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Interxion lud zu einem Expertentalk via Internet, in dem der arbeitspsychologische Impact des Lockdowns diskutiert wurde. Das förderte interessante Einsichten zutage.

Der Lockdown und der mehr oder weniger unfreiwillige Wechsel ins Homeoffice hat für viele Herausforderungen gesorgt und zumindest ebenso viele Fragen aufgeworfen. Während die technischen Aspekte in vielen Branchen vergleichsweise einfach zu lösen oder im Notfall zu improvisieren waren, damit der Betrieb weitergehen konnte, war den Einflüssen auf die Mitarbeiter teilweise schwerer beizukommen. Der Impact des Lockdowns auf die Psyche des Einzelnen hatte – und hat – immerhin eine große Schwankungsbreite, von subtil bis brachial.

Aber während die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise auf Unternehmen momentan eingehend diskutiert werden, wird der arbeitspsychologische Impact eher selten aufgegriffen. Der Co-Location-Anbieter Interxion, Betreiber des größten Rechenzentrums des Landes, hat sich deshalb des Themas angenommen und dazu Anfang Juli Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen zu einem Online-Expertentalk eingeladen. Der Titel lautete „Arbeitspsychologischer Impact des Lockdowns - Wenn das zweite Zelt fehlt“.

Das Zweite Zelt
Der Begriff das „Zweite Zelt“ ist möglicherweise nicht jedem geläufig. Karin Stopa von Interxion, die souverän durch den Talk führte, erklärte ihn deshalb. Er kommt aus der „physischen Welt“ und steht seit den 90er-Jahren für die Versorgung von jenen, die in Krisensituationen von Begleiterscheinungen und psychischen Belastungen betroffen sind – neben dem „ersten Zelt“, das beispielsweise der medizinischen Versorgung von Verwundeten im Falle einer Katastrophe oder eines Anschlages dient.

Die Expertenrunde bestand aus:
• Verena Thiem (Akademie für Veränderung), Change-Management-Expertin, selbständiger Business-Coach und Beraterin
• Günther Fischer (TTTech), für interne IT verantwortlich
• Pradeep Kumar (Greentube), Head of IT
• Petra Oswald-Ulreich (Interxion), HR-Managerin

Petra Oswald-Ulreich teilte die Effekte auf die Mitarbeiter in Gruppen ein: Das Gefühl der Isolation, die Entgrenzung von Arbeit und Freizeit und damit einhergehend (selbstauferlegte) lange Arbeitszeiten, teilweise ohne oder mit zu wenigen Pausen, Schwierigkeiten durch beispielsweise Kinder im selben Haushalt sowie Angstgefühle in Verbindung mit dem Anschein einer feindlichen Außenwelt. Interxion begegnete diesen Schwierigkeiten unter anderem mit täglichen Abstimmungen mit der Unternehmensführung, der Ermunterung zu einem vernünftigen Pausenmanagement, flexiblen und individuellen Lösungen hinsichtlich der Arbeitszeiten, klarer Kommunikation sowie dem Aufbau einer geschützten Umgebung im Büro für die Rückkehrer aus dem Lockdown. „Der digitale Raum hat alles geliefert, was wir zum Arbeiten gebraucht haben. Aber die physische Nähe hat gefehlt“, resümierte Oswald-Ulreich.

Auch für Pradeep Kumar waren es die nicht-technologischen Aspekte, die eine Herausforderung waren. Beispielsweise, dass den Mitarbeitern im Homeoffice auch Tische, Sessel und andere Arbeitsgeräte zur Verfügung gestellt und diese auch an den neuen Arbeitsort transportiert werden mussten. Aber auch hier spielte die interne Kommunikation eine wesentliche Rolle. Zwar favorisiert Greentube nach aktueller Planung noch bis Ende September das Homeoffice, „aber man muss den Leuten, denen die Decke daheim auf den Kopf fällt, die Möglichkeit geben, ins Büro zu kommen“.

Verena Thiem lenkte den Fokus weiter auf den menschlichen Faktor, insbesondere bei Führungskräften: „Worum es am Ende geht, ist das Menschsein, wo wir uns verbunden fühlen. Das ist die wichtigste Komponente für eine Führungskraft der neuen Zeit: Empathie, den Mitarbeiter dort abzuholen, wo er steht. Empathie für andere entwickelt man aber dadurch, Empathie für sich selbst zu entwickeln“ und setzte mit einem anschaulichen Beispiel fort: „Ich setze mir selbst die Sauerstoffmaske im Flugzeug auf, um anderen zu helfen.“

Transparenz und Kommunikation in der Krise
Alle Teilnehmer waren sich einig, dass die klare Kommunikation im Team und im ganzen Unternehmen, über alle Ebenen hinweg, wesentlich war, um den Mitarbeitern die Ängste zu nehmen.

