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Safety first!

NEW BUSINESS Guides - AUTOMATION-GUIDE 2018
Arbeitsunfälle zu vermeiden ist ein wichtiger Faktor für die ­Produktivität moderner ­Industriebetriebe. © obs/TÜV Rheinland AG/Thomas Ernsting

Essenzielle Voraussetzung der intelligenten ­Produktion

Die Vermeidung von Arbeitsunfällen stellt einen nicht zu unterschätzenden Faktor für die Produktivität moderner ­Industriebetriebe dar. Unter dem Titel „Sicherheit in ­intelligenten Produktionsumgebungen 4.0“ sucht daher ein Forschungsprojekt nach Wegen, die Arbeitssicherheit ­beim Einsatz mobiler Roboter zu gewährleisten.

Roboter treten im Arbeitsalltag in der Industrie zunehmend häufiger auf, neben stationären Modellen kommen auch mobile Systeme immer öfter zum Einsatz. „Sicherheit in intelligenten Produktionsumgebungen 4.0“ wurde ein Forschungsprojekt der FH Technikum Wien benannt, im Rahmen dessen die Arbeitssicherheit beim Einsatz mobiler Roboter gewährleistet und erhöht werden soll. „Ohne sichere IT-Systeme der vernetzten Maschinen ist diese nicht denkbar. Wenn ein Roboter außer Kontrolle gerät, weil er gehackt wurde, hat das mitunter schlimme Konsequenzen“, erläutert Walter Wölfel, stellvertretender Studiengangsleiter für Wirtschaftsingenieur­wesen, der das Projekt am Institut für Advanced Engineering Technologies an der FH Technikum Wien leitet.
Im Zentrum des von der Stadt Wien geförderten Projekts SIP4.0 stehe die Frage, wie intelligente Logistik- und Transportroboter, die sich im Umfeld von Menschen, Maschinen und Anlagen in der Produktion bewegen sollen, ausgerüstet und programmiert sein müssten, um sicher zu funktionieren. „Selbstverständlich betrifft das auch Komponenten wie Sensoren, das Datennetzwerk oder Indoor-GPS-Geräte für die Positionsbestimmung, bei denen ebenfalls die IT-Security die entscheiden­de Rolle spielt“, sagt Wölfel und verweist auf ein Praxisbeispiel. So habe ein führender österreichischer Kabelhersteller für die Automobilindustrie den Testbetrieb mit selbstfahrenden Staplern auf­genommen und sehe sich laut Wölfel mit genau diesen Problematiken konfrontiert.

Industrial Internet of Things – enorme Heraus­forderung für kleine und mittlere Unternehmen
„Für kleinere und mittlere Unternehmen ist die Beschaffung oder Eigenentwicklung derartiger Systeme insofern eine große Herausforderung, als sie umfangreiche gesetzliche Sicherheitsvorschriften berücksichtigen müssen“, erläutert Wölfel. Das Endziel des dreijährigen Projekts bestehe deshalb auch in einer praxistauglichen Guideline für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die alle Aspekte für den sicheren Betrieb mobiler Robotersysteme abdecke. Dabei assistiere der TÜV Austria als Subauftragnehmer. „Wir werden dazu auch einen eigenen mobilen Roboter bauen und in der digitalen Fabrik testen“, verspricht Wölfel. Wobei organisatorische Lösungen mitunter effektiver sein könnten als technische. „Zum Beispiel hat der renommierte Kabelhersteller bei seinen autonom fahrenden Staplern die Steuerplattform entfernt, um zu verhindern, dass Mitarbeiter auf das Gefährt aufspringen.“
Das Projekt sei in der Smart Production angesiedelt und beforsche eine „essenzielle Voraussetzung der intelligenten Produktion“ – die Sicherheit. Intelligente Produktionskonzepte wie Industrie 4.0 und Smart Production würden Arbeits­situationen und damit die Anforderungen an die Sicherheit verändern. Dies habe mehrere Ursachen. Einerseits verschmelzen in der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine die Grenzen (Stichwort Collaborative Robotics), sodass zu klären sei, wie im gleichen Arbeitsraum Sicherheit erreichbar sei. Andererseits sei aufgrund des zunehmenden Softwareanteils in der intelligenten Produktion die Maschinensicherheit immer ­stärker von der IT-Sicherheit bestimmt. Maschinensicherheit (Safety) und IT-Sicherheit (Secu­rity) seien heute nicht mehr trennbar. Hinzu kommen neue Risiken sowie die Tatsache, dass sich aufgrund der Vernetzung lokale Risiken unter Umständen im Maschinennetzwerk exponentiell verstärken könnten.

