeszów, steckten bei der Eröffnung des neuen Werkssymbolisch einen Ladestecker in die Ladedose. © Phoenix Contact

Elektromobilität ist nicht nur umweltfreundlich, sie bietet zahlreichen Herstellern seit Längerem ein neues Geschäftsfeld. Hier ein Überblick über Wallboxen, AC- und flexible Ladekabel ...

... und intelligente Helfer bei der Batterieproduktion.

Die Autohäuser strotzen nur so von neuen E-Modellen in allen Varianten und für jedes Geldbörsel, die Zulassungszahlen steigen kontinuierlich. Im Zuge von CO2-Einsparung und Klimaschutz wird das Thema Elektromobilität weltweit forciert. Zur Erreichung der gesteckten Ziele gehört allerdings auch eine flächendeckende Ladeinfrastruktur, egal ob privat oder im öffentlichen Raum. Deshalb beschäftigen sich zahlreiche Hersteller, die bislang für andere Kernkompetenzen bekannt waren, schon längst mit dem Thema.

Phoenix Contact bietet etwa ein vollständiges Portfolio abgestimmter Ladetechnik-Komponenten von der CCS-Ladedose bis zur Lademanagement-Lösung. Im vergangenen Oktober hat das Unternehmen sein neues Produktionswerk von Phoenix Contact E-Mobility im polnischen Wissenschaftspark Rzeszów-Dworzysko eröffnet.

„Die Erweiterung unserer Produktion an einem neuen Standort in Polen ist ein entscheidender Schritt im Hinblick auf die Entwicklungen der Elektromobilität“, unterstreicht Michael Heinemann, CEO von Phoenix Contact E-Mobility. Innerhalb von nur fünf Monaten ist das 15.000 m² große Elektromobilitätswerk entstanden, bereits im Januar 2021 soll die Produktion der AC-Ladekabel anlaufen. 

Die Startmannschaft hat sich schneller als geplant auf bereits 300 Mitarbeitende entwickelt. Auf acht Produktionsstraßen fertigen sie AC-Ladekabel, Infrastruktur-Ladedosen für AC-Ladesäulen und Wallboxen sowie Fahrzeug-Ladedosen. Bis Ende des Jahres 2021 sollten es zehn Produktionslinien sein.

Dominik Mazur, Werksleiter am Standort in Rzeszów, erklärt hierzu: „Jedes E-Fahrzeuge führt ein AC-Ladekabel im Kofferraum mit sich. Prämien und Förderungen in ganz Europa sorgen für einen Ausbau von privater und öffentlicher Lade­infrastruktur. Diese Maßnahmen erhöhen zusätzlich den Absatz von AC-Ladekabeln. Durch die gute Lage im Wissenschafts- und Technologiepark Dworzysko mit seiner gut ausgebauten Infrastruktur wird unser Werk innerhalb des Phoenix Contact E-Mobility-Produktionsnetzwerks ein wichtiger Standort werden.“ 

Flexibles Stromtanken ohne Kontrollbox
Das neue flexible Ladekabel von Bosch mit integrierter Steuerungs- und Sicherheitstechnik kommt beim Laden an der 230-Volt-Steckdose ohne den sonst üblichen „Ladeziegel“ aus – wie die sperrige In-Kabel-Kontrollbox umgangssprachlich gern genannt wird. Dadurch wiegt das Flexible Smart Charging Cable, das auf der IAA Mobility 2021 Weltpremiere feiert, unter drei Kilogramm und damit im Schnitt gut 40 Prozent weniger als herkömmliche Ladekabel mit Kontrollbox. Das Hightech-Kabel spart nicht nur Gewicht, sondern auch Platz im Kofferraum. Denn dank Adapter für Typ-2- und Haushaltsstecker braucht es kein zweites Kabel mehr, um flexibel zu Hause oder unterwegs an einer Ladestation Strom zapfen zu können.

Das Laden von Elektroautos war noch nie so einfach, verspricht Bosch. „Mit dem universellen Ladekabel macht Bosch die Elektromobilität noch kundenfreundlicher“, sagt Uwe Gackstatter, Vorsitzender des Bosch-Geschäftsbereichs Powertrain Solutions. „Unser Ziel ist es, das neue Kabel zur Standardausrüstung von Elektrofahrzeugen zu machen.“ Bosch wird es voraussichtlich von Mitte 2022 an sowohl an Fahrzeughersteller als auch an Endkunden vertreiben.

