Wasserstoff-Zukunft

NEW BUSINESS Guides - UMWELTTECHNIK- & ENERGIE-GUIDE 2025/26
Nicht nur die Politik, auch die heimischen Unternehmen setzen große Hoffnungen in Wasserstoff. © Freepik/meshcube

Wasserstoff ist nicht nur ein Energie-, ­sondern auch ein Hoffnungsträger. ­Insbesondere die energieintensive Industrie will damit ihre Prozesse ­dekarbonisieren.

Österreichische Unternehmen liefern schon heute gute Beispiele dafür.

Auf Wasserstoff – insbesondere seiner klimafreundlichen Variante – ruhen viele ­Hoffnungen. Er gilt als Eckpfeiler für die Erreichung der Klimaneutralität und kann aufgrund seiner Anwendbarkeit in vielen Bereichen dazu beitragen, selbst schwer zu ­dekarbonisierende Sektoren, wie die energieintensive Industrie, Teilbereiche der Mobilität und das Energie­system, „grüner“ zu machen.

Im September wurde daher von Wirtschaftsminister ­Wolfgang Hattmannsdorfer ein „Fahrplan“ für die Wasserstoff-Zukunft Österreichs präsentiert, der Versorgungssicherheit garantieren, Arbeitsplätze schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie stärken soll. Im Mittelpunkt stehen der Aufbau einer Wasserstoffimportstrategie, neue Förderungen für Elektrolyseanlagen sowie die Entwicklung von Speicher- und Leitungsinfrastruktur.

Dekarbonisierung und Impulse für die Wirtschaft
Österreichs Industrie, vor allem die energieintensive Grundstoffindustrie, steht vor der Herausforderung, ihre Produktionsprozesse zu dekarbonisieren. Dafür setzt die Bundesregierung auf eine Kombination aus heimischer Produktion und gesicherten Importen von Wasserstoff. Es sollen Elektrolyse-Kapazitäten aufgebaut, eine neue Importstrategie zur langfristigen Versorgungssicherung aufgestellt, eine Regulierung und Finanzierung für Leitungen und Speicher entwickelt sowie ein Südkorridor als ein zentrales Infrastrukturprojekt aus der Taufe gehoben werden.

Schon heute werden in Österreich den Angaben zufolge rund 5.800 Arbeitsplätze direkt durch wasserstoffbezogene Tätigkeiten abgesichert. Laut einer WKO-Studie sind darüber hinaus bis zu 300.000 Beschäftigte indirekt in Unternehmen tätig, die mit Wasserstofftechnologien verbunden sind. Aufgrund der Wasserstoff-­Offensive rechnet die Bundesregierung damit, dass dieser Beschäftigungseffekt weiter zunimmt – durch neue Investitionen, den Ausbau von Infrastruktur und die wachsende Nachfrage nach Wasserstofftechnologien.

„Wir schaffen die Energieversorgung von morgen schon heute. Mit unserer Wasserstoff-Offensive fördern wir die Errichtung von Anlagen zur Umwandlung von erneuer­barem Strom in erneuerbaren Wasserstoff oder synthetisches Gas – damit Österreich unabhängig, wettbewerbsfähig und krisensicher bleibt“, so Hattmannsdorfer. Wasserstoff soll Wertschöpfung im Land halten, neue Exportchancen eröffnen und den Industriestandort sichern.

Österreich als Drehscheibe
Die Bundesregierung erarbeitet aktuell, aufbauend auf der 2022 beschlossenen Natio­nalen Wasserstoffstrategie, eine ergänzende Import­strategie. Sie legt besonderes Augenmerk auf Versorgungssicherheit, Investitionsschutz und nationale Wertschöpfung. Damit soll die Lücke zwischen inländischer Produktion und künftigem Bedarf geschlossen werden. Die Strategie wird von zwei Verordnungen flankiert, die noch heuer erlassen werden sollen: Die „Inves­ti­tions­zuschüsse-­Verordnung Wasserstoff“ ermöglicht erstmals Investitionszuschüsse für Elektrolyse­anlagen, die „Wasserstoffzertifizierungs-Verordnung“ (WstVO) dient der Umsetzung der EU-Vorgaben und soll Rechtssicherheit sowie Förderfähigkeit herstellen.