Kritische Lücken in Sicherheitssystemen
Aktuelle Sicherheitskonzepte würden aber künftigen Anforderungen noch lange nicht genügen. Kritisch sei beispielsweise insbesondere die feh­lende Integration von Safety und Security. Eine wichtige Frage sei im Rahmen dessen beispiels­weise, wie in Sicherheitskonzepten mittels IT-Security die funktionale Safety gewährleistet werden könne. Da die Entwicklung technischer Standards und Normen hinter dem Tempo der Technologieentwicklung zurückbleibe, würden vielen Unternehmen technische Leitlinien und rechtssichere Regelwerke fehlen. Das fehlende Know-how gefährde dabei heutige und künftige Wettbewerbspositionen.
Hier seien, betont der Experte, aus Sicht des Innovations- und Wirtschaftsstandorts Wien insbesondere die FHs gefordert, dem Arbeitsmarkt hoch qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung zu stellen. Allerdings entspreche der Erfahrungsstand österreichischer FHs, die sich mit Sicherheit in der Produktion beschäftigen, meist erst dem Stand Industrie 3.0. So würde etwa derzeit die wichtige Integration der Gebiete Safety und Security ­komplett fehlen.
Das Projekt soll daher die komplexen Wechselwirkungen von Safety und Security in der Smart Produktion für relevante Gefährdungen in vier Anwendungsszenarien analysieren und auf dieser Basis ein integriertes Sicherheitskonzept inklusive eines Umsetzungsleitfadens für die Praxis entwickeln, welches TÜV-Anforderungen an eine zukunftsfähige, rechtssichere Sicherheit genüge. Dieses Sicherheitskonzept werde in der digitalen Fabrik der FHTW als Pilotprojekt implementiert, validiert, und vom TÜV Austria zertifiziert; die digitale Fabrik werde so zum „Living Lab“ für den Wissenstransfer an Unternehmen und Hochschulen. Anschließend werde in einem Leitprojekt mit einem Wiener Unternehmen die Praxistauglichkeit abgesichert.

Sicherheitslösungen mit Vordenkercharakter
Das Projekt sei in den FTI-Schwerpunktfeldern IKT und Smart Production der Strategie „Innovatives Wien 2020“ angesiedelt, die Projektziele würden zu 100 Prozent zur Wiener FTI-Strategie beitragen, betonen die beteiligten Forscher. Die digitale Fabrik solle zur Lern- und Forschungsplattform für Sicherheitslösungen mit Vordenkercharakter im Bereich Smart Production entwickelt werden. Das Projekt fördere nachhaltig die Zukunftsfähigkeit der FH Technikum Wien und stärke den Standort Wien mit den ansässigen Unternehmen, Hochschulen und weiteren Institutionen im Umfeld der intelligenten Produktion.
An der FH JOANNEUM Kapfenberg wurde das Smart Production Lab eröffnet. Die Lehr- und Forschungsfabrik schaffe einen offenen Platz für Kreativität und Innovation für die digitale Produktion. Vor allem die vertikale und horizontale Integration von IT und Daten sowie deren Sicherheit stünden dabei im Fokus. Vertikal bedeutet vom Managementsystem in die Produktion, horizontal vom Lieferanten über das eigene Unternehmen zu Kundinnen und Kunden. In beiden Bereichen seien bei vielen Firmen noch Potenziale vorhanden.
„Das neue Smart Production Lab ist ein weiteres Beispiel für die herausragende Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft in der Steiermark. Es wird in Zukunft wesentlich dazu beitragen, wichtige Themen im Zusammenhang mit der Digitalisierung zu erforschen und damit die Chancen der Digitalisierung für die Steirerinnen und Steirer zu nutzen“, betont Wirtschafts- und Wissenschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl.