Das dreiphasige Kabel ermöglicht sogenanntes Mode-2- und Mode-3-Laden von Wechselstrom mit bis zu 22 Kilowatt. Stromtanken zu Hause funktioniert mit dem Flexible Smart Charging Cable auch ohne Wallbox. Dies entspricht den Anforderungen der Kunden. 84 Prozent der Elektroauto-Fahrenden in Europa laden ihr Fahrzeug abends oder über Nacht zu Hause (Quelle: newmotion EV Driver Survey 2020).

Für einen zuverlässigen und sicheren Ladevorgang sorgt die jeweils in den Steckern integrierte Technik. Im fahrzeugseitigen Typ-2-Stecker befinden sich die Komponenten zum Steuern und Überwachen der Ladeleistung. Am anderen Ende sind im Haushaltsstecker mit Adapter Temperaturkontrolle sowie Fehlerstromschutzschalter untergebracht. Damit ist sichergestellt, dass es auch beim regulären Laden an der Haushaltssteckdose mit bis zu drei Kilowatt Ladeleistung zu keiner Überlastung oder Überhitzung kommt. Wenn nötig, schaltet die Sicherheitstechnik ab, bevor ein kritischer Wert erreicht wird.

Infrastruktur für E-Mobilität
Auch Rittal unterstützt den gesamten Weg von der Stromerzeugung bis hin zur Ladestation und konzipiert gemeinsam mit Partnern und Kunden die zentralen Infrastrukturelemente, die zum Aufbau einer Ladestation notwendig sind. Darüber hinaus produziert Rittal zahlreiche Komponenten dieser Infrastruktur, wie Outdoor-Gehäuse, Container zur Aufnahme von Batterien oder für Trafostationen sowie Kühlsysteme für Schnellladestationen. 

Ein Ladepark besteht typischerweise aus einer Trafostation, je nach Auslegung einem Outdoor-Batteriespeicher sowie aus verschiedenen Infrastrukturgehäusen für die Leistungselektronik. Insbesondere bei leistungsstarken Schnellladestationen mit 350 kW wird eine Kühlung der Systeme benötigt, die ebenfalls von Rittal stammt. Für die eigentlichen Ladesäulen, an denen die Elektrofahrzeuge aufgeladen werden, produziert Rittal die Gehäuse, während Partner bzw. Kunden von Rittal die Elektronikkomponenten einbauen und betreiben.

„Die Gehäusetechnik ist beim Aufbau der Ladeinfrastruktur ein wichtiger Faktor. Hier müssen Faktoren wie Schutzarten, Widerstandsklassen, Skalierbarkeit und Klimatisierung berücksichtigt werden. Außerdem verlangen Kunden eine weltweite Verfügbarkeit der Lösungen sowie von Ersatzteilen. Rittal verfügt über die Erfahrung und die globale Organisation, um diese Anforderungen zu erfüllen. Daher sehen wir den Einstieg von Rittal in die E-Mobilität als eine ideale Ergänzung zu unserem bestehenden Portfolio“, sagt Uwe Scharf, Geschäftsführer Marketing und Business Units bei Rittal. 

Einen bedeutenden Auftrag führt Rittal bereits mit dem australischen E-Infrastrukturanbieter Tritium durch: Tritium, einer der Hersteller der bekannten Ionity-Ladestationen, bezieht hochwertige Outdoor-Gehäuse von Rittal, um damit in 26 Ländern die Infrastruktur für Elektrofahrzeuge weiter auszubauen. „Nachdem wir von Ionity den Auftrag zur Produktion von Ladeparks erhalten haben, benötigten wir einen Anbieter für die Outdoor-Stationen und Schaltschränke“, erläutert David Finn, CEO und Firmengründer von Tritium.

