++ ARCHIVBILD ++ Der Handel weist den Vorwurf der Preistreiberei von sich © APA - Austria Presse Agentur
Der Vorschlag von Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ), die Teuerung durch Preiseingriffe bei Lebensmitteln zu bekämpfen, hat auch am Mittwoch einige Experten auf den Plan gerufen, die diesem Vorschlag großteils mit Skepsis begegneten. Dass die Inflation im Juli auf 3,5 Prozent gestiegen ist, lag weniger an den teuren Lebensmitteln, als an den Preisen für Haushaltsenergie, vor allem Strom, zitierten die "Salzburger Nachrichten" den WIFO-Teuerungsexperten Josef Baumgartner.
Eine Preiskontrolle habe nicht einmal die Links-Regierung in Spanien eingeführt, so Baumgartner. Dort wurden die Mehrwertsteuersätze gesenkt. Davon würden absolut aber die Vermögenden mehr profitieren, ergänzte der WIFO-Ökonom. Eine Umsetzung würde erst gegen Jahresende greifen - also just dann, wenn der Preisschub durch das Auslaufen der Strompreisbremse, durch die wieder verhängten Ökostromzuschläge und höhere Netzkosten wegfallen würde.
Europäisches Problem
Für Holger Bonin, Chef des Instituts für höhere Studien (IHS), ist es fraglich, ob Mehrwertsteuersenkungen bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommen würden. Schließlich kämen auch Unternehmen durch Inflation und Kostensteigerungen unter Druck. Abgesehen davon käme eine Steuersenkung wegen der Budgetnöte des Staates ohnehin nicht in Frage, wie auch Marterbauer erklärte.
Die steigenden Lebensmittelpreise seien zudem kein österreichisches, sondern ein europäisches Problem: Durch die Maul- und Klauenseuche seien die Fleischpreise gestiegen, sagte Baumgartner. Kaltes Wetter und geringere Ernten verteuerten Obst und Gemüse, Ernteausfälle bei einzelnen Produkten wie Orangen und Kaffee seien auf den Klimawandel zurückzuführen, merkte Bonin an.
Staatliche Impulse
Wirksamer als Preiseingriffe seien laut Bonin staatliche Impulse, wie der forcierte Neubau, eine höhere Wechselbereitschaft im Energiesektor sowie mehr Preistransparenz im Lebensmittelbereich. Eine geringere Dichte an Lebensmittelmärkten würde die Fixkosten senken - Konsumenten müssten dafür aber längere Wege in Kauf nehmen. Bonin schlägt aber auch vor, Hilfsbedürftige mit Zuschüssen zu unterstützen.
Eine gewisse Zurückhaltung bei den Lohnverhandlungen könnte positive Auswirkungen auf die Inflation haben, zitierten die "Oberösterreichischen Nachrichten" den IHS-Ökonomen Sebastian Koch. Für PRO-GE-Vorsitzenden Reinhold Binder hat bei den Lohnverhandlungen hingegen die Sicherung der Kaufkraft Priorität, wie die "Oberösterreichischen Nachrichten" am Mittwoch berichten.
Förderung des Schwarzmarktes
Preisgedeckelte Produkte seien keine Lösung, wie das Beispiel Ungarn zeige, merkt Koch an. Händler würden Produkte, mit denen sie keinen Gewinn erzielen, nicht mehr anbieten. Das würde den Schwarzmarkt beflügeln.
Ähnlich sieht dies Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrates im Ö1-Mittagsjournal: Es stelle sich die Frage, was etwa zum Grundbedarf zähle. Eine staatliche Preisfestsetzung müsse irgendwann aufgehoben werden - und würde dann zu einem neuerlichen Preisschub führen. Zudem sei bei preisregulierten Standardprodukten nicht mehr gewährleistet, dass diese vom Handel geführt werden, so Badelt.
Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will begründet die höheren Preise mit den gestiegenen Kosten des Handels - die Rentabilität liege zwischen 0,5 und 2,5 Prozent. Hohe Kosten würden den Handel belasten. Den Handel für die Preissteigerungen verantwortlich zu machen, sei "wie wenn man den Postboten für den schlechten Steuerbescheid verantwortlich macht", sagte Will im Ö1-Morgenjournal.
"Österreich-Aufschlag" der Industrie
Zudem verweist Will auf territoriale Lieferbeschränkungen. Große Hersteller würden es Einzelhändlern sehr schwer machen oder gar unmöglich machen, Produkte in anderen EU-Ländern zu beziehen und weiterzuverkaufen. Internationale Hersteller könnten daher in den einzelnen Ländern unterschiedliche Preise verlangen, wobei hier in der Regel kleinere Länder wie Österreich oder Belgien benachteiligt wären.
Marterbauer verwies auf das Beispiel Cremissimo-Eis, das in Österreich um 5,99 Euro angeboten werde, in Deutschland um 2,89 Euro. Die Bundeswettbewerbsbehörde bezeichnete dies als "Österreich-Preisaufschlag" der globalen Nahrungsmittelindustrie. Der Finanzminister sollte sich auf EU-Ebene für ein Verbot dieser Praxis einsetzen, so Will. Damit ist Will einer Meinung mit der Arbeiterkammer (AK): AK-Ökonom Michael Ertl verweist ebenfalls auf den "Österreich-Aufschlag" bei Markenprodukten.
Man müsse überprüfen, inwieweit die Industrie tatsächlich einen "Österreich-Aufschlag" verrechne, sagt Badelt. Sollte dies zutreffen, wäre dies ein Fall für die EU-Kommission. Andernfalls müsste man für eine höhere Wettbewerbsintensität sorgen, merkte Badelt an.