Um die Klimaneutralität zu erreichen, werden für Elektroautos, Windräder und Solaranlagen Unmengen an Lithium oder Kobalt benötigt. Das sorgt für einen "grünen Wettlauf" in Afrika, wo viele dieser kritischen Rohstoffe im Boden liegen. Dabei würden sich Muster aus der Kolonialzeit wiederholen, kritisieren Samantha Hargreaves und Mkhululi Ncube, die am Donnerstag auf Einladung des Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC) zu Besuch in Wien waren.

Der Bergbau zur Gewinnung der kritischen Mineralien führe oft dazu, dass die lokale Bevölkerung auf weniger ertragreiches Land umgesiedelt werde. Zudem würden die Menschen vor Ort unter Umweltschäden und Konflikten leiden, die durch den Bergbau befeuert würden, sagt Hargreaves. Ihre NGO "WoMin" hilft vom Bergbau betroffenen Frauen sich zu organisieren. Die lokale Bevölkerung trage die Kosten für Rohstoffe, die Menschen anderswo für E-Autos bräuchten.

Das absurde daran sei, dass ein großer Teil der afrikanischen Bevölkerung selbst nicht mal Zugang zu Energie habe. So hätten 600 Millionen Menschen in Afrika keinen Zugang zu Licht, erklärt Ncube, Programmbeauftragter des African Minerals Development Centre der Afrikanischen Union. Man müsse sich bewusst werden, dass die sogenannten kritischen Mineralien für die reichen Länder "kritisch" seien, nicht für Afrika.

Für die afrikanischen Staaten hätten die Rohstoffe aber eine strategische Bedeutung. Der Run auf Lithium, Kobalt und andere Rohstoffe könne für afrikanische Länder eine Möglichkeit sein, die Industrialisierung voranzutreiben. Dafür dürften aber nicht nur Rohstoffe extrahiert werden, sondern es müsste ein größerer Teil der Wertschöpfungskette nach Afrika verlagert werden.

Eine wichtige Vorbedingung hierfür sei der Bau von neuen Grundlastkraftwerken. Hier ortet Ncube aber Scheinheiligkeit bei den reichen Länder: Sie würden solche Kraftwerke in Afrika oft aus Umweltgründen ablehnen - wenn ihre eigene Energieversorgung bedroht sei, wie nach dem Beginn des Ukrainekrieges, würde sie aber selbst wieder auf fossile Energieträger setzen. China, dass beim Run auf die Ressourcen des afrikanischen Kontinents aktuell die Nase vorn hat, begegne ihren afrikanischen Partner hier mehr auf Augenhöhe, so Ncube.

Seiner Meinung nach müssten die westlichen Staaten auch verstärkt geistiges Eigentum an afrikanische Staaten abgegeben, damit sich hier eine eigene Industrie rund um die kritischen Ressourcen entwickeln könne. Als positives Beispiel streicht Ncube ein gemeinsames Projekt der Demokratischen Republik Kongo und Sambia hervor. In einer Sonderwirtschaftszone wollen beide Länder eine gemeinsame Produktion von Batterien für E-Autos aufbauen. Wenn das Projekt gelinge, könne es eine Vorbildfunktion haben.

Wesentlich pessimistischer schätzt Hargreaves die Situation ein. Diese habe sich sogar verschlechtert. Als Beispiel nennt sie den Bauxit-Abbau in Guinea. Dort seien in der jüngeren Zeit ganze Landschaften zerstört worden. Die Menschen vor Ort müssten die Möglichkeit haben, "Nein" zu geplanten Bergbauprojekten zu haben. Ihnen gegenüber stünden aber globale Konzerne, deren Interessen von ihren - meist europäischen - Heimatstaaten geschützt würden.

Die meist schwachen staatlichen Strukturen in Afrika würden die Bevölkerung kaum schützen vor Unternehmen, deren Umsatz die Wirtschaftsleistung der einzelnen Länder oft um ein vielfaches übersteigt. Hargreaves wirft die Idee einer "Art OPEC für kritische Materialien"in den Raum, damit die afrikanischen Länder eine stärkere Position hätten. Eine Verbesserung könnte zudem das sich noch in den Verhandlungen befindende UN-Abkommen für Wirtschaft und Menschenrechte bringen. Das Abkommen soll die menschenrechtliche Verantwortung transnationaler Unternehmen festschreiben. Es bestehe aber das Risiko, dass am Ende nur eine sehr verwässerte Version bei den Verhandlungen herauskomme, so Hargreaves.

(APA)