In "normalen Zeiten" kein Grund zur Freude © APA - Austria Presse Agentur

Eine bessere wirtschaftliche Entwicklung Ende 2024 und zum Jahresanfang stimmt die Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS etwas optimistischer für das Gesamtjahr als noch im März. Die österreichische Wirtschaft werde stagnieren (Wifo) bzw. um 0,1 Prozent (IHS) wachsen, so die Institute in ihrer am Donnerstag präsentierten Sommerprognose. "In normalen Zeiten wäre eine solche Stagnation alles andere als ein Grund zur Freude", räumte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr ein.

Gegenüber der Frühjahrsprognose wird damit zumindest nicht mehr von einem dritten Rezessionsjahr ausgegangen. Ende März hatten beide Institute für heuer einen Rückgang um 0,3 bzw. 0,2 Prozent prognostiziert. Felbermayr verwies auf eine mittlerweile aufgehellte Konsumstimmung und auch aus Deutschland kämen "positive Signale".

Das Budgetdefizit für 2025 soll den beiden Instituten zufolge mit 4,1 Prozent bzw. 4,4 Prozent trotz Sparpakets weiter deutlich über der Maastricht-Grenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen. Die Prognose für das Defizit wurde damit gegenüber dem Wert vom März, wo noch von 3,3 bzw. 3,2 Prozent ausgegangen wurde, verschärft. Das gilt auch für 2026, wo die Wirtschaftsforscher nun ein Haushaltsminus in Höhe von 3,9 bzw. 4,1 Prozent des BIP erwarten. Das IHS setzt bei seiner Prognose dabei eine "strikte Budgetdisziplin" voraus - also dass die Vorgaben des Sparpakets umgesetzt werden. Das Wifo rechnet bis 2026 mit einem Anstieg der Staatsschuldenquote auf 85 Prozent.

Sorge um Wettbewerbsfähigkeit

Die Konjunkturforscher warnen vor einer deutlich gefallenen Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft in den vergangenen Jahren. So seien die Verbraucherpreise seit 2010 durchgehend stärker gestiegen als in der Eurozone, meinte IHS-Chef Holger Bonin. Beide Ökonomen forderten vor dem Hintergrund Reformen im Pensionssystem und eine Senkung der Lohnnebenkosten.

Felbermayr ließ hier mit der Aussage aufhorchen, dass man als Gegenfinanzierung über die Einführung einer Erbschaftssteuer nachdenken müsse. Auch Bonin pflichtete dem bei. "Wir haben keine Spielräume dafür, die Steuern zu senken ohne Gegenfinanzierung." Die Aussagen riefen später die Industriellenvereinigung (IV) auf den Plan, die eine Erbschaftssteuer klar ablehnt. Eine "Ablebensteuer" belaste Unternehmerfamilien "und gefährdet insbesondere kleine und mittelständische Familienunternehmen", heißt es in einer IV-Aussendung dazu.

2026 soll die Wirtschaft dann etwas stärker wachsen. Das Wifo rechnet mit einer etwas dynamischeren Erholung auf 1,2 Prozent. Beim IHS geht man von einer Jahreswachstumsrate von 1 Prozent aus. Damit bleibe Österreich klar hinter der erwarteten Entwicklung im Euro-Währungsraum zurück. Die IHS-Forscher prognostizieren für die 20 Euro-Länder ein reales Wachstum von 1,0 (2025) und dann 1,5 Prozent (2026). Beim Wifo beläuft sich die Schätzung hier auf 1,0 Prozent, gefolgt von 1,1 Prozent.

Höhere Arbeitslosigkeit erwartet

Die Teuerungsrate dürfte den Prognosen zufolge heuer relativ hoch bleiben. Sowohl Wifo als auch IHS rechnen mit einer durchschnittlichen Inflationsrate in Österreich von 2,9 Prozent. Im Folgejahr soll die Entwicklung der Verbraucherpreise dann etwas zurückgehen mit geschätzten Inflationsraten von 2,2 (Wifo) und 1,9 Prozent (IHS). Für die Arbeitslosenquote wird dann von beiden ein Anstieg auf 7,5 Prozent heuer gesehen, gefolgt von einem Rückgang auf 7,3 Prozent 2026.