Dazu kommt noch der „Wasserstoff-Südkorridor“, ein Infrastrukturprojekt von höchster geostrategischer Bedeutung – Österreich nimmt hier eine aktive Gestalterrolle ein. Die Pipeline-­Verbindung von Nordafrika über Italien und Österreich nach Mitteleuropa gilt als einer der prioritären EU-Wasserstoffkorridore. Mit einer gemeinsamen Erklärung mit Deutschland, Italien, Algerien und Tunesien wurde der Grundstein gelegt, um bis 2035 grünen Wasserstoff im industriellen Maßstab nach Österreich und Deutschland zu bringen. 

Auch die EU stellt den Südkorridor ins Zentrum: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ihn in ihrer jüngsten Rede zur Lage der Union als einen der wichtigsten Energie-Highways Europas hervorgehoben – ein klares Signal für den strategischen Wert dieses Projekts.

Eine der größten Elektrolyseanlagen
Nicht nur die Politik, auch die heimischen Unternehmen setzen große Hoffnungen in Wasserstoff. Das drückt sich nicht allein in Worten, sondern darüber hinaus in Taten aus. Beispielsweise hat die OMV, ebenfalls im September, den Grundstein für eine der größten Elektrolyseanlagen Europas für grünen Wasserstoff gelegt. Die 140-MW-Anlage in Bruck an der Leitha soll Ende 2027 in Betrieb gehen. Damit produziert OMV künftig jährlich bis zu 23.000 Tonnen Wasserstoff mit erneuerbarer Energie aus Wind- und Solarenergie sowie Wasserkraft und trägt so maßgeblich zur Reduktion der CO₂-Emissionen des Unternehmens bei.

Die neue Anlage ermöglicht die lokale Erzeugung von grünem Wasserstoff und steigert damit die Nachhaltigkeit der Produktionsprozesse sowie der Kraftstoffe- und Chemieprodukte in der OMV-Raffinerie Schwechat erheblich. OMV erwartet hierdurch eine jährliche Verringerung von bis zu 150.000 Tonnen CO₂-Emissionen – rund zehn Prozent der derzeitigen direkten, produktionsbedingten Emissionen der Raffinerie. In die Anlage investiert OMV einen mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag. Im Rahmen dieser Investition wird OMV eine rund 22 Kilometer lange Wasser­stoffpipeline errichten, die die Elektrolyseanlage in Bruck an der Leitha direkt mit der Raffinerie in Schwechat verbindet. Die gewerberechtliche Genehmigung sowie die Baugenehmigung wurden bereits erteilt.

OMV setzt bei der Umsetzung auf bewährte Partner: Siemens Energy bringt umfassende Expertise in der Elektrolysetechno­logie sowie im Anlagenbau ein, während die Strabag für die Bauausführung verantwortlich ist. Der Anlagenbau erfolgt im Rahmen eines EPC-Vertrags (Engineering, Procurement, Construction). OMV hat hierfür ein Konsortium unter der Leitung von Siemens Energy beauftragt, das die vollständige Planung, Beschaffung und Errichtung der Anlage übernimmt. Siemens Energy verantwortet die übergeordnete Anlagenplanung und liefert und implementiert zentrale Komponenten wie Elektrolyse-Stacks, Transformatoren, Gleichrichter und Verdichter, mit denen Wasser mithilfe erneuerbarer Energie in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird.

