Die Gesellschaft unterstützte Firmen während der Pandemie © APA - Austria Presse Agentur

Die Stadt Wien muss für ihre während der Coronapandemie gegründete Beteiligungsgesellschaft "Stolz auf Wien" harsche Kritik einstecken. In einem am Freitag veröffentlichten Rechnungshofbericht ist von Intransparenz und einer sehr großzügigen Auslegung der eigenen Auswahlkriterien die Rede. Die Gesellschaft sollte Firmen zeitlich befristet unterstützen. Beteiligt hat sie sich an unterschiedlichsten Unternehmen - von Lokalen über Handelsunternehmen bis hin zu Schmuckerzeugern.

Entwickelt wurde das Modell 2020 gemeinsam von Stadt und Wirtschaftskammer. Sie sind auch Gesellschafter, wobei die Stadt über die Wien Holding 80 Prozent und die Kammer 20 Prozent an der GmbH hält. Als stille Gesellschafter sind auch Kreditinstitute und private Investoren mit an Bord. Allein das sorgte bei den Prüfern für Skepsis. Man sehe einen potenziellen Interessenkonflikt, hieß es. Während die öffentlichen Eigentümer vor allem Unternehmen mit dringendem Unterstützungsbedarf fördern wollten, seien für die privaten Investoren eher die Gewinne von Interesse gewesen.

Verhaltener Andrang

Die Gesellschafter und Investoren übten ihr Stimmrecht laut dem Bericht entsprechend dem Verhältnis der tatsächlich geleisteten Investitionsbeiträge aus. Holding und Kammer waren, obwohl sie 100 Prozent des Stammkapitals vertraten, darum nur mit 63 Prozent stimmberechtigt. "Durch das Erfordernis einer Mehrheit von 85 Prozent bei wichtigen Entscheidungen war der Einfluss der privaten Investoren auf die Verwendung des Investitionskapitals größer, als es ihren Anteilen am Gesellschaftskapital entsprach", hielt der Rechnungshof fest.

Der Andrang auf die Unterstützung war aber offenbar nicht überbordend. Trotz zweimaliger Verlängerung der Investitionsphase haben sich weniger Unternehmen als erwartet gefunden. Insgesamt meldeten sich 162 Unternehmen bei der Gesellschaft. Davon kamen 30 Beteiligungen zustande. So wurden von den 38,75 Mio. Euro, die verfügbar gewesen wären, bis Ende Mai 2023 lediglich 28 Mio. Euro abgerufen. Aus Sicht des Rechnungshofes lag dies auch daran, dass die Investitionsbedingungen für viele Unternehmen wenig attraktiv waren.

Eine Beteiligung Dritter kam für viele Unternehmen etwa nicht infrage, weil sie nicht bereit waren, Eigentümerrechte abzutreten oder umfangreiche Einsichtsrechte zu gewähren, erläuterte der RH. Von den 30 Beteiligungen waren bis Anfang November 2023 jedenfalls drei Unternehmen in Konkurs gegangen, bei drei weiteren Unternehmen waren Sanierungsverfahren anhängig. Die drei Konkurse erforderten laut dem Bericht eine Wertberichtigung von annähernd 3 Mio. Euro.

Kriterien weit ausgelegt

An sich war geplant, dass sich "Stolz auf Wien" an Wiener Firmen beteiligt, die noch nicht insolvent waren. Die Prüferinnen und Prüfer stellten jedoch fest, dass die Gesellschaft beispielsweise 1 Mio. Euro in ein Unternehmen investierte, das bereits vor der Pandemie wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte. Andere wiederum sollen bereits vor Vertragsunterzeichnung ein Sanierungsverfahren beantragt haben. Auch bei weiteren Unternehmen stellte der Rechnungshof laut eigenen Angaben fest, dass die Gesellschaft Beteiligungen nur deshalb eingehen konnte, weil sie ihre selbst aufgestellten Auswahlkriterien weit auslegte.

Denn im Kriterienkatalog war eine starke "Wiener Identität" festgehalten. Trotzdem floss Geld offenbar auch in Start-ups bzw. an Betriebe, die gar nicht in Wien beheimatet waren. Rund ein Drittel der Unternehmen hatten zudem weniger als zehn Beschäftigte. Laut Kriterienkatalog sollten es jedoch zwischen zehn und 250 Mitarbeiter sein. Auch gab es einen Fall, wo die erforderliche Betroffenheit durch die Pandemie fehlte. Unterstützt wurde laut RH nämlich auch ein Unternehmen, das im Bereich Versandhandel tätig war und von der Corona-Situation sogar profitiert haben soll.

