Blümel spricht mit EU-Amtskollegen in Brdo © APA - Austria Presse Agentur

Die EU-Finanzminister haben am Samstag bei einem informellen Treffen im slowenischen Brdo bei Kranj kontrovers über mögliche Änderungen bei den EU-Schuldenregeln beraten. Österreich und nördliche Staaten warnten eindringlich vor einer Aufweichung der Regeln, um etwa Investitionen in den Klimaschutz zu erleichtern. Wie sich Deutschland positionieren wird, hing wesentlich vom Ausgang der Bundestagswahl in zwei Wochen ab.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), der auf strikte Einhaltung der EU-Schuldenregeln beharrt, trat der Argumentation entgegen, dass Klimainvestitionen in stark verschuldeten Ländern gebremst werden könnten. Er sehe diesbezüglich keine Gefahr, sagte Blümel vor der Sitzung. "Wenn wir uns alleine die Zinsvorteile ansehen, dann wird viel Geld frei im Vergleich zu vor der Krise und das ist eine der Möglichkeiten, Investitionen zu tätigen." Darüber hinaus hätten die Fiskalregeln in den letzten Jahren genügend Flexibilität bewiesen, um große Investitionsprojekte angehen zu können, fügte er hinzu.

Der zur Debatte stehende Vorschlag, für Grüne Investitionen eine Ausnahme von der Schuldengrenze zu machen, stammt von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. Blümel wiederholte, dass dies aus ökonomischer Sicht Sinn habe, mahnte aber, dass solche Ausnahmen nicht als Ausreden verwendet dürfen, um sich nicht an die Regeln zu halten. "Die Debatte ist zwar auf der sachlichen Ebene eine sehr gute und aus meiner Sicht zu führende, aber es müssen auch Mechanismen eingebaut werden, dass sie nicht missbraucht werden", so der Minister vor Journalisten.

Österreich setzt sich zusammen mit sieben weiteren EU-Ländern zur raschen Rückkehr zum Stabilitäts- und Wachstumspakt ein, nachdem aufgrund der Coronakrise die Schuldenregeln der EU bis voraussichtlich 2023 ausgesetzt wurden. Einen Anlass, um über eine weitere Verlängerung der Ausweichklausel nachzudenken, sieht der Finanzminister angesichts der guten Wachstumsraten in allen EU-Ländern nicht. Bei der geplanten Reform des Stabilitätspakts erwartet er eine längere Debatte; er betonte, dass sie unabhängig von der Corona-Situation geführt werden müsse.

In Hinblick auf das Thema der Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert begrüßte Blümel die Fortschritte auf OECD-Ebene für einen globalen Mindeststeuersatz. "Wichtig ist, dass wir hier auf EU-Ebene rasch zu konkreten Umsetzungsschritten kommen. Darüber hinaus braucht es auch steuerliche Fairness bei Kryptowährungen", betonte er laut einer Mitteilung des Finanzministeriums.

EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis sprach nach Abschluss der Beratungen von klaren Zeichen der wirtschaftlichen Erholung in Europa. Alle EU-Länder sollten spätestens 2022 das Vorkrisenniveau wieder erreichen. Nun gehe es darum, die in der Pandemie sprunghaft gestiegenen Schulden zu reduzieren, ohne Investitionen zu vernachlässigen. "Investitionen alleine reichen aber nicht aus." Es müsse auch Strukturreformen geben. Der lettische Politiker sprach von einem "Balanceakt". Die Erholung der Wirtschaft müsse noch unterstützt werden, die Schulden aber gleichzeitig tragfähig bleiben. Für die nächste Zeit gehe es darum, einen Konsens unter den Mitgliedsländern zu fördern. Dabei würden auch Ausnahmen für grüne Investitionen eine Rolle spielen.

Dombrovskis betonte, die Schuldenregeln hätten genug Flexibilität. Ähnlich hatte sich am Freitag auch der deutsche Finanzminister Olaf Scholz geäußert. "Sie haben den Praxistest bestanden", sagte er. Die Regeln seien gut und müssten bewahrt werden. Die Union hat im Bundestagswahlkampf vor einer stärkeren Spaltung Europas gewarnt, sollte SPD-Kanzlerkandidat Scholz die nächste Regierung anführen. CDU/CSU werfen ihm vor, eine dauerhafte gemeinsame Schuldenaufnahme in der EU zu unterstützen. Experten gehen davon aus, dass Deutschland unter einer SPD-geführten Regierung stärker an einem Kompromiss mit Frankreich arbeiten wird.

Der französische Finanzminister Bruno Le Maire sagte bei dem informellen Treffen, er halte die Idee einer Ausnahme für grüne Investitionen für gut und wolle sie näher zu investieren. Zugleich räumte er ein, dass es schwierig werde, genau zu definieren, was grüne Investitionen seien.

Laut EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sind bei den Investitionen die Lektionen aus vergangenen Krisen, als das Investitionsniveau in den darauffolgenden Jahren stark zurückging, zu berücksichtigen. Jetzt dürfe man einen Rückgang von öffentlichen Investitionen nicht zulassen, wenn man es ernst mit dem Klimawandel und der digitalen Transformation meine, mahnte der Kommissar in Brdo vor dem Treffen. Die Frage, wie man öffentliche Investitionen im nächsten Jahrzehnt stark halten könne, wird laut ihm auch ein Thema sein.

Mit Blick auf die globale Mindestbesteuerung von Großkonzernen, auf die man sich im Juli geeinigt hat, betonte Gentiloni, dass die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) derzeit daran arbeite, die politische Vereinbarung in ein detailliertes Abkommen umzusetzen. Das solle im Oktober gemacht werden, betonte er. Dabei werde der Beitrag der EU wichtig sein. "Wir müssen das unter uns diskutieren und einen Konsens aufbauen. Wir haben wenige Wochen, um unseren Beitrag zu leisten", so der Kommissar. Die globale Mindeststeuer ist laut Gentiloni einerseits wichtig, um die wirtschaftliche Erholung zu finanzieren und weltweit den Steueroasen ein Ende zu setzen.