Die Angst und ihr Ende

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Oder: Sinn ist auch der natürliche Gegner der Angst

Angst ist zum „Grundrauschen“ im Alltag vieler Menschen geworden. Angst vor den Unwägbarkeiten der Märkte, dem „Fremden“, den Bocksprüngen der Politik, dem Unbekannten, der angeblichen Verkommenheit des Systems, Angst vor der Veränderung oder auch schlicht vor dem eigenen Versagen und den damit ­verbundenen ökonomischen, sozialen und emotionalen Verwüstungen.

Angst ist ein (diffuses) Grundgefühl in bedrohlich empfundenen Situationen. Angst ist Emotion und sozial schlecht vertretbar (dekodiert als Feigheit). Es ist halt nicht so cool zu sagen: „Ich habe Angst.“
Sorge wird aus dem Intellekt gespeist und ist sozial entsprechend hoch angesehen, weil sie eine vernünftige Vorschau suggeriert. Die sogenannten „besorgten Bürger“ würden wohl selbst davor zurückschrecken, sich „ängstliche Bürger“ zu nennen, auch wenn ihr Verhalten viel eher der Angst entspricht als der Sorge.
Angst kommt von Enge (= Verengung von Perspektive und Optionen/„Tunnelblick“).
Furcht ist konkret, auf ein Objekt oder eine Person gerichtet. Furcht ist das Gefühl einer konkret fassbaren Bedrohung. Meist rational begründbar und wirklichkeitsgerecht („Realangst“). In Ziele umkehrbar. Minimum: „Vermeidungsziele“. Ideal: „Erreichungsziele“.
In der Gegenbewegung bezeichnet Mut die Fähigkeit, ein Wagnis einzugehen. Mut generiert Risikobereitschaft für die positive Herausforderung. Sich gegen Widerstand und Gefahren für eine als richtig und notwendig erkannte Sache einsetzen.
Tapferkeit ist das Durchhaltevermögen (auch mental!) in schwierigen Situationen. Der/Die Tapfere ist bereit, aus Erfahrungen zu lernen, und fähig zur Kontinuität. Tapfere Menschen halten durch, wenn sie lange krank sind. Oder bleiben ausdauernd, wenn sie an ein Ziel glauben, die Erreichung dieses Ziels aber anstrengend und mit Rückschlägen verbunden ist.

Meine These: Angst verhält sich zu Mut wie Furcht zu Tapferkeit.
Angst sehnt sich nach Reduktion von Komplexität, nach einfachen Lösungen. Angst scheut Fakten. Fakten stehen für Komplexität. Komplexität für Verschwörung. Angst ist in dieser unangenehmen Gemengelage der Hebel für kollektive Unvernunft.
Angst möchte Angst bleiben dürfen.
Keine Angst zu haben ist aber nicht immer ein Zeichen von Mut oder Tapferkeit, sondern oft auch ein Resultat von Erfahrung. (Oder auch von Naivität.)
Gegenpole zur Angst können also sein: Vernunft, Wissen, Erfahrung, Vertrauen. In Summe: Sicherheit.
Es geht also nicht um die Vermeidung von Risiken (Komfortzone!), sondern um „Lernen“ als Bereitschaft, neue Fähigkeiten zu erwerben und zu praktizieren (= Besonnenheit und zielgerichtete Aktion).

In der Wirtschaft begegnet uns die Angst in verschiedensten Artikulationsformen.
• Existenzangst. 
• Angst vor Komplexität. 
• Angst vor der Zukunft.
• Angst vor Verlust von Status, Bedeutung und Anerkennung.
• Angst vor Versagen und Einsamkeit. Vor dem Verlust des Selbstwerts.
Die gelisteten Angstphänomene sind zum alltäglichen Begleiter für Menschen geworden, die sich den aktuellen Rahmenbedingungen in der Wirtschaft stellen müssen. Einmal mehr, einmal weniger. Immer als Grundrauschen da. Sie sind zur Basisschwingung am Beginn der meisten Coachings geworden. Sowohl bei Einzelpersonen als auch bei Teams. Angst ist zum Schatten des Einzelnen und von Teams geworden. Angst und Konflikt sind Geschwister, oft sogar Zwillinge. Meist geht es bei diesen Konstellationen um sogenannte „innere Konflikte“: Auseinandersetzungen im Inneren der einzelnen Person. Sehr häufig sind aber (auch) soziale Konflikte im Spiel: Auseinandersetzungen mit anderen Personen.
Bei gutem Konfliktmanagement geht es aber nicht um Sieg oder Niederlage, sondern um die Herstellung der Handlungsfähigkeit aller Beteiligten. „Ich muss nicht gewinnen, mir droht keine Niederlage“ ist oft schon eine krampflösende Erkenntnis.

Angst ist o. k.
Angst rettet Leben und schützt vor unkontrolliertem Risiko. Aber, es gibt eine Angst, die uns handlungsunfähig macht: der vorauseilende Gehorsam. Die Lähmung der Entschlusskraft, die dann eintritt, wenn wir vergessen, was wir wollen (sollten). Das ist die Angst vor den Sanktionen, dem Liebesverlust, dem Jobverlust. Die Angst vor der eigenen Courage. Der entscheidend positive Schwung zur Veränderung besteht in der Erkenntnis, dass das Gegenteil von Angst nicht Vernunft ist.

Sinn ist der natürliche Gegner der Angst.
Für etwas Sinnvolles werde ich bereit sein, meine Angst vor dem Bedrohlichen zu überwinden. „Für ein gutes Warum ertrage ich auch das schlimmste Wie.“ (Nietzsche)
Die Existenz eines erstrebenswerten Erreichungs­ziels ist für die Bekämpfung der Angst unver­zichtbar. Sinnstiftung schafft Lösungen. Und Lösungsorientierung stiftet Zuversicht und Mut für den nächsten Schritt. (HS)

INFO-BOX
Handbuch für Führungskräfte
Dieses Buch ist ein Erfahrungsbericht aus zwölf Jahren konkreter Praxis eines Wirtschafts-Coachs, der selbst viele Jahre Führungskraft war.
Es gibt Führungskräften die Freude am Führen zurück. Es holt seine Relevanz aus der Erfahrung der realen Coaching-Praxis mit mehr als 3.000 Führungskräften.
Es ist kein theoretischer Ratgeber, ohne belehrenden Unterton und in einer lebensnahen Sprache geschrieben.

Hannes Sonnberger: Tool Box.
Books on Demand,
292 Seiten, 13,99 Euro,
ISBN 978-3-37412-8275-1