Die Europäische Kommission hat einen Gesetzesvorschlag für einen koordinierten Austritt der EU und der EU-Länder aus einem umstrittenen internationalen Energieabkommen vorgelegt. Der sogenannte Energiecharta-Vertrag sei nicht mehr kompatibel mit den Klimaambitionen der EU, teilte die Brüsseler Behörde am Freitag mit. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) begrüßte den Vorschlag eines EU-weiten Ausstiegs.

"Ich begrüße den Vorschlag eines EU-weiten Ausstiegs aus dem Energiecharta-Vertrag", erklärte Klimaschutzministerin Gewessler in einem der APA übermittelten Statement. Man habe sich in der Bundesregierung bereits im November, nach dem Scheitern der Modernisierung des Vertrags, darauf verständigt, einen Ausstieg zu prüfen, denn es gebe "grundlegende Kritikpunkte" am Energiecharta-Vertrag. "Er beschützt weiterhin Investitionen in fossiles Öl und Gas. Das schränkt unsere Handlungsfähigkeit im Kampf gegen die Klimakrise ein. Das kann nicht unser Ziel sein", so die Ministerin. Immer mehr EU-Staaten hätten sich bereits entschieden, aus dem Vertrag auszusteigen. "Ich halte es jetzt für den richtigen Zeitpunkt, dass auch Österreich diesen Schritt rasch setzt."

Um die Gleichbehandlung von Investoren in der EU und darüber hinaus sicherzustellen, sollten daher die EU, die Mitgliedsstaaten sowie die Europäische Atomgemeinschaft Euratom geordnet aus dem nicht modernisierten Vertrag austreten.

Eigentlich wollten die Kommission und die Länder den sogenannten Energiecharta-Vertrag modernisieren. Verhandlungen dazu waren aber gescheitert. Das 1998 in Kraft getretene Abkommen war geschaffen worden, um Investitionen in Gas-, Öl-, und Kohleprojekte zu schützen und steht bei Umweltorganisationen schon länger in der Kritik. Es erlaubt Investoren etwa Klagen gegen Staaten vor Schiedsgerichten. Dahinter steckt die Absicht, Unternehmen beim Investieren Sicherheit zuzusichern.

Die deutsche Regierung beschloss den Austritt Deutschlands bereits Ende vergangenen Jahres. Auch andere EU-Länder wie Frankreich, die Niederlande und Spanien haben den Rückzug angekündigt, Italien trat bereits 2016 aus. Die Ausstiegsfrist beträgt allerdings 20 Jahre. Ein gemeinsamer EU-Ausstieg muss nach Vorlage der Kommissionsvorschläge von den EU-Ländern und mit Zustimmung des EU-Parlaments beschlossen werden.

Der deutsche Bundesgerichtshof beschäftigt sich aktuell mit der Frage, ob EU-Staaten Schiedsverfahren auf Grundlage des Energiecharta-Vertrags vor nationalen Gerichten stoppen können. Unter anderem geht es um hohe Investitionen der Konzerne RWE und Uniper in niederländische Kohlekraftwerke. Ein Urteil wird Ende Juli erwartet.

Der Gewerkschaftsbund begrüßte in einer Aussendung den Vorschlag der EU-Kommission. Gemeinsam mit der AK fordere man schon länger diesen Schritt, sagte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Die Unterstützung dafür dürfe jedoch nicht nur von einem Teil der Bundesregierung, nämlich Gewessler, kommen, sondern müsse die österreichische Position beim Treffen im EU-Rat kommende Woche sein. Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) sei nun am Zug.

Aber auch die Umweltschutzorganisation Global 2000 sowie das globalisierungskritische Netzwerk Attac sprechen sich für den Ausstieg aus: "Wir fordern jetzt auch Wirtschaftsminister Kocher auf, sich für den Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag auszusprechen. Österreich darf hier nicht zum Blockierer werden. Wenn wir nicht schnellstmöglich aus dem Vertrag aussteigen, könnte das die EU-Klimaneutralität bis 2050 massiv gefährden", sagte Viktoria Auer, Klima- und Energiesprecherin von GLOBAL 2000, laut einer Aussendung.

"Kocher prüfe nun schon seit mehr als sieben Monaten den Ausstieg - bislang jedoch ohne Ergebnis", teilte Attac in einer Stellungnahme mit. "Es ist höchste Zeit, dass sich auch der Wirtschaftsminister von einem Vertrag verabschiedet, der sowohl gegen die Klimaziele als auch gegen EU-Recht verstößt", forderte Iris Frey von Attac Österreich.

(APA)