Business Continuity Management war ebenfalls in allen Unternehmen ein Thema, wobei manche der vorgefertigten Pläne besser und andere nicht ganz perfekt auf die aktuelle Pandemie-Situation passten und daher ein Stück weit „zurechtgebogen“ werden mussten. Wie Günther Fischer anmerkte, war auch hier die Technologie-Seite nicht das Problem. Ein vorgefertigtes Desaster-Szenario, in dem Vorkehrungen getroffen wurden, falls ein Teil der Büroinfrastruktur nicht funktioniert, lag bereits in der Schublade und konnte angewendet werden. Und es wurde natürlich, wie bei den anderen Unternehmen, ein Krisenstab eingesetzt. „Der versucht aber eigentlich immer die Ursache zu beheben, was hier nicht möglich war. Deswegen stand Kommunikation im Mittelpunkt. In der Kommunikation ist die ganze Kette wichtig, also Mitarbeiter abzuholen, aber auch Kunden und Partner“, so Fischer

Petra Oswald-Ulreich ergänzte: „Am augenscheinlichsten war es, nicht nur zu kommunizieren, sondern auch Entscheidungen zu treffen. Das braucht die Mannschaft: Es gibt Menschen, die Entscheidungen treffen und es gibt einen Plan.“

Verena Thiem hakte bei dem Punkt der „Ursachenbekämpfung“ ein: „Was ich allen mitgebe ist, darauf zu schauen, worauf ich am meisten Einfluss habe – und das bin ich. In einer Krise kann man die äußeren Umstände nicht ändern. Was ist möglich im Rahmen meiner Möglichkeiten? Nach jedem Schritt kommt der nächste, am besten im Hier und Jetzt bleiben und die Ruhe bewahren. Einfach einmal tief durchatmen. Auch wenn es einfach klingt, es funktioniert wirklich.“

Zurück zur Normalität?
„Alle sagen: Zurück zur Normalität. Aber aus meiner Sicht war die Normalität, die wir bisher gelebt haben, Schein. Es ist normal, eine Stunde in die Arbeit zu fahren und eine Stunde wieder nach Hause. Viele erfolgreiche Unternehmen bieten seit Jahren Homeoffice. Das sollte eigentlich Normalität sein. Wenn ich denke, ich will ins Büro, dann sollte ich diese Entscheidung für mich treffen. Aber wenn nicht, sollte ich die Möglichkeit haben, von egal wo zu arbeiten – Hauptsache ich habe meinen Job gut gemacht. Das ist die Richtung, in die wir mit Greentube gehen wollen“, brachte Pradeep Kumar eine interessante Facette in den Expertentalk ein, die einem modernen, innovativen Unternehmen aus der Online-Welt auch gut zu Gesicht steht.

Zurecht gekontert wurde er aber von Günther Fischer mit einem wichtigen, nicht angreifbaren Aspekt: „Ein Büro vermittelt aber auch viel von der Unternehmenskultur, das ist kein unwesentlicher Faktor. Wir haben vielleicht noch nicht gelernt, das in die virtuelle Umgebung hineinzunehmen.“

Verena Thiem fasste abschließend zusammen: „Kommunikation ist eines der wichtigsten Instrumente. Denn wo Unsicherheit ist, entsteht Raum für Panik und Gerüchte. Es geht darum, gelassen zu bleiben. Aber es braucht auch Balance. Zu viel Information kann auch überfordern. Gebündelte Kanäle sind wichtig.“

Und Günther Fischer gab am Ende den Teilnehmern am Interxion-Webcast noch einen guten Rat mit auf den Weg, den man beherzigen sollte:“Wir sind noch nicht am Ende der Reise. Handeln sie jetzt, wenn sie es noch nicht getan haben. Sich jetzt auf den Herbst und einen möglichen zweiten Lockdown vorzubereiten ist wichtig. Bereiten sie sich intern auf Krisen vor und lernen sie dadurch – und holen sie sich Hilfe.“ (RNF)