Tanken ist wieder ähnlich günstig wie vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs © APA - Austria Presse Agentur

Die Teuerungswelle in Österreich ebbt langsam ab, doch der Abstand zur Inflation in der Eurozone hat sich im Mai leicht um 0,1 auf 2,6 Prozentpunkte vergrößert. Während die Preise in der Währungsunion im Schnitt um 6,1 Prozent stiegen, waren es in Österreich laut Schnellschätzung der Statistik Austria 8,8 bzw. EU-harmonisiert 8,7 Prozent. Schon zuletzt lag Österreichs Inflationsrate rund zwei Prozentpunkte über der Eurozone, was Ökonomen zunehmend Sorgen bereitet.

"Wir erwarten, dass der Unterschied zur Eurozone bestehen bleiben wird, aber nicht bei zweieinhalb Prozent", eher bei einem bis einem halben Prozentpunkt wie in der Vergangenheit, sagte Ökonom Josef Baumgartner vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) am Donnerstag. Der Abstand liege unter anderem auch daran, dass die Lohnabschlüsse in Österreich höher ausfielen als in anderen Euroländern. Insbesondere in Dienstleistungssektoren wie der Gastronomie und dem Tourismus schlagen höhere Arbeitskosten dann auf die Preise durch.

Der Trend der rückläufigen Inflation sei nach dem Ausreißer vom April aufrecht, so Baumgartner. Im Jahresverlauf sollten auch die wieder gesunkenen Strompreise bei den Haushalten ankommen und so die Teuerung abschwächen. Dass niedrige Preise bei Strom und auch bei Gas nicht früher bei den Endkunden ankommen, liege an der Vertragsstruktur vieler Energieversorger. Viele Bestandskunden hätten eine Tarifbindung und seien deshalb noch in teuren Verträgen "gefangen", erklärte Baumgartner.

Grund für die sinkende Inflation sind derzeit vor allem billige fossile Treibstoffe. "Auch bei den Nahrungsmitteln schwächt sich der Preisauftrieb weiter ab", erklärte Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas am Donnerstag. Die für Mai auf 8,8 Prozent geschätzte Teuerungsrate ist der niedrigste Wert seit Juni 2022. Im April hatte die Teuerung in Österreich noch 9,7 Prozent betragen. Von September 2022 bis Februar war sie zweistellig.

Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) sprach heute von einem "starken Rückgang" der Teuerungsrate, der vor allem auf die rückläufigen Energiepreise zurück zu führen sei. 'Wir sehen eine Dynamik nach unten", so der Minister am Rande einer Pressekonferenz.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) nannte den Rückgang "erfreulich", der Wert sei aber immer noch zu hoch. "Daher müssen wir nachfragesteigernde Maßnahmen sukzessive reduzieren", erklärte Brunner. Damit gemeint ist, dass das Geld der Regierung nach den hohen Einmalzahlungen an alle Haushalte im Vorjahr nun nicht mehr so locker sitzt. "Wir müssen jetzt noch stärker durch eine sukzessive Reduktion der expansiven Ausgabenpolitik zur Inflationssenkung beitragen", so Brunner.

Die wirtschaftsliberale und industrienahe Thinktank Agenda Austria wirft der Bundesregierung schon länger vor, durch die staatlichen Hilfsprogramme den privaten Konsum und die unternehmerische Nachfrage und damit auch die Preise hoch zu halten. Die Politik würde so die Preise aufblähen, wie die Interessensgruppe am Donnerstag darlegte.

Von Interessensvertretern aus der Wirtschaft kamen indes erneut Rufe nach Hilfsgeldern. Wo bleibe der versprochene Energiekostenzuschuss, fragte der Handelsverband am Donnerstag. "Wir reden hier von 486 Millionen Euro, die bei den Händlern hängen bleiben", so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Die Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ machten die Regierungsparteien ÖVP und Grüne für die Inflation verantwortlich. Die Regierung verantworte eine um drei Prozentpunkte höhere Inflation als Deutschland und juble darüber, kritisierte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. Für FPÖ-Chef Herbert Kickl habe die Regierung Österreich zum "Teuerungs-Hotspot" gemacht. Auch die NEOS warfen der Regierung vor, mit ihrer "Gießkannenpolitik" die Preise künstlich angeheizt haben. Die Grünen meinten, die "jüngst gesetzten Initiativen", die Anfang Mai angekündigt wurden, würden schon Wirkung zeigen.

Die SPÖ-Pensionisten nahmen die weiter hohe Inflation zum Anlass, um per Juli eine vorgezogene Pensionserhöhung um 5 Prozent zu fordern. Die Geldbörsen der Seniorinnen und Senioren würden Monat für Monat schmäler, sagte Peter Kostelka, Präsident des Pensionistenverbands (PVÖ). Der Gewerkschaftsbund ÖGB erneuerte seine Forderung nach Preiseingriffen, etwa bei Mieten.

Die Schnellschätzungen der Statistik Austria basieren auf dem zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bestehenden Preisdatenbestand. Normalerweise liegen schon etwa 80 bis 90 Prozent der für den Verbraucherpreisindex erhobenen Preise vor. Der endgültige Wert für Mai 2023 wird am 16. Juni veröffentlicht.