Die wirtschaftliche Erholung von der Corona-Krise kommt nach Einschätzung von EU-Spitzenvertretern voran. Hilfen seien aber weiterhin nötig, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni am Freitag im slowenischen Brdo, wo die Finanzminister der Europäischen Union bis Samstag tagen. Thema ist unter anderem eine Überarbeitung der wegen der Corona-Krise momentan ausgesetzten Schuldenregeln. Große Anstrengungen seien nötig, um hier einen Konsens in der EU zu erzielen.

Der Italiener Gentiloni ergänzte, eine restriktivere Finanzpolitik sei nicht angebracht. "Das wäre ziemlich gefährlich." Fehler nach früheren Krisen müssten dieses Mal vermieden werden. Investitionen dürften nicht wieder als erstes zusammengestrichen werden. Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe sprach von einer starken Erholung der Wirtschaft. Nun gehe es darum, diese zu verstetigen. In den nächsten Monaten werde überprüft, wie viel staatliche Hilfen noch nötig sei. Gezieltere Maßnahmen seien wohl angebracht, so der Ire.

"Die Situation ist besser als wir vor ein paar Quartalen befürchtet haben, aber wir sind noch nicht über den Berg," sagte die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde. Auch der Chef des europäischen Rettungsfonds ESM, Klaus Regling, sagte, Europa komme besser aus der Krise heraus als gedacht.

Im Kampf gegen die Corona-Krise wurden die Schuldenregeln 2020 ausgesetzt - und bleiben es noch bis Ende 2022. Eigentlich gilt für die Neuverschuldung eine Obergrenze von drei Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftskraft des Landes. Beim Schuldenberg liegt das Limit bei 60 Prozent. Die Unterschiede innerhalb der EU sind aber groß, zum Teil werden die Vorgaben seit Jahren deutlich überschritten - auch schon vor der Pandemie. Nach Angaben der EU-Kommission werden die 19 Euro-Länder dieses Jahr ein Haushaltsloch in Höhe von 8,0 Prozent ausweisen, nachdem es 2020 noch 7,2 Prozent waren. Die Gesamtverschuldung dürfte auf 102,4 Prozent klettern. Gentiloni sagte, sie sei noch tragfähig, eine leichte Reduzierung aber wohl angebracht.

Finanzminister aus acht EU-Ländern, darunter Österreich, haben eine rasche Rückkehr zum Stabilitäts- und Wachstumspakt gefordert. Die budgetäre Nachhaltigkeit müsse weiterhin eine zentrale Säule der EU-Mitgliedschaft bleiben, hieß es in einem gemeinsamen Positionspapier, das am Freitag in mehreren internationalen Zeitungen veröffentlicht wurde.

Mehrere andere europäische Länder fordern hingegen, dass die Überprüfung der Schuldenregeln nicht zulasten wichtiger Investitionen geht, etwa in Klimaschutz oder Digitalisierung. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire bezeichnete die Regeln als nicht mehr realistisch, sie müssten angepasst werden.

Es wird erwartet, dass sich die Debatte über Änderungen weit ins nächste Jahr zieht. Kritiker einer zu laxen Schuldenpolitik monieren, grüne Investitionen könnten schwer zu definieren sein und für offene Schleusen sorgen.

Laut deutschem Finanzminister Olaf Scholz haben die Regeln bereits ein hohes Maß an Flexibilität. "Sie haben den Praxistest bestanden." Es müsse immer auch ordentlich mit dem Geld der Steuerzahler umgegangen werden. "Wir haben gute Regeln." Sie müssten bewahrt werden. Die Union hat im Bundestagswahlkampf vor einer stärkeren Spaltung Europas gewarnt, sollte SPD-Kanzlerkandidat Scholz die nächste Regierung anführen. CDU/CSU werfen ihm vor, eine dauerhafte gemeinsame Schuldenaufnahme in der EU zu unterstützen.

(APA)