Infrastruktur für Autonomes Fahren

NEW BUSINESS Innovations - NR.10, DEZEMBER 2017
Achtung – die Selbstfahrer ­kommen. Immer mehr Projekte im Bereich des autonomen ­Fahrens treiben die Entwicklung voran. © Bosch

Immer mehr Projekte und Tests werden weltweit im Bereich des autonomen Fahrens angegangen, auch in Österreich sprießen die Ankündigungen wie ­ Pilze aus dem Boden ...

... Doch ist die Infrastruktur für autonomes Fahren überhaupt schon aufgebaut?

Autonome Fahrzeuge sind mittlerweile ein weitreichendes Thema. Egal ob Autos, Lastwagen, Drohnen, Züge oder Schiffe – immer mehr Bereiche der Mobilität steuern in Richtung Autonomie. Erst unlängst veranstalteten die Austrian Israeli Chamber of Commerce (AICC), the Blue Minds Company, WeXelerate und der ÖAMTC einen Event zum Thema „The Future of Mobility“. Besonderer Programmpunkt war dabei die Keynote Speech von Lior Sethon, seines Zeichens Deputy General Manager of Aftermarket Division bei Mobileye. Im Rahmen einer Panel-Diskussion erörterten zudem die Mobility-Experten Walter Kreisel, CEO Kreisel Systems, Hermann Stockinger, CEO EasE-Link und Thomas Daiber, CEO Hubject Berlin, gemeinsam mit Sethon die Fragestellung „Will humans still drive in an autonomous future?“
Sethon präsentierte spannende Entwicklungen für die Zukunft des autonomen Fahrens und gab Einblicke in aktuelle Projekte des Unternehmens Mobileye. Das israelische Start-up, welches 2017 von Intel für 15,3 Mrd. Dollar übernommen wurde, ist ein wichtiger Anbieter für autonomes Fahren. Gegründet mit der Vision, Autounfälle zu verhindern, sei die Technologie des Unternehmens inzwischen in der Lage, Autos und relevante Verkehrsteilnehmer mit einer Präzision von 99,99 Prozent zu erkennen und damit Verkehrsunfälle erfolgreich zu verhindern.
Sethon zufolge stelle menschliches Fahrverhalten eine der größten Herausforderungen dar. Um eine Großzahl an Unfällen vermeiden zu können, habe die Software in einem aufwendigen Verfahren lernen müssen, „menschlich anstatt technisch korrekt zu fahren“. Ebenso sei es notwendig gewesen, eine neue Form des Mappings (REM) neben der Standardtechnologie GPS zu entwickeln, da die gegenwärtige Technik unpräzise Messergebnis liefere. Die von Mobileye entwickelte Technologie REM ermögliche ein Erkennen anderer Verkehrsteilnehmer bis auf zehn Zentimeter.

Warnhinweise für mehr Sicherheit
Neben der Entwicklung vollautomatischer Fahrzeuge präsentierte Sethon zudem Sekundärmarkt-Lösungen, um bereits gegenwärtig Fahrzeuge mit mehr Sicherheit auszustatten. Das sogenannte „single unit“ könne in jedes Fahrzeug integriert werden und senke durch die Abgabe von Warnhinweisen die Wahrscheinlichkeit, in einen Unfall verwickelt zu werden, signifikant ab. Obwohl in Israel bereits 70 Prozent der Autos mit diesem Device ausgestattet wurden, seien es in Österreich aktuell noch weniger als zehn Prozent, so der Experte.
Die Umsetzung von E-Mobility erfahre gegenwärtige einen großen Aufschwung. Kreisel erwarte beispielsweise eine vollständige Elektrifizierung bis zum Jahr 2030. Um dies zu ermöglichen, bedürfe es jedoch der Entwicklung einer adä­quaten Lade-Infrastruktur. EasE-Link-CEO Stockinger sieht hierbei vor allem eine Thematik für die Stadtzentren. Ziel sei es, eine Infrastruktur aufzubauen, die ein Aufladen des Autos bequem beim Parken ermögliche und dabei wirtschaftlich effizient vorgehe. Die Realisierung autonomen Fahrens sei laut Sethon „keine Frage der Technik, sondern eine Frage der Restriktionen“. Autonomes Fahren würde nicht nur „die Art und Weise, wie wir leben, sondern auch unsere Gesellschaft verändern – es ist keine Revolution, sondern eine neue Ära“. Jedoch sei auch die politische Unterstützung von zentraler Bedeutung, wie Daiber ergänzt. Um eine neue Ära einzuläuten, bedürfe es zum einen mehr Courage und Vertrauen in den Wandel, zum anderen Möglichkeiten zur Deregulierung.

