IT für die digitale Fabrik

NEW BUSINESS Guides - AUTOMATION GUIDE 2017
Industrie 4.0 wird allmählich zum Standard: Vier von zehn ITK-Unternehmen setzen bereits auf die digitale Fabrik. © alliesinteractive/Freepik

Anbieter legen beim Thema Industrie 4.0 Tempo vor

Laut einer Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom bieten 43 Prozent der IT-Unternehmen bereits Dienstleistungen und Produkte für Industrie 4.0 an. 53 Prozent planen solche Angebote derzeit konkret oder können sich vorstellen, dies zu tun.

Damit haben die IT-Unternehmen ihre Aktivitäten im Bereich Industrie 4.0 innerhalb von drei Jahren fast verdoppelt. Bei einer Befragung im Jahr 2014 erklärten lediglich 23 Prozent, dass sie bereits Industrie-4.0-Anwendungen im Portfolio haben. 2015 war es immerhin schon jedes dritte Unternehmen (31 Prozent). „Vor gerade einmal drei Jahren war Industrie 4.0 für die große Mehrheit der Unternehmen noch Zukunftsmusik, seitdem hat das Thema rasant an Bedeutung gewonnen: Industrie 4.0 wird im produzierenden Gewerbe zum Standard, und die IT-Anbieter sind ein wesentlicher Treiber“, sagte Bitkom-Präsidiumsmitglied Michael Kleinemeier. Industrie 4.0 ist mittlerweile ein bedeutendes Geschäftsfeld für die IT-Unternehmen. Rund vier von zehn Befragten (42 Prozent) sehen Industrie 4.0 für die ITK-Branche als wichtig an, jeweils 27 Prozent sagen, dass dies in ein bis zwei Jahren beziehungsweise drei bis vier Jahren der Fall sein wird. Mit fünf bis zehn Jahren Entwicklungszeit rechnen vier Prozent. „Für Unternehmen der Digitalwirtschaft ergeben sich durch Industrie 4.0 riesige Chancen. Die Digitalisierung von Produkten, Dienstleistungen und ganzen Geschäftsmodellen rückt in das Zentrum der Geschäftstätigkeit vieler IT-Anbieter“, so Kleinemeier.

Große Nachfrage nach IT 4.0
Der Begriff Industrie 4.0 steht für die vierte indus­trielle Revolution, in deren Verlauf die klassische Produktion mit dem Internet zusammenwächst. Dieser Prozess kann einer Bitkom-Studie zufolge in Deutschland in sechs volkswirtschaftlich zentralen Branchen – darunter Maschinen- und Anlagenbau, KFZ-Hersteller, Elektrotechnik und chemische Industrie – bis zum Jahr 2025 für Produktivitäts­steigerungen in Höhe von insgesamt bis zu 78,5 Milliarden Euro sorgen. IT-Unternehmen leisten dazu einen wichtigen Beitrag: Sie liefern unter anderem die Infrastruktur, das Prozess-Knowhow, softwareintensive, eingebettete Systeme sowie Sicherheitslösungen für Industrie 4.0.
Viele Kunden und Interessenten für Industrie-4.0-Produkte kommen aus dem Fahrzeugbau. Gut jedes zweite IT-Unternehmen (51 Prozent), das bereits spezielle Angebote für Industrie 4.0 im Portfolio hat oder diese plant, hat im Automobilbau (potenzielle) Kunden. Auch Hersteller von Elektronik- und Optikerzeugnissen (35 Prozent), die Metallerzeugung (34 Prozent) und Hersteller von Gummi, Kunststoff, Glaswaren und Keramik (30 Prozent) sind wichtige Kunden für die von der IT-Branche angebotenen Industrie-4.0-Produkte und -Dienstleistungen. Weitere Nachfrage kommt aus dem Maschinenbau (28 Prozent) sowie der Nahrungsmittelindustrie (26 Prozent). „Die fertigenden Unternehmen sind die klassischen Kunden der IT. Sie suchen gerade auch bei der digitalen Transformation ihres Geschäfts die Unterstützung durch IT-Unternehmen“, so Kleinemeier.