Praxisnahe Entwicklung
In Form von Use-Cases an sieben Stationen sowie drei Speziallabs solle daher diesem Potenzial begegnet werden. Mit industriewirtschaftlichen Prozessen sollen sich die Stationen Service ­Engineering, Design & Engineering, Einkauf & ­Supply-Management, Produktionsplanung & -logistik, Smart Production, ERP & Reporting sowie Distribution & Materialwirtschaft beschäftigen. Im FabLab, einer offenen Werkstatt, könnten Erfinder, Gründer und Interessierte ihre Ideen mithilfe modernster Produktionsverfahren um­setzen. Der Weg zum Prototyp werde so geebnet und vereinfacht.
„Das Smart Production Lab ermöglicht eine ­praxisnahe Ausbildung der Studierenden. Das ist nicht nur für die Unternehmen, bei denen die Absolventen künftig arbeiten werden, von Vorteil, sondern auch für sie selbst. Sie können so frühzeitig tief in ihr künftiges Arbeitsumfeld eintauchen und dabei ihre Talente weiterentwickeln und spezialisieren. Wichtig ist mit, dass auch bei Mädchen und jungen Frauen verstärkt das Interesse für technische und naturwissenschaftliche Berufe geweckt wird und sie ermutigt werden, sich auch in bisher männerdominierte Berufsfelder vor­zuwagen. Das ist ein wichtiger Beitrag für die Chancengleichheit von Mann und Frau“, sagt Ursula Lackner, Landesrätin für Bildung und Gesellschaft.
Im IT Security Lab würden hingegen Themen rund um die Sicherheit von sensiblen Daten, Software, Netzwerken und industriellen Steuerungssystemen behandelt – mit Laborinfrastruktur, die innovativste Forschung und Lehre ermögliche. „Die Auswirkungen von Cyberangriffen auf industrielle Steuerungssysteme können verheerend sein. Neben dem großen finanziellen Schaden durch Produktionsausfälle und Industriespionage sind auch Gefahren für Menschen nicht mehr ausgeschlossen“, betont Klaus Gebeshuber, FH-Professor für IT-Security, FH JOANNEUM. „Der große Vorteil der zunehmenden Vernetzung birgt zusätzliche Gefahren durch die erweiterten Angriffsflächen, die damit Hackerinnen und Hackern zur Verfügung stehen. Bisher isolierte Systeme sind nun plötzlich aus Büronetzwerken oder per Fernwartung erreichbar. Die Umsetzung einfacher Hausaufgaben in der IT-Architektur und in der Security-Awareness von Mitarbeitern kann allerdings das Sicherheitsniveau mit geringen Mitteln massiv erhöhen.“

Selbstlernende Arbeitsplätze
Ein weiteres Speziallabor sei das SAP Next-Gen-Lab: Dieses verstehe sich als Plattform für Co-Innovation, um Universitäten, deren Forscherinnen, Forscher und Studierende mit Unternehmen und Start-ups zu verbinden. „Die Digitalisierung bringt viele Vorteile, aber auch einige Herausforderungen mit sich: Datenmanagement, Programmierung oder Software Engineering sind Themen, bei denen wir – auch im Rahmen des neuen IT Security Lab – Unternehmen sehr gut unter­stützen können“, sagt Sonja Gögele, Leiterin des Instituts Internettechnologien & -Anwendungen, FH JOANNEUM.
Mit dem BionicWorkplace hat der Technikkonzern Festo einen selbstlernenden Arbeitsplatz für die Mensch-Roboter-Kollaboration präsentiert, der die Vorteile des pneumatischen Leichtbau­roboters BionicCobot mit IT-Systemen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz verbindet. Der flexible Arbeitsplatz sei mit zahlreichen Assistenzsystemen und Peripheriegeräten ausgestattet, die miteinander vernetzt sind und untereinander kommunizieren. Neben künstlicher Intelligenz würden Machine-Learning-Methoden den BionicWorkplace zu einem lernenden und antizipativen System machen, welches sich kontinuierlich selbst optimiere, wie der Konzern verspricht. Der Mensch könne dabei direkt mit dem BionicCobot interagieren und ihn über Bewegung, Berührung oder über die Sprache steuern. Auch eine Fern­manipulation des Systems sei möglich. (TM)
www.technikum-wien.at
www.fh-joanneum.at
www.festo.com