Automatisierte Zustellung
Ein besonders wichtiges Thema im Zusammenhang mit autonomem Fahren ist dabei die Paketzustellung. Es stelle sich immer mehr die Frage, ob die Zustellung von Paketen im Stadtgebiet in naher Zukunft mit einem unbemannten E-Fahrzeug funktionieren könne, zeigen sich Branchenkenner überzeugt. Seit Juli führen Spezialisten der Technischen Universität in Graz zu diesem Thema umfangreiche Praxis­tests durch. Finanziert wird das Projekt von der Energie Steiermark und der Post AG. Ergebnis sei ein eigens adaptiertes, innovatives E-Mobil, „made in Styria“, dessen Technik neue Maßstäbe setzen könnte, wie die Beteiligten betonen. Erst kürzlich wurde im Zuge dessen der grün-gelbe „E-Post-Roboter auf Rädern“ erstmals der Öffentlichkeit offiziell vorgestellt.
Der Prototyp des vollautonomen „Jetflyer“ von i-Tec Styria navigiere in Schrittgeschwindigkeit selbstständig und ohne Fahrer zu unterschiedlichen, programmierten Zielen in der Grazer Innenstadt. Die Adressaten würden bei der Ankunft des Jetflyers per SMS informiert und könnten ihr Paket selbst aus den Boxen entnehmen. „Wir sehen in der E-Mobilität generell großes Potenzial und investieren derzeit 3,2 Millionen Euro in 150 neue E-Tankstellen“, erläutert Vorstandssprecher Christian Purrer von Energie Steiermark. „Diese Innovations-Partnerschaft mit der Post eröffnet neue Möglichkeiten, die wir ganz offensiv entwickeln wollen“. Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen für neue Geschäftsmodelle genützt werden. „Durch das Jetflyer-Projekt erschließen sich neue Anwendungsgebiete, die wir möglichst rasch unseren Kunden als Dienstleistungen anbieten werden“, unterstreicht Vorstandsdirektor Martin Graf.

Innovative Lösungen bieten
„Als landesweit führender Paketdienstleister erproben wir laufend innovative Transport- und Logistiksysteme mit dem Ziel, unseren Kunden neue, individuelle Lösungen und ein breites Leistungsportfolio bieten zu können. Die Evaluierung, Pilotierung und der Bau von Prototypen sind dabei enorm wichtig, um die Möglichkeiten für die Zukunft optimal ausloten zu können. Gemeinsam mit unseren heimischen Partnern hat die Österreichische Post AG nun ein Konzept zur automatisierten Paketzustellung erarbeitet und in einem ersten Schritt das autonome Fahren im urbanen Raum erfolgreich getestet – wir sehen hierbei große Potenziale und werden daher in diesem Bereich die Forschung und Entwicklung weiter vorantreiben“, ergänzt Peter Umundum, Vorstand Paket & Logistik der Österreichischen Post AG.
Das Grundkonzept für den autonomen Jetflyer entstand im Rahmen einer Diplomarbeit am Institut für Softwaretechnologie. Konkret wurde dabei ein handelsüblicher Jetflyer in Zusammenarbeit mit dem Institut für Fahrzeugtechnik aufwendig umgebaut. So wurden Paketboxen montiert, wofür der Fahrersitz verkleinert wurde. Sensorik und Rechner mit entsprechender Software für die autonome Steuerung und die Navigation des Fahrzeuges (automatische Ortsbestimmung im urbanen Raum mittels Karten und Lasersensoren, effiziente Routenplanung und zuverlässige Vermeidung dynamischer Hindernisse) wurden integriert. Das freie, autonome Navigieren im urbanen Raum stelle im Vergleich zu Indoor-Umgebungen durch die erhöhte Komplexität und Dynamik der Umgebung eine große Herausforderung dar, wie die Forscher betonen. (TM)
www.post.at, www.e-steiermark.com
www.aicc.at, www.mobileye.com
www.kreiselsystems.com

INFO-BOX
Besser orientiert dank maschinenlesbarer Schilder
Der Multitechnologiekonzern 3M plant, Verkehrsschilder und Fahrbahnmarkierungen mit maschinenlesbaren Daten zu versehen. Die neue Technologie soll selbstfahrenden Autos eine bessere Orientierung bieten und so die Sicherheit erhöhen. Unsichtbare Barcodes sollen künftig über Tempolimits und Fahrbahnsperren informieren und Koordinationsdaten übermitteln. Die Technologie ergänzt bereits vorhandene Kamera- und GPS-basierte Systeme. So wird autonomes Fahren auf vernetzten Straßen sicherer. Die Lösungen von 3M sollen bei Regen, Nebel und Schnee funktionieren, benötigen keinen Strom, keine Elektronik und kein GPS.
Derzeit testet 3M seine intelligenten Materialien auf verschiedenen Teststrecken, unter anderem in Michigan, USA. Als Kooperationspartner konnte das Unternehmen die US-Autohersteller Ford und General Motors gewinnen. Gemeinsam mit dem Verkehrsministerium des Bundesstaates und weiteren Partnern aus der Industrie werden dort Baustellen mithilfe der neuen Technologie sicherer gemacht. Selbstfahrende Autos reduzieren ihr Tempo frühzeitig, um die Baustelle vorsichtig zu passieren.