Neue Arbeitszeiten brechen an

NEW BUSINESS Guides - TRANSPORT- & LOGISTIK GUIDE 2018
Bei nahezu Vollbeschäftigung sind Fachkräfte in der Logistik rar, und die Arbeitsinhalte werden immer anspruchsvoller. © dieindustrie.at/Mathias Kniepeiss

Logistische Herausforderungen in der Personalentwicklung

Die heimische Speditionsbranche freut sich über steigende Lehrlingszahlen. Dennoch sind Fachkräfte in der Logistikbranche weiterhin Mangelware. Konzepte für attraktive, zukunftsfähige Arbeitsplätze werden dabei zum entscheidenden Erfolgsfaktor.

Die Lehrlingsstatistik 2017 zeigt einen erfreulichen Aufwärtstrend für die Branche Spedition & Logistik: 2017 ist die Zahl der Lehrlinge in der Speditionsbranche weiter gestiegen, in Summe um sieben Prozent. Konkret wurden beim Lehrberuf Speditionskaufmann/-frau Zuwächse von 727 auf 776 Lehrlinge und beim Lehrberuf Speditionslogistik Zuwächse von 70 auf 74 Lehrlinge erzielt. „Ein abgeschlossener Lehrberuf in der Speditionsbranche gilt als Beruf mit Zukunft, es gibt diverse Aufstiegschancen und gute Verdienstmöglichkeiten. Auch ist der Berufsalltag aufgrund der fundierten Fachausbildung sehr abwechslungsreich“, blickt Guggi Deiser, Fachgruppenobfrau OÖ, positiv in die Zukunft.

Von null auf Platz drei
Die Qualität der österreichischen Lehrausbildung in der Speditionsbranche wird durch „Weltklasse­erfolge“ in nationalen, europaweiten und auch internationalen Berufsmeisterschaften eindrucksvoll bestätigt: Nach erfolgreichen Staatsmeisterschaften im Beruf Speditionskaufmann in den Jahren 2015 und 2017, bei denen junge Spedi­tionskaufleute aus dem Kreis der landesweit besten Absolventinnen und Absolventen des Lehr­berufs Spe­di­tions­kaufmann/-frau ihr Können unter Beweis stellten, konnte Österreich bei der erstmaligen Teilnahme an den WorldSkills 2017 in Abu Dhabi gleich den herausragenden dritten Platz erreichen. Nun wurde der Beruf Speditionskaufmann als erster nicht-kaufmännischer bei den EuroSkills 2018 in Budapest zugelassen. Die Gewinnerin der AustriaSkills 2017, Michaela Dužić, wird Österreich dort vertreten.
„Auch bei den WorldSkills 2019 in Russland werden wir unsere Teilnahme mit der jungen Speditionskauffrau Nadine Altmann, Zweitplatzierte bei den AustriaSkills 2017, beantragen“, sagt Sandra Huber, Geschäftsführerin des Fachverbands Spedition und Logistik. Nachsatz: „Es freut mich, dass immer mehr junge Frauen in den Beruf einsteigen und sich erfolgreich weiterentwickeln.“

Personalmanagement in der Logistik
Erfreuliche Nachrichten wie diese entschärfen jedoch nicht die herausfordernde Lage am logistischen Arbeitsmarkt: Fachkräfte sind sehr knapp, das Logistikpersonal wird teils körperlich, teils kognitiv stark belastet. und neue Technologien und Management-Prinzipien fordern eine rasche Adaption – um nur drei zu nennen.
Vor diesem Hintergrund richtete Michael Hauth als Vorstandsvorsitzender des Intralogistik-Netzwerks in Baden-Württemberg e. V. und als Professor für Logistik und Einkauf der Hochschule Mannheim zusammen mit weiteren sachkundigen Referenten ein Vortragsforum während der LogiMAT aus, dessen Anregungen und Praxisbeispiele Erfolg versprechende Wege aufzeigen, um derartige Herausforderungen zu meistern.

