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Christian Wiens, Gründer und CEO Getsafe © Getsafe

Christian Wiens, Gründer und CEO von Getsafe, schreibt in seinem Gastkommentar darüber, wie Algorithmen die Versicherung verändern.

Vom selbstfahrenden Auto bis zum intelligenten Kühlschrank: Die Digitalisierung ist die industrielle Revolution des 21. Jahrhunderts und verändert unsere Lebens- und Kommunikationsgewohnheiten. Auch die Versicherungsbranche ist davor nicht gefeit. Weitermachen wie bisher ist keine Option - auch nicht für Versicherer. Doch welche Chancen bietet die Digitalisierung für Versicherungskunden?

Paketzustellungen per Drohne, Sprachservices wie „Alexa“ oder “Siri” und die Roboter-Robbe „Paro“, die Bewohner im Altenheim unterstützt - intelligente Systeme verändern unseren Alltag. Auch in der Versicherungsbranche ist künstliche Intelligenz, kurz KI, ein vielversprechendes Thema: In Zukunft kann sie maßgeblich zur Automatisierung des Versicherungsprozesses beitragen, ob beim Abschließen einer Versicherung oder der Abwicklung von Schadensfällen.

Insbesondere bei der Beschleunigung von Verarbeitungsprozessen können Versicherungsunternehmen noch von den technologischen Entwicklungen in anderen Branchen lernen. Während Online-Geschäfte beispielsweise mittels Funktionen wie Intraday-Delivery schon auf die veränderte Erwartungshaltung der Menschen hinsichtlich gesteigerter Reaktionsgeschwindigkeit reagiert haben, warten die Kunden von Versicherungen häufig noch vergeblich auf ähnlich einfache, transparente und flexible Produkte und Dienste.

Dass aber auch hier zukünftig eine Veränderung zu erwarten ist, zeigt eine Studie des Instituts für Versicherungswirtschaft an der Universität St. Gallen aus dem Jahr 2017. Drei Wissenschaftler befragten Führungskräfte in Versicherungskonzernen im deutschsprachigen Raum zur Veränderung der Zugangswege zum Kunden. Das Ergebnis was ein überwiegend einheitliches Meinungsbild: Die Interaktion mit Kunden wird in den nächsten Jahren mehrheitlich digital stattfinden, sowohl beim Abschluss von Verträgen als auch im Bereich der persönlichen Beratung.

Insurtechs, die mit neuen Technologien wie Künstlicher Intelligenz arbeiten, haben an dieser Stelle klare Vorteile, eine passende Antwort auf diese grundlegend veränderten Kundenbedürfnisse zu formulieren. Sie geben Versicherungsnehmern die Möglichkeit, mit nur wenigen Mausklicks einen Überblick über sämtliche Verträge zu erhalten, Policen gemäß ihren individuellen Bedürfnissen anzupassen und Schäden jederzeit und auf unkompliziertem Wege einem Chatbot zu melden. Diese automatisierten Prozesse und Formen der digitalen Kommunikation führen dazu, dass die Abwicklung des Versicherungsprozesses enorm beschleunigt wird und ein Schaden binnen kürzester Zeit beglichen werden kann.

Hinzu kommt, dass der digitale Versicherungsagent 24 Stunden zur Verfügung steht, sodass Kunden nicht an Arbeitszeiten des Kundenservices gebunden sind. Chatbots und digitale Sprachassistenten werden dabei immer ausgefeilter und können immer mehr Sachverhalte lösen. Kundenberater haben dadurch Zeit für kompliziertere Fälle. Sie können sich auf jene Beratungen konzentrieren, in denen ihre menschliche Kompetenz tatsächlich gefragt und gefordert ist - während Kunden einfache Standardprobleme selbst in Echtzeit lösen können.

Und auch das ist nicht alles: Neben schnelleren und kundenfreundlichen Prozessen können Versicherer durch die Digitalisierung individualisierte Produkte anbieten: Der Kunde wird versichert sein, noch bevor er überhaupt selbst bemerkt hat, dass er eine Versicherung braucht. Wie das geht?

Einigen Insurtechs schwebt hier ein System vor, das ein individuelles Risikoprofil ermittelt, Kunden den besten Versicherungsschutz zusammenstellt und ein personalisiertes Produktbündel anbietet. Man hätte dann also nur noch einen Versicherungspartner, über den alle Risiken abgedeckt wären. Frei nach dem Motto: „Siri, versichere mich!“ Dieses System könnte den Versicherungsschutz automatisch anpassen, wenn sich die Lebensumstände des Kunden verändern - zum Beispiel bei einer Heirat oder der Geburt eines Kindes. Auch Standortdaten oder zuletzt getätigte Einkäufe könnten ausgewertet werden, um konkrete Gegenstände abzusichern - manchmal für eine kurze Zeit. So könnte der Hobbyfotograf für seine Fotokamera eine spezielle Safari-Police abschließen oder der Winterurlauber kurz vor der Grenze in die Schweiz per Smartphone seine Ausrüstung versichern.

Heutzutage landen Kunden dagegen auf Basis ihres Berufs oder eines bestimmten Wohnorts schnell in einer Schublade, die ihrem eigentlichen Risikoprofil nicht entspricht. Indem Versicherer aus der Vorgeschichte und dem Verhalten des Kunden lernen, wird der Versicherungsprozess wieder objektiv. Der Ansatz: Intelligente Algorithmen synthetisieren Vertrauen und setzen den subjektiv gefärbten Entscheidungen von Menschen die objektive Datenanalyse der Maschine entgegen. Ehrliche Kunden könnten so von niedrigeren Beiträgen oder einer beschleunigten Bearbeitung von Schadensmeldungen profitieren.

Auf diese Weise erlebt der Kunde Versicherung ganz neu und unmittelbar. Er kann Schäden direkt melden und Daten in Echtzeit ändern - das ist sehr viel komfortabler. Aber das ist nur der Anfang. Mit Hilfe der Daten können wir Versicherungsbetrug besser erkennen. KI hilft, Schäden vorzubeugen, etwa durch Sensoren, die melden, wenn Wasser in der Wohnung austritt. Telematik-Tarife in der KfZ-Versicherung gehen bereits in diese Richtung, indem sie einen umsichtigen Fahrstil fördern. Mit KI ist es zudem möglich, Angebote zu entwickeln, die sehr viel besser zu den Kundenbedürfnissen passen - weg von standardisierten und inflexiblen Produkten. Künstliche Intelligenz wird Versicherungsprodukte also fairer für die Gemeinschaft machen.

In den kommenden Jahren wächst in Europa eine wohlhabende Generation junger Menschen heran, die sich versichern muss. Diese 20- bis 35-Jährigen werden etwa 1 Milliarde Verträge abschließen. Die Insurtechs stehen in den Startlöchern.

Christian Wiens ist Gründer und CEO des Insurtech-Unternehmens Getsafe.