Die Anzeichen einer Erholung würden sich mehren, schreibt das Wifo in seiner Aussendung, "wenngleich diese vorerst zaghaft und anfällig für Rückschläge" bleibe. Auch das IHS warnt angesichts der besseren Wachstumsprognose vor "gravierenden Abwärtsrisiken". Diese gingen vor allem von der "erratischen Zollpolitik" der USA aus, sowie geopolitischen Spannungen im Nahen Osten und dem Krieg in der Ukraine.

Eine Konjunkturstütze sind heuer die privaten Konsumausgaben, die um 0,4 bzw. 0,7 Prozent steigen sollen. Für die Industrie dürfte ein weiteres Jahr mit Rückgang anstehen, so Felbermayr. Dennoch scheine diese "allmählich aus der Rezession herauszufinden". 2026 sollen dann alle Sektoren bis auf den Tourismus zulegen.

USA dürften um 1,4 bzw. 1,7 Prozent wachsen

Bremsend wirken heuer noch die Exporte, die laut Wifo und IHS gegenüber dem Vorjahr um 0,5 Prozent fallen werden. Im Folgejahr gehe es aber wieder aufwärts mit 1,3 bzw. 1,8 Prozent. Auch die Bruttoanlageinvestitionen dürften heuer noch einmal zurückgehen (real um 0,7 oder 0,5 Prozent), um 2026 wieder zum Wirtschaftswachstum beizutragen (+1,4/+0,8 Prozent).

Interessant ist auch der internationale Vergleich. Für den wichtigsten Handelspartner Deutschland rechnen die Wirtschaftsforscher heuer mit einem Wachstum von 0,3 Prozent. Die USA dürften ihre Wirtschaftsleistung demnach um 1,4 bzw. 1,7 Prozent steigern, während Chinas BIP sich um 4,2 oder 4,5 Prozent vergrößern dürfte.

Regierung sieht Auftrag, FPÖ Mythos

"Der prognostizierte Aufschwung ist ein zartes Pflänzchen, das wir mit allen verfügbaren Mitteln und Kräften stärken müssen, um Wachstum zu ermöglichen", reagierte Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP). Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) fügte an: "Wir leisten mit einer verlässlichen Budgetsanierung u nd offensiven Investitionen in Qualifizierung und Bildung einen Beitrag zu erfolgreicher wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung." Für NEOS-Budgetsprecherin Karin Doppelbauer sind die Zahlen "ein klarer Auftrag für weiteres entschlossenes Handeln. Österreich ist beim Wirtschaftswachstum und den Arbeitskosten im EU-Vergleich immer noch Schlusslicht."

Kritik kam von der FPÖ. "Eine Stagnation ist kein Aufschwung", schreibt die freiheitliche Wirtschaftssprecherin Barbara Kolm. "Wenn 0,1 Prozent Wachstum schon als Erfolg verkauft wird, zeigt das, wie tief die wirtschaftspolitischen Ansprüche gesunken sind". Die gestiegenen Prognosen für das Budgetdefizit würden zeigen, dass die "Sanierung ist ein Mythos" ist.

Arbeitnehmervertreter wegen Arbeitslosigkeit besorgt

Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB) zeigten sich trotz etwas besserer Konjunkturprognose besorgt wegen der Lage am Arbeitsmarkt. "Die Beschäftigung ist in den zwei Rezessionsjahren zwar leicht gewachsen, allerdings wird diese Dynamik nun deutlich schwächer", warnt AK-Präsidentin Renate Anderl in einer Aussendung und fordert neben Investitionen in "Infrastruktur, Klimaschutz und einen guten Sozialstaat" eine "Qualifizierungsoffensive", ein "Älteren-Beschäftigtenpaket mit einem Bonus-Malus-System" sowie eine "Jobgarantie für Langzeitarbeitslose".

Ähnlich äußerte sich auch die Leiterin des volkswirtschaftlichen Referats im ÖGB, Angela Pfister: "Sparen darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten passieren. (...) Wenn Konsolidierung unumgänglich ist, muss auf eine gerechte Besteuerung großer Vermögen und Erbschaften gesetzt werden".