Die heimische Leistungsbilanz hat im abgelaufenen Jahr deutlich zugelegt. Das sei "vor allem der Erholung im Reiseverkehr geschuldet", erklärte die Oesterreichische Nationalbank am Mittwoch bei der Vorlage der vorläufigen Daten. Demnach hat sich die Leistungsbilanz gegenüber dem Ausland von 1,4 auf rund 3 Mrd. Euro mehr als verdoppelt. Das entsprach einer Erhöhung von 0,4 auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Einnahmenüberschuss im Reiseverkehr betrug 7,2 Mrd. Euro.

Die Reiseverkehrseinnahmen stiegen 2022 gegenüber dem noch von Corona-Schließungsmaßnahmen betroffenen Jahr davor laut erster Schätzung der OeNB massiv von 8,4 auf 18,2 Mrd. Euro. Im Vergleich zu 2019, dem letzten Normaljahr vor Ausbruch der Pandemie, entsprach das jedoch einem Rückgang von 11 Prozent.

Das Gros der Einnahmen kam auch im abgelaufenen Jahr von Urlaubern und Geschäftsreisenden aus Deutschland - deren Marktanteil erreichte knapp 50 Prozent. Die Reiseverkehrsausgaben ausländischer Gäste in Österreich stiegen gegenüber 2019 nominell um 2 Prozent auf durchschnittlich rund 186 Euro pro Übernachtung. Unter Berücksichtigung der Inflation im Bereich Beherbergung und Gastronomie habe sich das Ausgabeverhalten im Reiseverkehr in realer Betrachtung "allerdings deutlich verringert", wie die Nationalbank festhielt. Der Exportpreisindex des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) für den Tourismus ergebe für das Jahr 2022 eine Erhöhung um 11,2 Prozent.

Im internationalen Warenaustausch wiederum kam es 2022 zu einem Defizit von 0,6 Mrd. Euro. In Summe stieg die Nettovermögensposition Österreichs gegenüber dem Ausland um 9 Prozent auf 65,3 Mrd. Euro. Das Jahr sei stark von Bewertungsänderungen charakterisiert gewesen, "wobei die veränderte Zinslandschaft, die Kursentwicklung bei Wertpapieren sowie die Abwertung des Euro eine Rolle spielten", analysierte die OeNB.

Trotz "großer Herausforderungen, insbesondere einer fortgesetzten Unterbrechung von Liefer- und Produktionsketten und rasch steigender Energiepreise" sei der Beitrag aus dem Handel mit Waren und Dienstleistungen zum Wirtschaftswachstum 2022 den vorläufigen Zahlen zufolge höher gewesen als im Jahr davor, nämlich 6,4 Mrd. Euro beziehungsweise 1,4 Prozent des BIP.

Die gesamte Leistungsbilanz, einschließlich Erwerbs- und Vermögenseinkommen sowie laufender Transfers gegenüber der übrigen Welt (Primär- und Sekundäreinkommen), habe im Ausmaß von 3,1 Mrd. Euro oder 0,7 Prozent des BIP deutlich positiv bilanziert.

Im Güterhandel verbuchte Österreich laut Nationalbank ein Einnahmendefizit von 0,6 Mrd. Euro. Die Differenz zwischen dem Wachstum der Importe und jenem der Exporte habe sich zwar im Vergleich zum Jahr 2021 verringert, die Importe seien aber "unter dem Eindruck steigender Preise für Energie- und Brennstoffe" weiterhin stärker gewachsen. Gegenüber der Zeit vor der Pandemie (2019) und vor dem Start des Russland-Ukraine-Kriegs (2022) legten die Importe um rund 35 Prozent und die Exporte um rund 31 Prozent zu. Positiv auf die Güterhandelsbilanz ausgewirkt hätten sich vor allem die Transithandelserträge (11,6 Mrd. Euro) sowie jene Erträge, die aus dem Warenverkehr im Zuge internationaler Produktionsketten stammten (5,2 Mrd. Euro).

Die Vermögensposition Österreichs gegenüber dem Ausland erhöhte sich gegenüber 2021 um etwa 9 Prozent auf 65,3 Mrd. Euro. Die Entwicklung von Direktinvestitionen und Investitionen in grenzüberschreitende Wertpapiere sei insbesondere durch Preisentwicklungen getrieben gewesen.

Die vorläufigen Daten für das Jahr 2022 lassen bei Direktinvestitionen laut Nationalbank "eine deutliche Abkühlung der Dynamik gegenüber dem Rekordjahr 2021" erwarten. Die Bestände bei aktiven Direktinvestitionen (ADI) betrugen zum Jahresultimo 238,4 Mrd. Euro (plus 4,1 Prozent), jene der passiven (PDI) 191,2 Mrd. Euro (plus 1,7 Prozent). Der Zuwachs sei "jedoch zum überwiegenden Teil auf Bewertungseffekte, verursacht durch Preiseffekte bei börsennotierten Unternehmen sowie einen schwachen Euro", zurückzuführen.

Bei Transaktionen beobachtete die Nationalbank eine differenzierte Entwicklung: Eigenkapitaltransaktionen und reinvestierte Gewinne stagnierten beziehungsweise waren demnach leicht negativ. Gleichzeitig seien vermehrt Finanzierungen innerhalb von Konzernen vergeben worden (ADI: plus 2,7 Mrd. Euro; PDI: plus 5,7 Mrd. Euro). "Ein Grund dafür könnten teurere Bankkredite aufgrund der Zinswende sein", so die Nationalbank.

Der Stand der grenzüberschreitenden Investitionen in Wertpapiere sei insbesondere in den ersten drei Quartalen 2022 "aufgrund von Bewertungseffekten deutlich zurückgegangen". Im vierten Quartal habe dann eine Erholung der Märkte eingesetzt. Die negativen Preiseffekte in den ersten drei Quartalen des Jahres seien einerseits auf die sinkenden Marktpreisbewertungen von verzinslichen Wertpapieren aufgrund der Zinspolitik sowie andererseits auf die Verluste an den Börsen zurückzuführen. Über das ganze Jahr betrachtet gingen die Verbindlichkeiten stärker als die Forderungen zurück, was laut OeNB einen positiven Effekt (plus 5,5 Mrd. Euro) auf die Nettovermögensposition Österreichs hatte.

Der Trend der Haushalte in Richtung vermehrte Investitionen in ausländische Wertpapiere "setzte sich auch im turbulenten Jahr 2022 fort". Der private Haushaltssektor habe 0,9 Mrd. Euro in ausländische verzinsliche Wertpapiere, 1,8 Mrd. Euro in Aktien sowie 2,9 Mrd. Euro in Investmentfonds-Anteilen investiert.

(APA)