Hohe Inflation und schärfere Finanzierungsbedingungen erhöhen Risiken. © APA - Austria Presse Agentur

Die Europäische Zentralbank (EZB) warnt wegen der jüngsten Banken-Turbulenzen, einer hartnäckigen Inflation und schärferer Finanzierungsbedingungen vor erhöhten Risiken für die Stabilität des Finanzsystems im Euroraum. Die Aussichten für die Finanzstabilität in der 20-Länder-Gemeinschaft blieben zudem fragil, teilte die EZB am Mittwoch in Frankfurt mit.

"Preisstabilität ist entscheidend für dauerhafte Finanzstabilität", erklärte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos zur Vorlage des halbjährigen Finanzstabilitätsberichts der Notenbank. "Aber da wir die Geldpolitik straffen, um die hohe Inflation zu senken, kann dies Schwachstellen im Finanzsektor aufdecken."

Die EZB hat im Kampf gegen die hohe Inflation seit Juli 2022 die Zinsen bereits siebenmal in Folge angehoben. Der Leitzins für den Euroraum liegt damit aktuell bei 3,75 Prozent, der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, bei 3,25 Prozent - vor einem Jahr war er mit minus 0,5 Prozent noch negativ. Und die EZB ist voraussichtlich noch nicht am Ende ihres Erhöhungspfades angekommen. Denn die Inflation ist mit 7,0 Prozent im April immer noch mehr als dreimal so hoch wie das Notenbankziel einer Teuerung von zwei Prozent. Zuletzt hatten mehrere Euro-Wächter weitere Zinsanhebungen im Juni und im Juli für wahrscheinlich gehalten.

Die Finanzstabilität im Euroraum bleibe in erhöhtem Maße verwundbar, hieß es in dem Bericht. So seien die Finanzmärkte anfällig für Kurskorrekturen, sollten Wachstums- und Inflationsentwicklung ungünstig ausfallen. Überzogene Bewertungen, schärfere Finanzierungsbedingungen und eine geringere Marktliquidität erhöhten das Risiko, dass Kurskorrekturen aus dem Ruder laufen könnten. Dies gelte insbesondere, falls neue Rezessionsängste aufkommen sollten. Investmentfonds könnten ungünstige Marktdynamiken mit erzwungenen Wertpapierkäufen zusätzlich verstärken, sollten sie plötzlich in Liquiditätsnöte geraten.

Die schärferen Finanzierungsbedingungen testeten zudem die Widerstandsfähigkeit von Haushalten, Unternehmen und Regierungen. Für Firmen, die aus der Corona-Krise mit höheren Schulden und weniger Gewinnen herausgekommen seien, könne was wegen unsicherer Geschäftsaussichten besonders problematisch werden. Gleichzeitig belaste die hohe Inflation die Haushalte, da ihre Kaufkraft abnehme und womöglich auch ihre Fähigkeit, Schulden zurückzuzahlen. "Ein stärker anhaltender Inflationsdruck könnte noch deutlichere geldpolitische Reaktionen seitens der großen Zentralbanken erforderlich machen als Marktteilnehmer es derzeit erwarten", warnte die EZB.

Die Euro-Notenbank wies außerdem darauf hin, dass sich auf den Märkten für Gewerbeimmobilien und Wohnimmobilien nach Jahren der Expansion Korrekturen abzeichneten. "Angesichts all dieser Herausforderungen ist die Widerstandsfähigkeit der Banken des Euro-Raums bemerkenswert, sollte aber nicht zur Selbstzufriedenheit verleiten", schrieb de Guindos im Vorwort des Berichts. Die jüngsten Bankenturbulenzen in den USA und in der Schweiz hätten gezeigt, wie stark die Bewahrung der Finanzstabilität davon abhänge, dass die Finanzwirtschaft Schocks absorbieren könne.