„Eines der wichtigsten Kriterien war die schnelle Verfügbarkeit der Komponenten, da wir unseren Großauftrag rasch umsetzen wollten. Rittal konnte uns mit seinem global verfügbaren Service und der hohen Produktqualität überzeugen“, so Finn weiter. Die Rittal-Lösung wird unter anderem dafür eingesetzt, die sensiblen elektrischen Komponenten der Ladesäulen vor Umwelteinflüssen zu schützen.

Festo steigert Umsatz mit Elektromobilität
Auch Festo profitiert von der Nachfrage nach der Automatisierung der Batteriezellproduktion und anderen Komponenten der E-Fahrzeuge. Festo konnte so seinen Umsatz im Segment „Maschinen und Anlagen für die Batterieproduktion“ um 40 Prozent steigern. Denn die Automobilindustrie investiert derzeit überwiegend in die Entwicklung neuer Elektrofahrzeuge.

Ansgar Kriwet, Vorstand Sales: „Bei 70 Prozent der Festo-Top-Projekte in der Automobilindustrie ging es im Jahr 2020 um Investitionen für die Elektromobilität.“ Aufgrund dieser sehr guten Ausgangsbasis erwartet Festo im Segment „Maschinen und Anlagen für die Batterieproduktion“ ein deutlich zweistelliges prozentuales Wachstum für die nächsten Jahre. Durch die Elektrifizierung der Antriebsstränge steigert sich der Automatisierungsgrad in der Produktion. Bei der klassischen Montage von Verbrennermotoren geht es um die hochpräzise Montage von mechanischen Bauteilen, bei der Herstellung von Batteriemodulen dagegen um das Zusammenfügen von sehr teuren und potenziell gefährlichen elektrochemischen Elementen.

Außerdem kommen im Vergleich zu Verbrennerfahrzeugen neue Komponenten hinzu: der Elektromotor, die Batterien sowie die Power-Elektronik. Deren Produktion stellt ganz neue Anforderungen: Zum Beispiel muss eine Beschädigung der Batteriezellen durch Herunterfallen unbedingt vermieden werden. Festo bietet daher insbesondere im Bereich der Handhabungstechnik abgestimmte Lösungen zum robusten, sicheren und präzisen Greifen und Transportieren von Batteriezellen. 

Für die Batterieherstellung sind kupfer-, zink- und nickelfreie Automatisierungskomponenten notwendig, wie etwa die Ventile VTUG sowie VUVG in der Version „Battery“. Durch Engineering erhöht Festo die Produktivität der Kunden, beispielsweise über die energieeffizienten Piezoventile VEAB und VEAE oder über die Servopresse YJKP, die in hoher Stückzahl zur Batteriezellfertigung verkauft wurde, um die gewickelten Batterien zu verpressen.

Dabei zahlt sich die hohe Qualität für die Kunden in der Batteriefertigung aus, denn die Batterien sind sehr teuer und die Anlagen fahren mit hoher Taktrate. Ausfallzeiten sind kostspielig und deshalb zeitnahe Ersatzteillieferung und Service sehr wichtig. In den letzten zwei Jahren hat Festo investiert, um alle Anforderungen an das Portfolio abdecken zu können. Zur Produktentwicklung tragen auch die eigene Forschung sowie die Teilnahme an Verbund-Forschungsprojekten bei, bei denen es um den Handhabungsprozess für die Herstellung von Feststoff-Batteriezellen oder das Recycling von Batterien geht.

Aus Österreich in die ganze Welt
Anfang 2021 hat die Keba AG die Marke von 250.000 Wallboxen geknackt. Damit hat sich der österreichische Automatisierungsexperte zu einem der größten Hersteller für Ladelösungen für Hybrid- und Elektrofahrzeuge entwickelt. „Mit der Herstellung von intelligenten und langlebigen Ladelösungen ist Keba der österreichische Experte in einer pros­perierenden Branche“, freut sich Christoph Knogler, CEO Keba Energy Automation. Im Geschäftsfeld Energy Automation hat sich die Keba AG auf Ladestationen für Elektromobilität und Heizungssteuerung für Wärmepumpen und Biomasse-Heizungen spezialisiert. Mit dem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit werden die Komponenten für die Ladestationen außerdem weitestgehend regional bezogen. (BS)

www.bosch-mobility-solutions.com
www.festo.at
www.keba.com
www.phoenixcontact.com
www.rittal.at