Die Prozesse zu den Entscheidungen über die Verwendung des Investitionskapitals wurden laut Bericht als intransparent erachtet. Denn Protokolle zu den informellen Investorenversammlungen fehlten demnach. Der RH empfahl der Wien Holding, die Entscheidungsfindungen künftig "nachvollziehbarer" zu gestalten.

Entwicklung wirtschaftlich nicht positiv

Auch sollte die Beteiligungsdauer flexibel gestaltet werden, damit auch Veräußerungen vor Ende der - bis zu sieben Jahre dauernden - Laufzeit möglich seien, hieß es. Damit könnte die Gesellschaft ihre Beteiligungen besser steuern. Derzeit sei das nicht möglich, wurde kritisiert. Aktuell hätten nur die Unternehmen jederzeit die Möglichkeit, das Beteiligungsverhältnis zu beenden und einen für sie günstigen Zeitpunkt zu wählen, um ihre Anteile zurückzukaufen.

Verwiesen wurde auch auf die mittelfristige Planung der Gesellschaft. Demnach war das Portfolio bereits im Sommer 2023 "wirtschaftlich nicht tragfähig". "Es konnte bis Ende 2028 nicht mehr von einer positiven Wertentwicklung der Gesellschaft (...) ausgegangen werden", wird konstatiert.

Gesellschaft verweist auf rasche Hilfe

Bei "Stolz auf Wien" verwies man darauf, dass die Stadt und die Wirtschaftskammer sich während einer "weltweit dramatischen Situation" als Partner für den Standort Wien positioniert hätten - nämlich schon kurz nach dem Ausbruch der Pandemie. "Zu diesem Zeitpunkt gab es keinerlei Projekte oder finanzielle Unterstützungen", hob man in einer der APA übermittelten Stellungnahme hervor.

Mit dem Projekt sei nach weitreichenden Prüfungen insgesamt 50 Unternehmen in Form einer Beteiligung oder mit der Variante des Genussrechts geholfen worden. In 20 Prozent sei eine Rückzahlung bereits erfolgt, 30 Prozent der Betriebe seien in Sanierung oder Konkurs. Es handle sich auch um keine "Gratisleistung", beteuerte man. Denn die Unternehmen würden die Anteile nach dem Wert entsprechend zurückkaufen. "Dabei ist festzuhalten, dass diesem Projekt nicht die Gewinnmaximierung zugrunde liegt."

Das Modell sei Wirtschaftsprüfern vorgelegt worden, auch habe ein unabhängiger Beirat Empfehlungen abgegeben. Die Anwendung der Auswahlkriterien sei in einem dynamischen Umfeld erfolgt. "In Einzelfällen wurde bewusst Spielraum genutzt, um Unternehmen mit akutem Finanzbedarf nicht auszuschließen." Die Geschäftsführung habe gegenüber dem RH klargestellt, dass diese Entscheidungen dokumentiert, in jeweiligen Kontext nachvollziehbar und in Abstimmung mit den Investoren erfolgt seien.

Opposition ortet "Reinfall" und fordert Konsequenzen

Die Wiener FPÖ ortete in einer Reaktion einen "millionenteuren Reinfall" voller Intransparenz und "Freunderlwirtschaft". Parteichef Dominik Nepp mutmaßte, dass Gewinninteressen einzelner über dem öffentlichen Auftrag stünden, Wiener Betriebe in der Krise zu unterstützen. "Das Programm hat nicht gerettet, sondern Geld versenkt." Auch sei das Regelwerk bis zur Unkenntlichkeit verbogen worden, um eine politische Show zu machen, ärgerte sich der FPÖ-Politiker.

Die grüne Budgetsprecherin Theresa Schneckenreither beklagte in einer Stellungnahme ebenfalls, dass öffentliche Gelder zur Renditeabsicherung privater Investorinnen und Investoren missbraucht würden: "Aus diesem Bericht muss die Wiener SPÖ endlich lernen: Förderinstrumente brauchen strenge Compliance-Regeln - und es muss von Anfang an klar sein, welchen konkreten Nutzen die Stadt Wien davon hat."