Flexibilität durch Jobrotation
Johannes Scheuermann leitet bei der Adolf Würth GmbH & Co. KG rund 850 Mitarbeiter im Lager- und Logistikbereich. Dort wurde die ­Personaleinsatzplanung durch ein Jobrotationskonzept flexibilisiert, um Lücken im täglichen Betrieb zu schließen. Zusammen mit dem Betriebsarzt und der Mitarbeitervertretung ließ sich nach einer eineinhalbjährigen Planungs- und Einführungsphase nicht nur eine gleichmäßigere Auslastung unter der Woche erreichen. Zusätzlich wurde ein Verzicht auf die bei der Belegschaft ungeliebte Samstagsarbeit möglich. Würth betonte, wie wichtig es ist, derartige Erfolge zu kommunizieren. Außerdem riet er dazu, die Mitarbeitervereinbarungen einfach, klar und transparent zu halten. Für Logistikleiter sei es von großer Bedeutung, bei der Entwicklung und Umsetzung von Jobrotationskonzepten eine Balance zwischen Aufwand und Nutzen zu wahren.

Halbautomatische Kommissionierung
Aus seinen langjährigen Erfahrungen bei der GEBHARDT Fördertechnik GmbH schöpfte Michael Woitsch und erläuterte, wie sich die Personalausfallzeiten in der halbautomatischen Kommissionierung deutlich reduzieren lassen: Zwar sei die Über-Eck-Kommissionierung im Hinblick auf Raumansprüche und Anlageninvestition häufig die günstigere Variante, sie verlange den operativ Tätigen jedoch viele Rumpfdrehungen ab. Wenn also mehr Leistung bzw. eine hohe Zugriffszahl gefordert sei oder schwere Güter zu handhaben wären, empfehle sich das parallele Kommis­sionieren. Dort sei eine individuelle Arbeits­höhenanpassung eher möglich und damit auch eine gute Voraussetzung für eventuelle Job­rotationen gegeben.

Belastungschecks und beruflicher Ausgleich
Mit den veränderten Anforderungen an das Personal in Produktion und Logistik befasste sich Christian Barysch von io-consultants GmbH + Co. KG. Sie beeinflussen bereits den Berater- und Planer­alltag, indem neue Analyse- und Planungsme­thoden zum Einsatz kommen, wie beispielsweise Belastungssimulationen. Aus diesen veränderten Planungsprozessen resultieren Änderungen im Arbeitsumfeld, wie die Einrichtung alters­gerechter Arbeitsplätze.
Diesen Gedanken griff Dirk Marrenbach vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Technologiemanagement auf. Dort entwickelt eine Projektgruppe den Integralen Belastungs­monitor als Teil einer Planungsmethodik. Mittels eines Schnellanalyse-Tools, das sowohl die körperliche als auch die geistige Belastung am Arbeitsplatz kriteriengestützt erfasst, können Problem­arbeits­plätze rasch und nachvollziehbar identifiziert werden. Ein Ursache-Wirkungs-Tool und ein Gestaltungskatalog bieten weitere Anregungen nicht nur zur Verbesserung der Einrichtung von Arbeitsplätzen, sondern auch zur Optimierung von Kommunikation und Organisation im Unternehmen.
Bei der WLC Würth-Logistik GmbH & Co. KG arbeiten rund 500 Menschen in teilweise sehr körperbeanspruchenden Tätigkeiten. Monika Emmert schilderte, welche einzelnen Maßnahmen in der Belegschaft gut angenommen werden, um fit und leistungsstark zu bleiben. Dabei hat das Unternehmen viel Fantasie entwickelt: Die Angebote reichen von der Kooperation mit externen Fitnessanbietern über Yogatraining im Betrieb und Kochkurse bis zu einem gemeinsamen ­Wandertag und Obstkörben in Besprechungen. Damit habe sich nicht nur das Arbeitsklima verbessert und die Identifikation mit dem Unternehmen – sogar der Krankenstand ist schon leicht gesunken.

Fazit
Es gibt vielfältige Ansätze, Logistikjobs attraktiver zu gestalten und die eigene Belegschaft weiterzuentwickeln – selbst kleinere Unternehmen können im Personalbereich punkten. Ob und inwieweit die Grundprinzipien einer Industrie 4.0 ein Unternehmen voranbringen können, sollte ­ebenfalls unter Einbeziehung der Belegschaft „durchgespielt“ werden. (BO)