Hürden und Hindernisse
Kritisch äußern sich die IT-Unternehmen über das Tempo, mit dem die Industrie das Thema vernetzte Fabrik, auch Smart Factory genannt, angeht. So sagen fast vier von zehn Befragten (39 Prozent), dass viele Fertigungsunternehmen die Anwendungsbereiche von Industrie 4.0 noch nicht erkannt haben. Rund jeder Zweite (49 Prozent) meint außerdem, dass viele Mittelständler den Begriff Industrie 4.0 nicht kennen. Zwei Drittel (65 Prozent) sind darüber hinaus der Meinung, dass viele Fertigungsunternehmen zu zögerlich in der Umsetzung von Industrie 4.0 sind. Dazu kommen technische Hürden, die die Nutzung von Industrie 4.0 bei den Kunden bremsen. So sagen 63 Prozent der Befragten, dass unterschiedliche Standards derzeit noch ein Hemmnis für Industrie 4.0 sind. 37 Prozent meinen, dass es Schwierigkeiten beim Einbinden des vorhandenen Maschinenbestands in den Werkhallen gibt. „Gemeinsame und branchenübergreifende Standards sind essenziell für den Erfolg von Industrie 4.0. Maschinen und Produkte müssen ebenso einfach miteinander kommunizieren können wie Smartphones“, so Kleinemeier. Hier müssten Politik und Industrie Tempo machen. Dabei könnten unter anderem marktnahe Leuchtturmprojekte von IT-Anbietern und -Anwendern helfen. Auch industrielle Kompetenzzentren können den Nutzen anhand konkreter Erfolge sichtbar machen. Gleichwohl müsse aber auch die Politik den langfristigen Erfolg unterstützen.

Interessante Zukunftsszenarien
Trotz der noch vorhandenen Hürden ist die Bitkom-Branche weiter optimistisch und sieht in der Smart Factory interessante Zukunftsszenarien. So erwarten zwei Drittel (66 Prozent), dass Big-Data-Analysen zur frühzeitigen Erkennung von Kundenwünschen im Jahr 2025 verbreitet sein werden. An autonome Logistikfahrzeuge und andere autonome Maschinen als Standard im produzierenden Gewerbe glaubt mehr als jeder dritte Befragte (37 Prozent). 43 Prozent gehen davon aus, dass Digital Twins in der Fabrik der Zukunft verbreitet sein werden. Dabei handelt es sich um digitale Abbilder realer Maschinen und Geräte. Mit ihnen kann man Situationen durchspielen und zum Beispiel bei Reparaturen Lösungen entwickeln und testen.

Big Data ist nicht mehr nur für Großkonzerne
Die optimale Planung von Transportwegen, die Reduzierung von Retouren oder die Vorhersage von Maschinenausfällen in der Produktion: Big-Data-Analysen können in vielen Branchen die Arbeit effizienter machen und dabei helfen, Kosten zu sparen. Dabei ist Big Data längst nicht mehr allein ein Thema für Großkonzerne, sondern wird auch für den gehobenen Mittelstand immer interessanter, wie eine repräsentative Umfrage von Bitkom Research im Auftrag der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG unter 709 Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern ergeben hat. Demnach sagen aktuell 62 Prozent der Unter­nehmen mit 500 bis 1.999 Mitarbeitern, dass sie Big-Data-Lösungen einsetzen. Vor einem Jahr waren es gerade einmal 44 Prozent. „Big Data ist längst nicht mehr nur etwas für Big Companys. Entscheidungen im Unternehmen auf Grundlage von Erkenntnissen aus einer großen Menge an Daten zu treffen, wird auch für kleinere Unternehmen immer interessanter“, sagte Axel Pols, Geschäftsführer von Bitkom Research, bei der Vorstellung der Studienergebnisse.
Über alle Unternehmensgrößen hinweg sagt nicht einmal mehr jedes fünfte Unternehmen (18 Prozent), dass Big-Data-Lösungen kein Thema für das eigene Unternehmen seien (2016: 22 Prozent). Hauptgrund dafür dürfte sein, dass sechs von zehn Unternehmen (59 Prozent), die Big-Data-Lösungen einsetzen, damit mindestens eines ihrer Geschäftsziele erreichen. So geben 41 Prozent an, sie hätten dank Big Data Risiken minimiert, 27 Prozent konnten den Umsatz erhöhen und 19 Prozent Kosten reduzieren. „Die Ergebnisse zeigen, dass Big Data auf die Unternehmensziele einzahlt, es aber kein Selbstläufer ist. Anders als etwa die Automatisierung mit einem Roboter, der sofort Effizienzgewinne liefert, muss Big Data in eine Strategie eingebettet und die gewonnenen Erkenntnisse müssen umgesetzt werden. Das braucht Zeit und den Willen zur Umsetzung durch das Management“, sagte Thomas Erwin, Global Execution Partner Data & Analytics bei KPMG. (BO)