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KI ist ein Werkzeug wie andere auch. © www_slon_pics auf Pixabay

Wer künstliche Intelligenz sagt, denkt dank Hollywood oft auch an Killerroboter. Was es mit KI heute wirklich auf sich hat, erklären Paul Haberfellner und Jan Nößner vom IT-Dienstleister Nagarro.

Die Geschichte der künstlichen Intelligenz (KI) ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Zumindest ist man häufig versucht, etwas in dieser Art zu formulieren. Und manchmal tut man das dann auch, so wie in diesem Fall. Denn um genau diese Missverständnisse auszuräumen, traten kürzlich Paul Haberfellner und Jan Nößner vom Digitalisierungsberater Nagarro auf den Plan. Im Gepäck hatten sie allerlei Beobachtungen und Projekte zum Thema KI in der Praxis, die ihnen dabei als Werkzeug dienen sollten.

Und da sind wir auch schon beim Thema. Denn auch KI ist nur ein Werkzeug, das Menschen einsetzen um ihre Aufgaben zu erfüllen. Aber der Begriff ist stark aufgeladen, inhaltlich wie emotional. Oder anders, mit den Worten Paul Haberfellners, seines Zeichens Managing Director von Nagarro Österreich: „Was ist KI nicht? Es ist nicht Rocket Science und sicher nicht das, was sehr oft mystifiziert wird. Was es für mich persönlich und für Nagarro ist: Es geht um Growth, nicht nur von Umsatz, sondern auch von Performance, Qualität und Fokussierung. Wir wollen das mit Projekten verknüpfen, um es greifbarer zu machen und die Mystifizierung wegzubekommen.“

Paul Haberfellner, Managing Director von Nagarro Österreich
Paul Haberfellner, Managing Director von Nagarro Österreich (c) Nagarro

 

Haberfellner fühlt sich in das Jahr 2009 zurückversetzt, als noch Cloud Computing in aller Munde war: „Unternehmen haben ‚Cloud‘ über alle ihre Produkte gestülpt und damit die Kunden verwirrt. So geht es mir jetzt mit KI. Da gibt es viel Verwirrung.“ Dabei seien die zugrunde liegenden Konzepte nichts Neues. „KI ist eigentlich ein alter Hut. Wir beschäftigen uns mit den Technologien, die darunter vereint sind, seit Jahren.“

Diesen „alten Hut“ lassen sich freilich einige Staaten eine schöne Stange Geld kosten. Dem Nagarro-Manager zufolge hätten alleine die USA 2019 knapp 25 Mrd. Euro in den kompletten AI-Markt investiert und sprächen von 20 bis 25 Prozent Wachstum bis 2025. Auch Europa sei „gar nicht so schlecht unterwegs“. Deutschland hätte 3 Mrd. Euro zugesagt, dicht gefolgt von England mit 2,5 Mrd. Euro und Frankreich mit 1,5 Mrd. Euro. Für Österreich fand Haberfellner keine aktuellen Zahlen – bezeichnend.

Mehr Zeit für Growth

Dem „Mysterium KI“ stemmt sich Nagarro hemdsärmelig mit seiner Praxisorientierung entgegen. Doch auch in der Praxis gilt es, erst gegen Windmühlen anzugehen – nämlich die Vorurteile und Ängste, die mit dem Thema in Verbindung gebracht werden. Nicht wenige davon kann man auf die Unterhaltungsindustrie zurückführen. „Für eine ganze Generation, die den Film Terminator gesehen hat, ist der Begriff KI negativ behaftet. Wenn er in Projekten zur Sprache kommt, sorgen sich die Unternehmen, dass sie damit Widerstand von Mitarbeitern oder Betriebsrat heraufbeschwören, die sich vor Entlassungen fürchten. Es bedarf eines schrittweisen Heranführens an das Thema. Es ist einfach eine Begrifflichkeit, die kreiert wurde, und die sehr viel Aufklärung braucht“, sagt Haberfellner.

Dabei ist es doch gerade umgekehrt, wie er beteuert: „Im Zuge der Corona-Krise hat jedes Unternehmen mittlerweile verstanden, dass IKT integraler Bestandteil des Unternehmenserfolges ist. Aber es gibt viel zu wenig freies Personal auf dem Markt, speziell in unseren Breitengraden. KI kann da unheimlich helfen, weil sie Unternehmen die Möglichkeit gibt, immer wiederkehrende Tätigkeiten an die Maschine auszulagern – in guter Qualität. Es geht um einiges schneller, also ist die Performance besser. Das Dritte ist, dass man die Mitarbeiter freispielt, um ihnen mehr Zeit für wesentliche Unternehmensthemen zu geben. Das mündet wieder in Growth. Es hängt alles zusammen.“ KI schaffe Arbeitsplätze und verbrenne sie nicht. Natürlich würden sich ganze Berufsgruppen verändern. „Aber KI lebt von der Interaktion mit den Human Interfaces. Ohne Menschen geht es nicht. Man muss die Maschine anleiten.“

Trotzdem sind Unternehmen oft immer noch zögerlich. Ein KI-Projekt haben sie meistens nicht vor Augen, wenn sie sich an den IT-Dienstleister wenden. „Zu uns kommt der Kunde viel eher mit einer Herausforderung. Zum Beispiel mit dem Problem, dass er monatlich mittlerweile hundert Ausschreibungen bekommt, seine Vertriebsmannschaft aber gleich geblieben ist, und er nicht hinterher kommt, alle Ausschreibungen zu lesen. Von KI war seitens des Kunden keine Rede. Wir haben das Problem analysiert und herausgekommen ist ein KI-Projekt, das automatisiert über sämtliche Dokumente geht. Mit dem Effekt, dass wir von hundert Ausschreibungen im Monat auf 20 passende reduziert haben, ohne dass ein Mensch sie vorher lesen musste. Da kann KI tatsächlich helfen, Zeit zu gewinnen um sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren“, beschreibt Paul Haberfellner ein konkretes Beispiel aus der Praxis, und kommt dann noch einmal zum vorherigen Punkt zurück: „Jeder hat das Bild im Kopf, dass die KI die Welt übernimmt. Das ist ein Schwachsinn. Heute ist KI dafür da, um Dinge zu automatisieren, die Qualität zu erhöhen, schneller zu werden und uns Fokussierungszeit zu geben.“

Weniger Mystik, mehr Praxis!

