In der Diskussion über die Gasumlage äußert nun auch der deutsche Finanzminister Christian Lindner Zweifel an dem umstrittenen Instrument. "Es stellt sich mir bei der Gasumlage weniger die Rechtsfrage, sondern immer mehr die wirtschaftliche Sinnfrage", sagte Lindner der "Bild am Sonntag". "Wir haben eine Gasumlage, die den Preis erhöht. Aber wir brauchen eine Gaspreisbremse, die den Preis senkt", fügte der FDP-Chef hinzu.

Bis Hilfen der Bundesregierung für Haushalte, Handwerk, Sportvereine oder Kultur stehen würden, vergehe noch Zeit. "Eine Gaspreisbremse muss allen Menschen in einer Volkswirtschaft schnell helfen", betonte der Finanzminister.

Mit der Gasumlage sollen Gasimporteure gestützt werden, die wegen der hohen Einkaufspreise für russisches Gas in Schwierigkeiten geraten. Derzeit ist die Umlage für alle Gasnutzer auf rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde festgelegt.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sieht ohne schnelle Deckelung der Gaspreise die deutsche Wirtschaft in Kürze vom Kollaps bedroht. Aiwanger forderte die Bundesregierung am Sonntag auf, den Gaspreis noch im Oktober auf acht Cent je Kilowattstunde zu deckeln. "Selbst wenn dafür die Schuldenbremse aufgegeben werden muss, ist es volkswirtschaftlich sinnvoller, als Deutschland jetzt innerhalb weniger Wochen zu deindustrialisieren."

Der Gaspreisdeckel solle für Wirtschaft, öffentlichen Bereich und private Haushalte gelten, sagte der Freie Wähler-Chef. Die Differenz zum derzeitigen Preis von über 20 Cent soll der Staat den Energieversorgern zahlen.

"Die deutsche Wirtschaft steht in den nächsten Wochen vor einem flächendeckenden Kollaps, wenn nicht innerhalb weniger Wochen die Energiepreise bezahlbar werden", warnte Aiwanger.

Die Bundesregierung solle dem Vorbild Großbritanniens und Frankreichs folgen. Die Unternehmen hätten keine Zeit mehr, "auf nachgelagerte Hilfsprogramme zu warten, mit denen frühestens zu Weihnachten Geld bei den Betrieben ankommt".

Lindner will an der Schuldenbremse jedoch trotz der abzusehenden Mehrausgaben nicht rütteln: "Eine Gaspreisbremse muss mit langfristig stabilen Staatsfinanzen verbunden werden. Die Schuldenbremse für den Bundeshaushalt steht."

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht vor, dass Bund und Länder ihre Haushalte grundsätzlich ohne Kredite ausgleichen müssen. Vor allem Lindner und seine FDP pochen auf eine strikte Einhaltung der wegen Corona im Bund drei Jahre lang ausgesetzten Regel ab 2023.

Die Ratingagentur S&P hat am Freitag ihr Spitzenrating "AAA" für die Kreditwürdigkeit Deutschlands bestätigt. S&P sei der Ansicht, dass unter anderem Deutschlands wohlhabende und diversifizierte Wirtschaft sowie die moderaten öffentlichen Defizite und Schuldenlasten weiter ausreichende Puffer für das Rating böten. Der Ausblick für das Rating bleibe stabil.

Das von Robert Habeck (Grüne) geführte Wirtschaftsministerium hatte bei der Gasumlage noch finanzverfassungsrechtliche Fragen ausgemacht. Laut "Bild am Sonntag" hat Habeck den Gesetzentwurf vergangenen Mittwoch zwar an die Kabinettsmitglieder verschickt, im Anschreiben dazu aber "unter dem Vorbehalt der finanzverfassungsrechtlichen Prüfung" des Finanzministeriums gestellt. Auch sei auf die mögliche Alternativen verwiesen worden - direkte Staatshilfen an die Not leidenden Gasversorger oder eine Übernahme der Zusatzkosten der Gasimporteure aus Haushaltsmitteln.

Zuletzt hatte auch SPD-Chef Lars Klingbeil erklärt, die Gasumlage gehöre auf den Prüfstand.

(APA)