Alfred Stern, Vorstandsvorsitzender und CEO von OMV, sagt dazu: „Der Bau unserer hochmodernen Anlage für grünen Wasserstoff ist ein klares Zeichen für die Energiewende. Wir schaffen ein integriertes Ökosystem rund um grünen Wasserstoff – getragen von technologischer Innovation, moderner Infrastruktur, politischer Unterstützung und starken Partnerschaften. Grüner Wasserstoff ist als Produktionsmittel zur Dekarbonisierung unserer Kraftstoffproduktion ein zentraler Bestandteil unserer Strategie 2030 und ein Schlüssel zur verantwortungsvollen Transformation von OMV. Mit diesem Projekt bekräftigen wir unser langfristiges Engagement für nachhaltige Energielösungen und stärken unsere Rolle als Wegbereiter der Entwicklung und Bereitstellung von grünem Wasserstoff.“

Wasserstoff für Halbleiter- und Stahlindustrie
Ein anderes Beispiel kommt aus Villach: Dort stellt eine Elektrolyseanlage von Linde Wasserstoff aus erneuerbaren Energien für Infineon Austria her. Seit August wird die gesamte dortige Halbleiterproduktion vollständig und rund um die Uhr mit Wasserstoff aus erneuerbaren Energien versorgt. Wasserstoff mit einem Reinheitsgrad von 99,999999 Prozent wird in der Halbleiterindustrie als Prozessgas benötigt, um Materialschichten kontrolliert zu bearbeiten und präzise Mikrochips herzustellen.

Bislang wurde Wasserstoff auf Basis von Erdgas mit dem Lkw aus Deutschland nach Villach geliefert. Mit der Zwei-Megawatt-Elektrolyseanlage wird jetzt vor Ort hochreiner Wasserstoff ohne CO₂-Ausstoß produziert und genutzt. Linde ist der Betreiber der Anlage und war für die Konstruk­tion und den Bau zuständig. Mittels zertifizierten Ökostroms kann die Elektrolyseanlage rund 290 Tonnen sauberen Wasserstoff pro Jahr herstellen.

In Linz wiederum erfolgte im September der offizielle Spatenstich für Hy4Smelt, die weltweit erste industrielle Demonstrationsanlage, die zwei innovative Prozesse verbinden kann. Dabei wird wasserstoffbasierte Direktreduktion für ultrafeine Eisenerze mit einem elektrischen Schmelzprozess (Smelter) kombiniert. Das in diesem Prozess direktreduzierte Eisen oder der hergestellte Eisenschwamm wird im Smelter eingeschmolzen und dabei die Schlacke abgetrennt. So entsteht, analog zu dem heutigen Hochofenprozess, hochqualitatives Roheisen für die Herstellung anspruchsvoller Stahlgüten. Die Schlacke dient als Rohstoff zur weiteren industriellen Verarbeitung. 

Dafür haben sich der internationale Anlagen­bauer Primetals Technologies, der weltweit tätige Stahl- und Technologiekonzern Voestalpine und Rio Tinto, einer der global größten Bergbau­konzerne, zusammengetan. „Als Voestalpine sind wir bereits erfolgreich auf unserem Weg zur nächsten Generation der Stahlerzeugung. Um unser langfristiges Ziel einer Stahlproduktion mit Net-Zero-CO₂-Emissionen bis 2050 erreichen zu können, forschen wir gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft bereits an mehreren neuen Verfahren und investieren in Projekte, die neue Wege in der Stahlerzeugung aufzeigen. Der heutige Baustart der weltweit einzigartigen Demonstrationsanlage Hy4Smelt bestätigt einmal mehr unsere Technologie- und Innovationsführerschaft auch im Bereich der grünen Stahlproduktion“, sagte Herbert ­Eibensteiner, CEO der Voestalpine AG, anlässlich des Spatenstichs. 

Alexander Fleischanderl, CTO und Head of Green Steel bei Primetals Technologies, fand zu dieser Gelegenheit die folgenden Worte: „Mit dem heutigen Spatenstich gehen wir einen entscheidenden Schritt in Richtung CO₂-neutraler Eisenerzeugung. Wir führen Technologielösungen ein, die das Potenzial haben, die gesamte Branche zu revolutionieren.“ 

Die Inbetriebnahme der Demonstrationsanlage im industriellen Maßstab ist bis zum Ende des Kalenderjahres 2027 geplant, das Projekt endet 2030. Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 170 Millionen Euro. (RNF)