Im September waren 320.760 Leute ohne Job © APA - Austria Presse Agentur
Der seit April laufende Negativtrend am heimischen Arbeitsmarkt setzt sich weiter fort. 320.760 Personen waren per Ende September arbeitslos gemeldet oder in Schulung, das sind 14.601 Personen oder 4,8 Prozent mehr als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich leicht um 0,3 Prozentpunkte auf 5,9 Prozent. Die Arbeitslosigkeit stieg vor allem im Baubereich, im Gesundheits- und Sozialwesen und in der Industrie.
Die Arbeitslosigkeit sei "zwar noch immer langjährig verglichen auf einem relativ niedrigen Niveau", aber das Arbeitslosenplus im September sei "der höchste Anstieg heuer", so AMS-Vorstand Johannes Kopf am Montag im Ö1-"Mittagsjournal". Die Arbeitslosenzahlen würden "das Schreckgespenst einer hoffentlich nur technischen" Rezession" zeigen. Durch den starken Anstieg der Arbeitslosen und AMS-Schulungsteilnehmer im Vergleich zum Vorjahresmonat am Bau (+8,6 Prozent) und in der Warenherstellung (+6,6 Prozent) treffe das Plus nicht nur Männer (+6,4 Prozent) stärker als Frauen (+3 Prozent), sondern auch die Industrieländer Oberösterreich (+7,5 Prozent) und Steiermark (+6,2 Prozent) besonders, erklärte der AMS-Chef. Auch Ausländer (+11,9 Prozent) seien deutlich stärker von Arbeitslosigkeit inklusive Schulungen betroffen als Inländer (+0,2 Prozent).
Im Vergleich zum Vormonat August stieg die Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer im September aber nur um eine Person. "Diese Entwicklung zeugt einmal mehr davon, dass der österreichische Arbeitsmarkt weiterhin resilient ist und den aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen trotzt", sagte Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien. Die Lage am Arbeitsmarkt sei "überraschend stabil", viele Expertinnen und Experten hätten einen stärkeren Anstieg erwartet. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 war die Arbeitslosigkeit im September laut Arbeitsministerium auch um 13.704 Personen niedriger.
Unternehmen würden offenbar nur "sehr zögerlich" Stellen abbauen, damit sie im nächsten Aufschwung genug Arbeitskräfte haben, so Arbeitsminister Kocher. Ziel von vielen Unternehmen sei es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst "lange im Betrieb zu halten", weil es aufgrund der demografischen Entwicklung "mehr Knappheit" gebe. Die Zahl der beim AMS registrierten offenen Stellen ging im September um über 17 Prozent auf rund 106.400 zurück, der breiter gefasste Stellenmonitor des ÖVP-Wirtschaftsbund verzeichnete rund 216.200 offene Stellen in Österreich.
Die Opposition fordert von der Regierung mehr Initiativen gegen die steigende Arbeitslosigkeit: SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch drängt auf eine Ausbildungsoffensive. "Das wäre mal was anderes, Fachkräftemangel nicht nur zu beklagen, wie das die Regierung tut, sondern aktiv zu werden", so Muchitsch. FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch plädiert für eine restriktivere Einwanderungspolitik. "Der hohe Ausländeranteil unter den Arbeitslosen ist eindeutiger Beleg dafür, dass der Fachkräftemangel nicht durch Zuwanderung gelöst werden kann." NEOS-Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker forderte erneut eine Senkung der Lohnnebenkosten. Dadurch schaffe man "Spielraum bei den Lohnverhandlungen ohne die Wirtschaft noch mehr unter Druck zu setzen", sagte Loacker.
Auch die Arbeiterkammer spricht sich für eine Qualifizierungsoffensive für Arbeitslose und zukünftige Fachkräfte aus. "Für eine erfolgreiche Umsetzung dieser Ziele braucht das AMS deutlich mehr finanzielle Mittel und Personal", so AK-Präsidentin Renate Anderl. Derzeit laufen Gespräche rund um das AMS-Budget 2024 zwischen dem Finanzministerium, Arbeitsministerium und Arbeitsmarktservice. Kocher wollte die laufenden Verhandlungen am Montag nicht kommentieren, sondern verwies auf die Budgetrede von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) Mitte Oktober. Ebenso der ÖGB fordert mehr Personal und Budgetmittel beim AMS. Der Bedarf an Fachkräften werde aber auch in den kommenden Jahren nicht nachlassen und "kann nur gestillt werden, wenn auch ausreichend konkrete Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen angeboten werden", sagte ÖGB-Bundesgeschäftsführerin ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Ingrid Reischl.
Die Wirtschaftskammer appelliert an die Gewerkschaft, "die Unternehmen im Zuge der Lohnverhandlungen nicht zu überfordern". "Wenn die Rezession anhält und die Arbeitskosten steigen, wird es vielen Unternehmen nicht mehr möglich sein, ihre Beschäftigten alle zu halten", so WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf. Die Industriellenvereinigung sprach sich erneut für "eine gesamtstaatliche Fachkräftestrategie" aus. "Nur mit ausreichend Arbeits- und Fachkräften können wir den Arbeits- und Industriestandort Österreich sichern. Wir müssen Menschen in Beschäftigung bringen und jene, die bereit sind, mehr zu leisten auch belohnen", sagte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.
Im September starten traditionell viele Jugendliche mit ihrer Lehrausbildung. Ende September haben laut Ministerium 32.911 Personen in einem österreichischen Unternehmen eine Lehre begonnen, ein Anstieg von 1,8 Prozent im Vergleich zu September 2022. Es sei "eine sehr positive Nachricht", dass die Unternehmen und die öffentliche Hand die Lehrlingsausbildung forcieren, so Kocher. "Die österreichische Lehrlingsausbildung ist ein Erfolgsmodell, für das unser Land weltweite Anerkennung genießt." Nach Angaben des AMS gab es Ende September knapp 11.000 sofort verfügbare Lehrstellen und rund 8.200 sofort verfügbare Lehrstellensuchende.