EU-Länder im Osten holen weiter auf © APA - Austria Presse Agentur

In den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas dürfte das Wirtschaftswachstum heuer wieder kräftig anziehen. Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) rechnet für die 23 Länder der Region mit einem BIP-Wachstum von durchschnittlich 2,3 Prozent. Inflation und Zinsen werden demnach deutlich zurückgehen und die Reallöhne steigen. Die russische Kriegswirtschaft hat nach Ansicht der wiiw-Ökonomen ihre Kapazitätsgrenzen erreicht.

"Die drastisch sinkende Inflation, stark steigende Reallöhne und ein wieder anziehender Privatkonsum in Kombination mit bevorstehenden Leitzinssenkungen sollten das Wachstum wieder auf Kurs bringen", fasst der stellvertretende wiiw-Direktor Richard Grieveson die Prognose zusammen. Ein Schlüsselfaktor sei dabei die erhoffte Erholung der deutschen Wirtschaft ab Mitte des Jahres.

Für die EU-Mitglieder der Region prognostiziert das wiiw ein Wachstum von durchschnittlich 2,5 Prozent, während für die EU-Länder insgesamt ein Wachstum von 1,0 Prozent erwartet wird. "Die ostmitteleuropäischen EU-Mitglieder setzen den im vergangenen Jahr unterbrochenen Aufholprozess gegenüber Westeuropa fort und kehren somit wieder zur Normalität zurück", konstatiert Grieveson, Hauptautor der Winterprognose. Polen und Ungarn sollten aufgrund politischer Entwicklungen - neue Regierung in Polen, Viktor Orbáns Ukraine-Deal mit der EU - wieder verstärkt Zugriff auf EU-Gelder bekommen, so die Einschätzung.

Die südosteuropäischen EU-Mitglieder Rumänien (3,0 Prozent) und Kroatien (2,6 Prozent) dürften ebenfalls solide wachsen. Dort stützen nicht zuletzt Mittelzuflüsse aus dem Corona-Wiederaufbaufonds NextGenerationEU die Konjunktur. Die sechs Staaten am Westbalkan werden im Schnitt um 2,6 Prozent expandieren, die Türkei um 3,0 Prozent. Die leichte Erholung der kriegsgeplagten Ukraine sollte sich mit 3,0 Prozent BIP-Wachstum fortsetzen, ist aber vom weiteren Kriegsverlauf und vor allem den westlichen Hilfsgeldern abhängig. Für den Angreifer Russland erwarten die wiiw-Wirtschaftsforscher, dass sich das im vergangenen Jahr starke Wachstum der Kriegswirtschaft (3,5 Prozent) auf heuer 1,5 Prozent einbremsen wird, während die Republik Moldau (3,7 Prozent) und Kasachstan (4,2 Prozent) am stärksten wachsen werden.

Als Abwärtsrisiken zählt Grieveson eine Fortsetzung der Rezession in Deutschland, eine Eskalation der Kriege in der Ukraine und in Gaza, Störungen der Lieferketten wie derzeit im Roten Meer und vor allem die mögliche Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten auf. Das gilt vor allem für die Ukraine, die sich nur mit Hilfe ihrer westlichen Verbündeten finanzieren kann. "Angesichts eines erwarteten Budgetdefizits von 25 Prozent des BIP, das primär über westliche Hilfsgelder finanziert wird, haben die anhaltenden Verzögerungen bei der Zusage und Auszahlung der Mittel natürlich einen äußerst negativen Effekt auf das Vertrauen in die ukrainische Wirtschaft", sagt Olga Pindyuk, Ukraine-Expertin des wiiw.

Russlands Wirtschaft ist im vergangenen Jahr trotz der westlichen Sanktionen um 3,5 Prozent gewachsen. Die wiiw-Experten sehen jedoch zunehmende Überhitzungserscheinungen durch den Rüstungsboom. Durch den Krieg fehle es an Arbeitskräften und die Leitzinsen seien wegen der hohen Inflation auf 16 Prozent angehoben worden - das dürfte das Wachstum heuer auf 1,5 Prozent begrenzen, so die Erwartung.

"Russland ist immer mehr davon abhängig, dass der Krieg weitergeht", sagt Vasily Astrov, Russland-Experte des wiiw. "Die enormen Ausgaben dafür wirken wie eine Droge auf die Wirtschaft. Natürlich wird das auch zu entsprechenden Entzugserscheinungen führen, sollte diese Droge reduziert oder abgesetzt werden." 29 Prozent des Staatsbudgets würden für das Militär aufgewendet, die Rüstungsausgaben heuer auf 6 Prozent des BIP steigen, den höchsten Wert sei dem Zerfall der Sowjetunion. Russlands Budgetdefizit beträgt heuer dennoch nur knapp 1 Prozent, die Finanzierung des Krieges sei kein Problem.

Für Österreichs Wirtschaft ist das Anspringen der Konjunktur in den Visegrad-Ländern Polen, Tschechien, Ungarn und Slowakei ein positiver Impuls. Profitieren dürfte Österreich auch vom robusten Wachstum in Südosteuropa.