Sein Kollege Jan Nößner, ausgewiesener KI-Experte bei Nagarro, ergänzte weitere Beispiele aus der Praxis. So wie etwa die automatisierte Erkennung fehlerhaft hergestellter Teile in der industriellen Produktion mittels Machine Learning und Bilderkennung. „Wenn man diese Aufgabe klassisch lösen müsste, wäre das sehr aufwändig und jeder Fall müsste explizit einprogrammiert werden. Mit Machine Learning löst man das auf Basis vergangener Daten. Man nutzt tausende alter Bilder, zeigt dem Algorithmus, welches Teil fehlerhaft ist und welches nicht, und der lernt dann anhand der Informationen. Das ist ein viel umfassenderer Ansatz. Das System lernt durch Feedback ständig weiter. Erkennt es am Anfang, wenn es noch nicht gut getunt ist, einen Fehler nicht, kann der Mitarbeiter diesen Fall in das Modell einspeisen und es erkennt in Zukunft auch solche Fehler“, so Nößner.

Jan Nößner entwickelt bei Nagarro Systeme im Bereich KI und Machine Learning.
Jan Nößner entwickelt bei Nagarro Systeme im Bereich KI und Machine Learning. (c) Michael Seirer Photography

 

Auch im Kundenservice lässt sich die Technologie gewinnbringend einsetzen, etwa bei der Analyse von Service-Tickets, um daraus Aufgaben abzuleiten. Nößner: „Eine KI kann anhand des natürlichen Textes der Anfragen analysieren, worum es geht. Geht es um das Resetten eines Passworts, verschickt das System automatisch einen Link als Antwort auf den Request und das Problem ist erledigt.“ Ähnlich funktioniert auch das System, das für eine große Fluggesellschaft Bewertungen auf Social Media analysiert. Es ordnet die Berichte nach Themen, negativem oder positivem Inhalt, fasst zusammen, erstellt Reports und benachrichtigt gegebenenfalls die Mitarbeiter.

Wiederum optischer Natur ist ein System, das den Prozess des Ankaufs von Gebrauchtwagen automatisiert. Anhand von in einem standardisierten Prozess mit Smartphones aufgenommenen Bildern analysiert eine KI, ob das in Frage kommende Fahrzeug Kratzer oder Dellen aufweist und was das für die Kosten der Ausbesserung bedeutet. „Das System ist seit eineinhalb Jahren im Einsatz und hat sich im Laufe der Zeit deutlich verbessert. Zum Beispiel kann ein Mensch die Tiefe der Kratzer teilweise nicht so gut erkennen wie das KI-System“, erzählt Jan Nößner. Paul Haberfellner ergänzt: „Das spart aber nicht die Begutachter ein. Sie nutzen die Technologie hier, um noch tiefer zu gehen. Die Technologie ist das Werkzeug, aber für den Menschen.“

Schnelle Erfolge

Mit ein Grund für den Erfolg von Nagarros KI-Projekten und die Zufriedenheit seiner Kunden ist, dass schnell greifbare Resultate geliefert werden. Das liegt unter anderem an den sogenannten Accelerators. „Das sind Komponenten, die man schnell anpassen kann, um nicht jedes Mal beim Kunden das Rad neu erfinden zu müssen“, erklärt Nößner. Erprobt wurden diese „Beschleuniger“ unter realen Bedingungen, sowohl – ganz nach dem Motto „eat your own dogfood“ – bei Nagarro selbst, als auch in Kundenprojekten. „Deswegen können wir die Proof of Concept so schnell abwickeln. Das ist ein riesengroßes Asset“, ergänzt Haberfellner.

Zum Abschluss bringt Jan Nößner noch zwei der größten Missverständnisse im Zusammenhang mit KI-Projekten ins Gespräch – und räumt sie sogleich aus. „Das Allerwichtigste betrifft den Datenschutz. Viele Leute denken, in den Modellen sind alle Daten enthalten. Das geht technisch gar nicht. Ein Modell aus den Daten – beispielsweise Bankdaten – muss abstrahiert werden, sonst funktioniert es nicht. Natürlich muss man dem Unternehmen, das die Daten verarbeitet, vertrauen. Aber sobald die Modelle einmal trainiert sind, sind die Daten anonymisiert. Außerdem ist es wichtig zu wissen, dass wirklich jedes Unternehmen Daten hat. Viele denken, sie müssten erst jahrelang Daten sammeln, bevor sie KI-Projekte beginnen können. Das ist nicht wahr. Es ist egal, wo die Daten herkommen, ob aus Excel-Listen oder aus strukturierten Datenbanken. Die Daten sind da und sie liefern Ergebnisse. Es ist sehr interessant, welche Daten in den Unternehmen schlummern.“ (RNF)

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